Bundespräsidenten-Suche Angela Merkel hat jetzt ein Steinmeier-Problem

Außenminister Steinmeier, Kanzlerin Merkel
Foto: Michael Kappeler/ picture alliance / dpaDie gute Nachricht: Am 12. Februar wird die Republik ein neues Staatsoberhaupt haben. Weil der höchst respektierte Joachim Gauck, 76, eine zweite Amtszeit ausgeschlagen hat, muss die Bundesversammlung in einem guten Vierteljahr einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin ins Amt wählen. Und das wird ihr gelingen, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher immer gelungen ist.
Die schlechte Nachricht: Auch knapp fünf Monate, nachdem Gauck seinen Verzicht Anfang Juni öffentlich machte, ist man bei der Nachfolgesuche kaum weitergekommen. Und das wird vor allem für eine Person zunehmend zu einem Problem: Kanzlerin Angela Merkel. Als Regierungschefin hat sie die Sache zu regeln.
Die CDU-Vorsitzende weiß sogar schon länger, dass Gauck nicht weitermachen wird - geholfen hat ihr auch dieser Vorsprung nichts. Die Staatsoberhauptsuche dreht sich offenbar auf der Stelle: Ein Konsenskandidat im Stile von Gauck, wie ihn sich Merkel wünscht, ist bisher nicht zu finden. Die SPD wäre für ein überparteiliches Angebot zu haben, selbst in der Opposition gibt es dafür große Sympathien.
Aber Merkel kassiert nur Absagen: Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, ließ sie nach SPIEGEL-Informationen abblitzen, auch Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle will nicht. Inzwischen ist die Kanzlerin offenbar bereit, aus Mangel an geeigneten Kandidaten von ihrem ursprünglichen Plan abzurücken: Sie zieht in Betracht, einen eigenen Unions-Bewerber ins Rennen zu schicken. Das hat sie Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel vor zwei Wochen vorgeschlagen.
Doch nun dreht Gabriel den Spieß um: "Alle Parteien suchen nach einem geeigneten Bewerber, der unser Land repräsentieren kann, aber auch die Herausforderungen unserer Zeit kennt und Antworten darauf hat", sagte Gabriel der "Bild"-Zeitung . "Die SPD hat bereits einen Kandidaten, auf den all das zutrifft: Frank-Walter Steinmeier." Auch andere führende Sozialdemokraten sprachen sich am Wochenende für Steinmeier als Gauck-Nachfolger aus.
Der Außenminister ist laut Umfragen der beliebteste Politiker der Republik, er genießt auch außerhalb seiner Partei großen Respekt. Steinmeier wäre ein Bundespräsident wie aus dem Bilderbuch. Aber er ist eben ein Mann der SPD. Das ist das Problem: CDU und CSU stellen die meisten Wahlleute in der Bundesversammlung - warum sollten die für einen Sozialdemokraten stimmen?
Doch der SPD-Chef hat nun beschlossen, dass ihm das egal ist. Vielmehr: Es ist eben Merkels Problem. Gabriel sagt: "Weder aus der Union noch aus einer anderen Partei gibt es bisher einen Vorschlag, der an Steinmeier heranreicht." Er macht Steinmeier zu einer Art Benchmark für die Gauck-Nachfolge. Und fügt treuherzig hinzu: "Die SPD bleibt weiter offen und kompromissbereit, falls sich ein mindestens gleich guter Bewerber finden sollte, der dem Amt gewachsen ist." Aber: "Parteipolitische Deals werden wir nicht mitmachen."
Mit anderen Worten: Wenn Merkel niemand überzeugenderes als Steinmeier findet, muss er es schlicht werden. Damit setzt Gabriel sie enorm unter Druck.

In der Union träumen manche ja immer noch von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der es sicher mit Steinmeier aufnehmen könnte. Allerdings ist der CDU-Politiker 14 Jahre älter als der 60-jährige Sozialdemokrat - und damit nur wenig jünger als Amtsinhaber Gauck, der vor allem aus Altersgründen ausscheidet. Dann ist da Bundestagspräsident Norbert Lammert, der gerade mit Blick auf seinen 68. Geburtstag im November den Verzicht auf eine weitere Kandidatur für das Parlament angekündigt hat. Zuletzt wurde auch die frühere CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, Petra Roth, als mögliche Bewerberin für Bellevue gehandelt - aber auch Roth ist schon 72.
Andere mögliche Kandidaten wie Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier als schwarz-grüne Option scheinen inzwischen genauso vom Tisch wie Bewerber, die in einem dritten Wahlgang für Rot-Rot-Grün antreten würden. Keine der Parteien will am 12. Februar offenbar Signale setzen, die als Koalitionsvorentscheidung für die Bundestagswahl im Herbst 2017 verstanden werden könnten.
Also wird es am Ende wirklich Steinmeier? Das dürfte auch davon abhängen, welche Brücken die SPD der Kanzlerin noch zu bauen bereit ist: So wäre es sicherlich hilfreich, wenn sich nicht nur Sozialdemokraten für den Außenminister aussprechen würden, sondern beispielsweise auch kirchliche Kreise oder die Wirtschaft, in denen Steinmeier jeweils großen Rückhalt genießt. Genauso hilfreich wäre der Verzicht auf jedes voreilige sozialdemokratische Triumphgeheul. Und selbst dann bliebe es für Merkel immer noch eine große Herausforderung, ihre Leute von der Wahl Steinmeiers zu überzeugen.
Der Außenminister und sein Umfeld übrigens schweigen zu der Causa Bellevue. Und wenn Steinmeier direkt auf die Debatte angesprochen wird, wie am Abend im ARD-"Bericht aus Berlin", verweist er auf seine Aufgaben als Deutschlands oberster Diplomat und sagt: "Das beschäftigt mich nicht." Seriöserweise macht man das so.
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