
GroKo-Klausur in Meseberg: Klassenausflug ins Zauberschloss
Kabinettsklausur in Meseberg Rotwein bis morgens um vier
Früher war nicht alles besser. Jedenfalls, so erinnern sich Meseberg-Veteranen aus dem Kabinett, wenn es um die Koalitionsklausur in dem Schloss am Huwenowsee geht. So soll es in der Vergangenheit durchaus mal dienstältere Minister gegeben haben, die glaubten, sie müssten ihre Seniorität während des zweitägigen Treffens unter Beweis stellen, indem sie die Neuen spüren ließen: Hinten anstellen!
Diesmal soll es anders gewesen sein. Diesmal habe eine wirklich angenehme Atmosphäre geherrscht, wird im Teilnehmerkreis beteuert. Auch wenn es keinen Schnaps gab, wie zum Start der letzten Großen Koalition bei der Klausur im Januar 2014. Bei der Abschlusspressekonferenz antwortete damals der neue SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel auf die Frage nach dem Geist von Meseberg, dieser sei ihm nicht untergekommen - aber Himbeergeist habe man getrunken.
"Ich kann nur von später Stunde und Rotwein berichten", sagt Angela Merkel zum Abschluss dieser Meseberg-Klausur, damals und heute Kanzlerin der Koalition von CDU, CSU und SPD. "Über Himbeergeist hab' ich mich nicht informiert. Aber der Geist war insgesamt gut. Sehr kooperativ."
Erst kurz vor vier am Morgen sollen die letzten Kabinettsmitglieder ins Bett gegangen sein, auch Merkel saß lange noch mit dabei, ist zu hören. Am längsten hielten offenbar die Jüngeren durch, Gesundheitsminister Jens Spahn und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU, auf sozialdemokratischer Seite waren Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey bis zum Schluss dabei.
"Teambuilding gelungen - der Rest kommt jetzt"
Vier Tische hatte es beim Abendessen im Schloss am Rande der Schorfheide gegeben, an jedem von ihnen saßen CDU-Chefin Merkel und ihr neuer Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz für ein Weilchen. Serviert wurden unter anderem Zander und Roastbeef. "Teambuilding gelungen - der Rest kommt jetzt", sagt SPD-Mann Scholz beim gemeinsamen Auftritt mit Merkel am Mittwoch.
Ob das so einfach ist? Klar, dass man sich ein bisschen nähergekommen ist im Schloss, dürfte der Zusammenarbeit förderlich sein. Vielleicht hilft es auch, manche öffentliche Profilierung des einen oder anderen Kabinettsmitglieds künftig gelassener hinzunehmen, weil man die Person besser kennengelernt hat.
Dauerhafte Harmonie allerdings muss daraus noch lange nicht erwachsen. Und das ist ja auch gar nicht unbedingt erwünscht, weil sich alle drei Koalitionspartner jenseits der Regierungsarbeit mit Ecken und Kanten zeigen wollen. Nur darf es eben nicht so weit gehen, dass die GroKo als zerstrittener Haufen daherkommt. Zur Erinnerung: Sie ist nicht mal einen Monat im Amt.

GroKo-Klausur in Meseberg: Klassenausflug ins Zauberschloss
Überraschenderweise wirkt ausgerechnet die SPD, wo der Wunsch nach Erkennbarkeit besonders groß ist, wie der Ruhepol der Koalition. Während CDU-Gesundheitsminister Spahn eine fachfremde Debatte nach der anderen anzettelte und Innenminister Seehofer sich umgehend wieder mit der eigenen Kanzlerin anlegte, hielten sich die SPD-Kollegen bislang auffällig zurück. Einzig Fraktionschefin Andrea Nahles, die bald auch Parteivorsitzende werden will, schickte zuletzt eine öffentliche Mahnung Richtung Union und forderte eine Art Machtwort von Merkel. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel assistierte am Mittwochmorgen im SPIEGEL-ONLINE-Interview.
Natürlich hat die Kanzlerin in Meseberg kein Machtwort gesprochen. Merkel ist keine Basta-Kanzlerin - was aber nicht heißt, dass sie nicht mindestens so genervt vom Wirbel aus ihren Reihen ist wie die SPD. Aber ihre Autorität in der Union ist durch die geplatzte Jamaika-Sondierung und den mühsamen Gang in die GroKo angekratzt.
Eine kleine Ermahnung kommt Merkel zum Abschluss der Klausur aber doch über die Lippen. Sie erinnert an die Aufgaben der Regierung - und der einzelnen Minister. Es sei in den vergangenen zwei Tagen deutlich geworden, dass die Regierung sehr viel Arbeit vor sich habe, sagt die Kanzlerin. "Da bleibt nicht viel Zeit für anderes. Jeder hat so sein Päckchen zu tragen."
Video: "Bei den großen Fragen - keine Einigung, kein Plan"
Was sie meint, ist: nicht viel Zeit für persönliche Profilierung. Aber einer wie Spahn hat sich offenbar vorgenommen, auch als Gesundheitsminister zu anderen Themen Stellung zu nehmen - und zwar gerne provokant. Schließlich hat er noch etwas vor für die Nach-Merkel-Zeit.
Und Seehofer hat zwar mit seinem Superinnenministerium ein gigantisches Ressort zu führen, aber gleichzeitig will die CSU bei der Landtagswahl in Bayern im Herbst ihre absolute Mehrheit verteidigen. Da sieht sich der Parteichef zwangsläufig in der Pflicht.
"D er Wille zur Einigung ist da"
Bei ihrem Vizekanzler muss Merkel wohl am wenigsten Querschüsse fürchten. Der bisherige Hamburger Bürgermeister macht mindestens so nüchtern und pragmatisch Politik wie sie. Aber auf Dauer wird auch Scholz nicht garantieren können, dass die Zurückhaltung für die SPD-Seite des Kabinetts stilprägend sein wird. Zumal das ein großer Teil der Partei gar nicht will.
Aus Merkels Sicht sind die Zeiten vor allem: ernst. Während in Meseberg die Minister wieder in ihre Limousinen steigen, um ins knapp eine Stunde entfernte Berlin zurückzufahren, macht die Nachricht von der drohenden Eskalation zwischen Washington und Moskau die Runde: US-Präsident Donald Trump hat per Twitter einen baldigen Militärschlag in Syrien angekündigt und eine Warnung an Russland ausgesprochen. Dazu kommt die anhaltende Krise der Europäischen Union, die durch den Wahltriumph des EU-Kritikers Viktor Orbán in Ungarn noch befeuert wird. Und einen überzeugenden Umgang mit der rechtspopulistischen AfD hat auch noch niemand gefunden.
Da dürfte die Aufstellung des Haushalts, den Finanzminister Scholz demnächst angehen muss, angesichts des Rekordüberschusses noch das kleinste Problem darstellen. Lösbar erscheinen auch andere Aufgaben: beispielsweise eine überzeugende Antwort auf die Dieselkrise, die man in Meseberg noch nicht gefunden hat.
Man muss es halt nur wollen. Und da scheint wenigstens Merkel guter Dinge zu sein. "Der Wille zur Einigung ist da", sagt sie. Olaf Scholz steht daneben und grinst.