Bundespräsident unter Druck Wulff will sich in Fernsehinterview erklären

Der Druck auf den Bundespräsidenten wird immer stärker - nun geht er erneut an die Öffentlichkeit. Christian Wulff wird sich in einem Interview mit ARD und ZDF zu den Vorwürfen rund um Kreditaffäre und Anrufe bei Tageszeitungen äußern. Das Gespräch wird um 20.15 Uhr von den Sendern ausgestrahlt.
Bundespräsident unter Druck: Wulff will sich in Fernsehinterview erklären

Bundespräsident unter Druck: Wulff will sich in Fernsehinterview erklären

Foto: Holger Hollemann/ dpa

Berlin - Die Weihnachtsferien sind für Bundespräsident Christian Wulff beendet. Das Staatsoberhaupt kehrt nach Schloss Bellevue zurück - und will noch an diesem Mittwoch zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen Stellung nehmen. Wulff wird ARD und ZDF ein gemeinsames Fernsehinterview geben. Die Sender strahlen es am Abend um 20.15 Uhr zeitgleich aus. Das Interview soll eine Viertelstunde dauern, teilte das ZDF mit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet eine weitere persönliche Erklärung von dem Staatsoberhaupt. "Die Bundeskanzlerin geht davon aus, dass er sich erklärt", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Erwartungen an eine solche Stellungnahme äußerte er aber nicht. Das wäre "ungehörig".

Streiter betonte, die Kanzlerin schätze Wulffs Arbeit außerordentlich. Das habe sie mehrfach gesagt, und "davon hat sie nichts zu widerrufen". Merkel habe "volles Vertrauen", dass Wulff auch weiterhin alle offenen Fragen beantworten werde.

Jegliche Spekulationen über einen möglichen baldigen Rücktritt hatte Wulff laut ARD-"Morgenmagazin" an seinem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub zurückgewiesen: Der Bundespräsident werde sein Amt nicht zur Verfügung stellen, berichtet ARD-Korrespondent Werner Sonne. Der Sender beruft sich auf Quellen in der Umgebung des Staatsoberhauptes. Eine offizielle Stellungnahme gibt es bisher nicht.

Doch bei allem Durchhaltewillen: Der Druck auf den Bundespräsidenten wächst mit jeder neuen Enthüllung. Mit Vera Lengsfeld hat sich nun eine namhafte CDU-Politikerin offen gegen Wulff ausgesprochen. Dieser sei "endgültig zur Witzfigur geworden", sagte sie Handelsblatt Online. Jede Stunde, die sich Wulff weiter an sein Amt klammere, schade der demokratischen Kultur.

Die frühere Bundestagsabgeordnete appellierte an SPD und Grüne, erneut den ehemaligen Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, als Kandidaten für die Nachfolge Wulffs zu benennen. "Joachim Gauck kann dem Amt seine Würde zurückgeben", sagte die CDU-Politikerin, die sich schon 2010 in der Union für Gauck eingesetzt hatte.

Attacke von FDP-Mann Kubicki

Auch aus den Reihen der FDP muss sich Wulff scharfe Vorwürfe gefallen lassen. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sagte, Wulff müsse sich die Frage stellen, ob er noch im Amt bleiben könne. "Wenn die Kraft seiner Worte keine Wirkung mehr entfaltet, kann er sein Staatsamt nicht mehr ausüben", sagte Kubicki der "Passauer Neuen Presse". Allein eine "wirklich nachvollziehbare öffentliche Erklärung" für sein Vorgehen gegenüber der Presse könne die Situation vielleicht noch bereinigen. "Herr Wulff hat nicht mehr viel Zeit für eine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen", mahnte der FDP-Mann. Dafür blieben nur noch wenige Tage.

Vorsichtiger Zuspruch kommt vom designierten FDP-Generalsekretär Patrick Döring. "Ich denke, dass man auch durch eine persönliche Erklärung deutlich machen könnte, dass das ein Fehler war, dass man emotional stark angefasst war." Er bedaure sehr, dass nun neue Vorwürfe im Raum stünden. Auf die Frage, ob Wulff noch tragbar sei, sagte Döring der "Stuttgarter Zeitung": "Der Bundespräsident ist gewählt, und er hat es in der Hand." Er sei aber zuversichtlich, dass Wulff "diese Irritationen ausräumen kann" und dies "alsbald" tun werde.

Roth sieht Merkel in der Bringschuld

Grünen-Chefin Claudia Roth sieht nicht nur Wulff, sondern auch Bundeskanzlerin Merkel in der Pflicht. Diese müsse sich rasch zu den Vorgängen um ihren Wunschkandidaten für das Präsidentenamt äußern, sagte Roth der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch.

Das Problem liege nun eher bei Merkel, die sich erklären müsse, sagte Roth laut "SZ". Schließlich habe die Kanzlerin 2010 aus der Präsidentenwahl "eine Posten- und Machtfrage gemacht, statt den Konsens zu suchen". Wolle Wulff die Affäre nur aussitzen, werde er ein "extrem schwacher Präsident". Der Bundespräsident müsse selbst wissen, ob er noch die nötige Autorität habe, um als "Konsensfigur und Wertevermittler" aufzutreten.

Der schleswig-holsteinische SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Torsten Albig, verglich Wulff mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). "Politiker des Typs Guttenberg oder Wulff streben Ämter an, um aus ihnen Nutzen zu ziehen", sagte er der "Welt".

Mehrheit laut Umfrage zufrieden mit Wulffs Arbeit

Wulff steht wegen der Finanzierung seines Wohnhauses bei Hannover durch einen umstrittenen Kredit in der Kritik. Am Montag war der Bundespräsident weiter unter Druck geraten, nachdem bekannt wurde, dass er mit einem Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann die Berichterstattung über den Kredit zu verhindern versucht hatte. Kurz vor dem umstrittenen Anruf hatte die "Bild" eine Anfrage an das Bundespräsidialamt geschickt. Den Fragebogen finden Sie hier im Wortlaut.

Das Ansehen Wulffs in der Bevölkerung hat trotz der anhaltenden Kritik an seinem Verhalten in der Kreditaffäre nicht gelitten. In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für das Magazin "Stern" äußerten sich 63 Prozent der Befragten zufrieden mit seiner Arbeit, 30 Prozent unzufrieden. Im Vergleich zu einer Umfrage Mitte Dezember blieben die Werte nahezu unverändert. Damals hatte sich 62 Prozent zufrieden und 27 Prozent unzufrieden geäußert. Forsa erhob die Daten allerdings vor Bekanntwerden der Interventionen des Präsidenten beim Axel Springer Verlag. Daher sind die Zahlen nur bedingt aussagekräftig.

jok/heb/dapd/AFP/dpa
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