Steinmeier als Bundespräsident? Er will es (vielleicht)

Folgt Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident auf Joachim Gauck? Der Außenminister schließt das nicht aus. Für Angela Merkel wäre er wohl ein unbequemes Staatsoberhaupt.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Die Frage ist Frank-Walter Steinmeier schon oft gestellt worden. Ob es ihn nicht reize, das höchste Amt im Staate anzustreben? "Ich habe noch nicht einmal darüber nachgedacht", so lautete seine Antwort einst.

Seitdem Bundespräsident Joachim Gauck jedoch seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit bekannt gegeben hat, wird der Name des Außenministers immer häufiger genannt. Steinmeier ist nun gezwungen, über die Frage ernsthaft nachzudenken. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat ihn gerade zum geeigneten Kandidaten seiner Partei erklärt. Über den Vorstoß des Vizekanzlers sollen beide - dem Vernehmen nach - zuvor gesprochen haben.

Aber was will Steinmeier wirklich? In dieser Woche trat er vor 400 jungen Menschen im Auswärtigen Amt auf, es ging um das Thema Europa. Am Ende stellte ihm eine Schülerin der Deutschen Schule in Athen die Frage, ob er demnächst womöglich als Bundespräsident nach Griechenland käme. Der Saal lachte laut auf, Steinmeier sagte etwas gequält: "Irgendeinen Bundespräsidenten werden Sie begrüßen können."

Die Antwort lässt alles offen. Steinmeier hätte auch sagen können: "Ich habe nicht vor, für dieses Amt zu kandidieren." Dann wäre sein Name raus, endgültig. Er hätte aber auch Gabriel düpiert. So aber bleibt er im Spiel.

Ist dies mehr als das Kokettieren mit einer Möglichkeit, dem politischen Werdegang noch eine andere Wendung zu geben? Steinmeier kann schließlich nicht sicher sein, dass die Große Koalition im Herbst 2017 fortgesetzt wird und er Außenminister bleibt - was ihm wohl am liebsten wäre, wie zu hören ist. Noch am Wochenende sagte er, er werde sich "mit allen Kräften" auf die Krisen und Konflikte dieser Welt und den deutschen Beitrag zu ihrer Lösung konzentrieren - "das ist das, was mich beschäftigt, anderes nicht."

Geeignet für das Amt

Dass Steinmeier die Rolle eines Bundespräsidenten ausfüllen könnte, steht nicht nur bei den meisten Parteifreunden außer Frage. Der SPD-Mann hat auch (heimliche) Anhänger in der Union, bei Grünen, FDP und in der Linkspartei. In Umfragen führt er seit Monaten die Liste der populärsten Politiker an, fast drei Viertel der Bundesbürger sind mit seiner Arbeit als Außenminister zufrieden. Eine gute Grundlage für das höchste Amt.

Der 60-Jährige könnte der ideale Kandidat in politisch zunehmend härteren Zeiten sein: Er kennt die Finessen der Politik, als Mann des Apparats wie auch aus Zeiten der Opposition. Seine Kandidatur wäre, da der Rechtspopulismus in Deutschland an Boden gewinnt, ein Zeichen: Steinmeier ist ein überzeugter Europäer, der zugleich um die Bedeutung der engen, nicht immer einfachen Zusammenarbeit mit den USA weiß, aber auch für den Ausgleich mit Russland wirbt, trotz aller Schwierigkeiten und des Krieges in Syrien und der Ostukraine.

Steinmeier bringt zudem eine Qualität mit, die wichtig ist in einem Amt, das den höchsten Repräsentanten zu allen Schichten der Bevölkerung führt - er mag Menschen, er kann mit Menschen.

Foto: DER SPIEGEL

Doch Steinmeiers Eignung ist nicht alles. Bei einer möglichen Entscheidung für das kräftezehrende Amt dürfte auch das Private eine Rolle spielen. Steinmeiers Frau hat ein Wort mitzureden. Von ihr heißt es, sie habe ihn einst gebeten, nicht noch einmal als Kanzlerkandidat anzutreten. Ob sie ihr Plazet bei einer Kandidatur für das höchste Amt im Staat geben würde? Mancher Genosse glaubt fest daran, andere in der SPD-Führung hegen gehörige Zweifel.

Die eigentliche Frage aber richtet sich an Angela Merkels und letztlich auch an Steinmeiers Selbstverständnis: Kann die Kanzlerin einen Kandidaten wie Steinmeier ins Bellevue wählen lassen, der als Außenminister stets auf die Eigenständigkeit seines Ressorts pocht und achtet? Am Montag erklärte Merkel im CDU-Bundesvorstand lediglich, Mitte November werde sie einen mit den Parteichefs von CSU und SPD abgestimmten Vorschlag unterbreiten. Namen nannte sie nicht, so Teilnehmer.

Ein politischer Präsident

Steinmeier ist ein selbstbewusster Politiker, einer, der etwas bewegen will. Als Bundespräsident wäre er deshalb womöglich politischer als seine Vorgänger im Schloss Bellevue. Allein Repräsentationsaufgaben zu übernehmen, das wäre ihm zu wenig. Er könnte die Freiheit, die das Amt reizvoll macht, auf seine Art nutzen. Als Mahner, als kritischer Stichwortgeber könnte er mit der Zeit die Rolle eines "repräsentativen Nebenkanzlers" annehmen.

So sehr Steinmeier die Kanzlerin schätzt, ihre Neigung, die Dinge oft in der Schwebe zu halten, teilt er nicht. Als er noch SPD-Fraktionschef war, nannte er Merkels Politik sogar "mutlos". Dass Steinmeier ein bequemer Präsident wäre, darauf könnte sich Merkel also nicht verlassen.

Damit Steinmeier am 12. Februar 2017 in der Bundesversammlung wirklich als Kandidat steht, müsste die Kanzlerin sich ohnehin erst einmal grundsätzlich neu positionieren. Im April hatte der SPIEGEL von einem vertraulichen Telefonat berichtet, in dem sie Sigmar Gabriel erklärt haben soll, sie könne in ihrer Partei keinen SPD-Kandidaten durchsetzen. Von dieser Haltung müsste sie abrücken und die Union für Steinmeier gewinnen. Das ist eher unwahrscheinlich, vor allem die CSU mauert.

Es wäre aber die Voraussetzung: Ohne ausreichende Mehrheit in der Bundesversammlung wäre Steinmeier wohl nicht bereit, sich dem Risiko auszusetzen, am Ende einer mehr als 20-jährigen Karriere in der Politik als tragischer Held zu enden.


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Mitarbeit: Florian Gathmann
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