Bundespräsidentenwahl Linke liebäugeln mit Nazijägerin Klarsfeld als Kandidatin

Es wäre eine symbolische Kandidatur: Die Nazijägerin Beate Klarsfeld könnte auf Vorschlag der Linken gegen Joachim Gauck als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten antreten. Die Personalie ist noch nicht entschieden. Doch hinter den Kulissen werden mit ihr Gespräche geführt.

Berlin - Es gibt ein verwackeltes, unscharfes Bild, das in die Annalen der Republik eingegangen ist. Eine junge Frau, damals 29 Jahre alt, ohrfeigt Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem CDU-Parteitag in West-Berlin. Die Frau wurde auf einen Schlag berühmt: Beate Klarsfeld. Mit ihrer Ohrfeige am 7. November 1968 wollte sie auf die NS-Vergangenheit Kiesingers hinweisen, der einst Mitglied der NSDAP gewesen war.

Zuletzt war es um Klarsfeld, die 1939 in Berlin geboren wurde, ein wenig still geworden. Nun könnte die resolute Frau als Kandidatin gegen Joachim Gauck ins Rennen geschickt werden. Klarsfeld, die in Paris und Berlin lebt, ist bei der Linkspartei im Gespräch. Deren Chefin Gesine Lötzsch hat nach Informationen von SPIEGEL ONLINE bereits mit der 73-Jährigen telefoniert. Und Klarsfeld hat ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, am 18. März in der Bundesversammlung anzutreten, heißt es in der Partei.

Lötzsch erklärte auf Anfrage, sie führe derzeit "viele Telefonate". Einzelheiten wollte sie nicht nennen. In der Linken sei die Entscheidung über einen möglichen Kandidaten oder eine Kandidatin am 18. März "absolut offen". Eine mögliche Kandidatur des Kabarettisten Georg Schramm ist mittlerweile ausgeschlossen - am Mittwoch sagte er ab.

Über einen möglichen Gegenkandidaten zu Gauck will die Linke am Donnerstag entscheiden. Dann kommen hierzu Parteivorstand, Fraktionsvorstand und Vertreter der Landesverbände im Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale in Berlin, zusammen. Klarsfeld dürfte gute Chancen haben. Lötzsch betonte, dass sich ihre Partei mit Klarsfeld "eng verbunden" fühle. In der Vergangenheit habe es bereits mehrere Veranstaltungen der Linken mit Klarsfeld gegeben. Die Partei habe auch das Bundesverdienstkreuz für die Nazi-Jägerin beantragt.

Das Bundespräsidialamt hatte zuletzt eine entsprechende Ehrung Klarsfelds verhindert. Nicht zum ersten Mal. Seit Jahren landet Klarsfeld aus der Vorschlagsliste, seit Jahren wird sie abgelehnt. Darüber hatte sich Linken-Chefin Lötzsch in ihrer Rede auf dem Landesparteitag der Brandenburger Linken am vergangenen Sonntag empört. Dies spreche "Bände über die Zustände in unserem Land". In ihrer Rede hatte Lötzsch auch diesen Satz gesagt: "Wenn ich mir eine Bundespräsidentin wünschen dürfte, dann wäre es eine Frau wie Beate Klarsfeld."

Für Klarsfeld bleibt bis heute das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ein Dreh- und Angelpunkt ihrer Tätigkeit. Ihr Mann Serge Klarsfeld, ein Franzose, hatte die deutsche Besatzung in Frankreich überlebt, sein Vater war im Versteck entdeckt und von den Deutschen in Auschwitz umgebracht worden. In den letzten Jahrzehnten hatte sich das Ehepaar Klarsfeld das Aufspüren untergetauchter Nazi-Täter zur Hauptaufgabe gemacht. Klarsfeld ist es unter anderem zu verdanken, dass etwa dem brutalen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, in Frankreich der Prozess gemacht werden konnte.

Gaucks Team schält sich heraus

Sollte Klarsfeld in der Bundesversammlung antreten, wird sie sich wie Gauck den Fraktionen im Bundestag vorstellen und für sich werben. Doch auch sie weiß: Ihre Kandidatur wäre nur symbolischer Art. Denn CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne hatten sich am Sonntag auf den einstigen DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck geeinigt. Wegen ihrer kämpferischen Haltung in der Vergangenheit dürfte aber Klarsfeld auch einzelne Stimmen aus den Fraktionen und möglichweise auch von Wahlfrauen- und männern der anderen Parteien bekommen. Vor allem in den Reihen der Grünen gibt es auf dem linken Flügel Kritiker Gaucks, die ihn für zu konservativ halten.

Unterdessen schälen sich erste Konturen eines Teams heraus, das Gauck bei seiner Wahl ins Schloss Bellevue folgen könnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird David Gill neuer Staatssekretär im Bundespräsidialamt. Der heutige Jurist war in der Schlussphase der DDR Koordinator des Berliner Komitees für die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes, er ist heute stellvertretender Bevollmächtigter des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland. Beide kennen sich gut. Zahlreiche Personalien werden derzeit diskutiert. Bereits ausgeschlossen wird, dass der frühere, langjährige Sprecher der Stasi-Unterlagen-Behörde, Johann Legner, neuer Pressesprecher im Bundespräsidialamt wird.

Wie auch immer die Personalien ausfallen - sollte Gauck am 18. März Bundespräsident sein, könnte er am Ende Beate Klarsfeld sogar Gerechtigkeit widerfahren lassen - und dafür sorgen, dass sie das Bundesverdienstkreuz erhält. Frankreich hat es bereits vorgemacht. Am 9. November vergangenen Jahres, dem Tag der sogenannten Reichskristallnacht von 1938, zeichnete Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Deutsche aus. Und ernannte sie zum Kommandeur des Nationalen Verdienstordens.

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