Bundespräsident Gauck nennt Übergriffe auf Flüchtlingsheime "widerwärtig"

Die Attacken auf Unterkünfte von Flüchtlingen reißen nicht ab - nun richtet sich Bundespräsident Joachim Gauck mit scharfen Worten an die Fremdenfeinde: Die Angriffe seien unerträglich.
Bundespräsident Gauck: "Widerwärtige Angriffe auf Flüchtlingsheime"

Bundespräsident Gauck: "Widerwärtige Angriffe auf Flüchtlingsheime"

Foto: Michael Sohn/ AP

Bundespräsident Joachim Gauck hat mit deutlichen Worten die anhaltenden Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte kritisiert. Bei einer Rede auf einem Symposium über Zuwanderung sprach das Staatsoberhaupt von "widerwärtigen Angriffen auf Flüchtlingsheime". Weiter sagte er: "Das ist unerträglich."

Gauck wich mit diesen Worten von seinem Redemanuskript ab. Sie sind für einen Bundespräsidenten ungewöhnlich deutlich. Das Symposium hat den Titel "Wer ist wir? Identität - Zugehörigkeit - Zusammenhalt in Deutschland".

Dem Redetext folgend sagte der Bundespräsident zunächst: "Wir alle, die wir diesen demokratischen, freiheitlichen Staat für verteidigenswert halten, sind aufgerufen, den Zusammenhalt unserer Bürger in eben diesem Geist zu fördern. Denn wir erleben, dass sich fremdenfeindliche Haltungen festsetzen, manche Menschen nicht einmal mehr vor Übergriffen zurückschrecken." Dann ergänzte er die Sätze: "Ich denke an diesem Punkt an das, was wir kürzlich wieder erlebt haben mit diesen widerwärtigen Angriffen auf Flüchtlingsheime. Das ist unerträglich."

Gauck mahnte in seiner Rede an, dass sich die Gesellschaft mehr Mühe geben müsse, die neue Vielfalt durch Migration anzuerkennen. "Aber die Emotionen, das Wir-Gefühl und das Selbstverständnis der Deutschen haben mit dieser Entwicklung noch nicht überall Schritt gehalten." Er sagte laut Manuskript weiter: "Das Herz unserer Gesellschaft hat noch nicht verarbeitet, was das Hirn längst weiß."

In den vergangenen Wochen ist es in ganz Deutschland vermehrt zu Übergriffen auf Flüchtlingsheime gekommen. Hintergrund ist offenbar die Angst mancher Bürger vor der steigenden Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen.

Der Bundespräsident wies laut Manuskript darauf hin, dass sich der Blick auf Einwanderung nur langsam verändere: "Ich denke, wir stehen noch ziemlich am Anfang eines Prozesses, in dem aus alter Mehrheitsgesellschaft und Einwanderern ein verändertes Deutschland hervorgehen wird." Gauck sagte weiter: "Irgendwann wird das gemeinsame Deutschsein dann nicht nur die gemeinsame Staatsbürgerschaft meinen. Es wird vielmehr selbstverständlich sein, dass der oder die Deutsche auch schwarz, muslimisch oder asiatisch sein kann."

Gauck hatte schon in der Vergangenheit klare Worte gegen Fremdenfeindlichkeit gefunden. Nachdem er in diesem Kontext 2013 sagte, Deutschland brauche "Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen", verklagte ihn die NPD. Am Ende entschied das Bundesverfassungsgericht im Juni 2014, dass Gaucks Meinungsäußerung einem Bundespräsidenten zustehe.

flo
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