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Joachim Gauck: Bürgerrechtler für Bellevue

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Bundespräsidenten-Kür Oppositionskandidat Gauck spaltet Schwarz-Gelb

Im Regierungslager wächst der Unmut über die Nominierung Wulffs für die Wahl zum Bundespräsidenten. Zahlreiche FDP-Politiker sympathisieren inzwischen offen mit Joachim Gauck. "Es gibt keinen Freibrief für einen Kandidaten", droht ein sächsischer Liberaler im SPIEGEL.

Joachim Gauck

Hamburg - Im Lager der Regierungsparteien von Union und FDP wächst die Unterstützung für den rot-grünen Präsidentschaftskandidaten . Die ehemalige FDP-Präsidentschaftskandidatin Hildegard Hamm-Brücher sagte dem SPIEGEL: "Ich bin sehr enttäuscht, dass man nicht versucht hat, in dieser schwierigen innenpolitischen Situation einen gemeinsamen Kandidaten aller Parteien zu finden. Herr Gauck ist eine hervorragende Idee. Er ist politisch im Pulverdampf erprobt, kommt aber nicht aus der Parteikiste."

Auch der langjährige brandenburgische CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm äußerte im SPIEGEL seine Sympathie für Gauck. "Ich frage mich, warum es nicht möglich war, sich im bürgerlichen Lager mit der SPD auf Gauck zu einigen", sagte Schönbohm, der als Mitglied der Bundesversammlung an der Wahl des Präsidenten am 30. Juni teilnimmt.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zeigte ebenfalls Sympathien für Gauck: "Joachim Gauck ist ein seriöser und intelligenter Mann mit großen Verdiensten. Und in einer Demokratie ist es gut, wenn die Opposition eine Alternative aufbietet, auch wenn sie keine Mehrheit hat", sagte er "Bild am Sonntag". Mappus ist allerdings überzeugt, dass Gauck bei der Wahl am 30. Juni keine Chance haben wird.

"Mit Wulff, von der Leyen, Lammert und Schäuble standen von Anfang an nur CDU-Parteisoldaten zur Auswahl", kritisierte Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth im SPIEGEL die Kandidatenkür. "Die Parteiführung muss deutlich machen, welche strategischen Vorteile die Kür Wulffs für uns bringt." Sein Landesverband habe noch nicht entschieden, ob er Wulff oder den Gegenkandidaten Joachim Gauck unterstütze. In Sachsen sieht man es ähnlich.

"Es gibt keinen Freibrief"

"Es gibt von uns keinen Freibrief für einen Kandidaten", sagte auch der sächsische FDP-Parteichef Holger Zastrow dem SPIEGEL. Zwar seien beide vorstellbar, doch spreche Gauck die ostdeutsche Seele besonders an. Der Kandidat der Opposition sei "sehr respektabel" und "eine Identifikationsfigur für die Wende in Ostdeutschland".

Ähnlich wie Zastrow ließ auch der Fraktionschef der FDP im Landtag von Sachsen-Anhalt, Veit Wolpert, Distanz gegenüber dem Kandidaten der Bundesregierung, Christian Wulff, erkennen. "Wir werden in der Fraktion darüber zu sprechen haben, ob wir trotz Bedenken mit Herrn Wulff leben können", sagte Wolpert. Er sprach von einer massiven Verärgerung darüber, dass die Länder von FDP-Parteichef Guido Westerwelle nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden.

Auch in Bayern gibt es Ärger. "Die FDP hätte als eigenständige Partei sichtbar werden müssen, trotz aller Hektik und des unerwarteten Rücktritts", so die FDP-Landesgeneralsekretärin Miriam Gruß im SPIEGEL. "Es darf sich nicht der Eindruck festsetzen, dass die FDP zuerst Koalitionspartner und dann erst die liberale Partei ist."

Gute Beziehungen

Joachim Gauck

Der frühere FDP-Chef Wolfgang Gerhardt sagte der "Welt am Sonntag", er habe höchsten Respekt vor der Kandidatur von , der gemeinsam von SPD und Grünen nominiert worden war. "Ich kenne und schätze seine Überzeugungen, und er leistet damit seinen Beitrag zu einer echten Wahl in der Bundesversammlung."

Der "Bild"-Zeitung sagte Joachim Gauck, er hätte sich auch von Union und FDP als Kandidat nominieren lassen. "Ich hätte mich gefreut und hätte Ja gesagt." Wahlkampf wolle er aber nicht machen, so Gauck in den ARD-"Tagesthemen". "Ich werde der sein, der ich bin." Er pflege seit Jahren gute Beziehungen über Parteigrenzen hinweg. 1999 wollte die CSU bereits Gauck als Gegenkandidaten zu SPD-Kandidat Johannes Rau aufstellen - damals sei eine mögliche Kandidatur aber nicht über das Stadium von "Vorüberlegungen" hinausgekommen.

Er signalisierte auch grundsätzliche Bereitschaft, sich im Vorfeld der Wahl am 30. Juni mit der Linkspartei im Bundestag zu treffen - trotz aller Unterschiede im politischen Denken. "Wenn ich höflich eingeladen werde, werde ich höflich hingehen und danach Ausschau halten, ob es bei denen Unterstützer der politischen Aufklärung gibt", sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler der "Bild"-Zeitung.

Satte Mehrheit

Union und FDP werden bei der Bundespräsidentenwahl am 30. Juni eine satte Mehrheit haben.

Schwarz-Gelb stehen 644 bis 646 Sitze in der Bundesversammlung zu und damit mindestens 21 mehr, als für die Wahl des neuen Staatsoberhaupts notwendig sind. Die Linke will weder Wulff noch Gauck unterstützen und erwägt die Aufstellung eines eigenen Kandidaten.

Bis zum 18. Juni sollen nun die Landtage ihre Wahlleute bestimmen. Die Bundesversammlung setzt sich aus allen 622 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen Vertretern der Länder zusammen. Die Verteilung der Sitze auf die Länder richtet sich nach der Bevölkerungszahl. Nordrhein-Westfalen stellt mit 133 die meisten Wahlleute, Bremen mit fünf die wenigsten.

jdl/dpa
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