Anfragen im Bundestag Was AfD-Abgeordnete schon immer wissen wollten

Flüchtlinge, Flüchtlinge und: Flüchtlinge. Die AfD-Fraktion stellt viele Kleine Anfragen im Bundestag. Und egal zu welchem Anlass - am Ende geht es oft nur um das eine Thema. Eine Bestandsaufnahme.
Alice Weidel und Alexander Gauland

Alice Weidel und Alexander Gauland

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

"Wir werden sie jagen" - mit dieser Drohung ist die AfD im vergangenen Herbst in den Deutschen Bundestag eingezogen. Beliebt im Polit-Arsenal der Rechtspopulisten: Dumpfe Sprüche à la "Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse", Ausnutzen der Geschäftsordnung und auch: Kleine Anfragen.

Diese Kleinen Anfragen  gehören zu den wichtigsten Kontrollinstrumenten der Parlamentarier gegenüber der Bundesregierung. Schriftlich wird Auskunft verlangt, schriftlich wird geantwortet. Traditionell vor allem die Abgeordneten der Linken, aber in den letzten Monaten auch verstärkt die Vertreter der AfD machen von ihrem Fragerecht ausgiebig Gebrauch.

Welche Strategie verfolgen die Rechtspopulisten dabei? SPIEGEL ONLINE hat die Kleinen Anfragen der AfD ausgewertet. Eine erste Bilanz zu Beginn der Sommerpause:

Provokation um jeden Preis, um Aufmerksamkeit zu generieren - und am Ende geht es irgendwie um Flüchtlinge. Immer wieder zeigt sich dieses Schema bei den Anfragen von Rechtsaußen.

So wollte etwa im April die Abgeordnete Nicole Höchst von der Regierung wissen, wie sich die Zahl der Menschen mit Behinderung in Deutschland seit 2012 entwickelt habe, insbesondere "durch Heirat innerhalb der Familie", und wie viele dieser Fälle einen Migrationshintergrund hätten. "Unerträgliche Lebensfeindlichkeit" attestierten daraufhin unter anderem Sozialverbände aus ganz Deutschland der AfD.

In ihren ersten Monaten im Parlament stellte die AfD relativ wenige Anfragen, ähnlich wie die FDP. Bei den anderen Oppositionsfraktionen von Linken und Grünen sah das anders aus: Die meisten ihrer Abgeordneten saßen auch in der Wahlperiode zuvor im Bundestag - und waren mit dem Instrument der Kleinen Anfrage daher bereits vertraut. Seit Januar hat jedoch vor allem die AfD kräftig zugelegt.

Die AfD könnte die Zahl der Kleinen Anfragen in dieser Legislaturperiode auf einen Rekordwert ansteigen lassen. Wurden in den vorherigen beiden Wahlperioden noch rund 4000 Kleine Anfragen innerhalb von vier Jahren gestellt, so sind es in der aktuellen Legislaturperiode schon mehr als tausend allein in den ersten acht Monaten.

Die meisten Anfragen stellte die Linke - mit insgesamt 455. Die AfD kommt inzwischen auf 284 Anfragen und liegt damit knapp vor den Grünen mit 273. Die FDP stellte bislang lediglich 194 Kleine Anfragen. Berücksichtigt man die Größe der Fraktionen, verschiebt sich das Bild ein wenig:

Die Linkspartei liegt im Schnitt bei mehr als 50 Anfragen im Monat. Besonders in den ersten Monaten dieser Legislaturperiode übertraf ihr Engagement das der anderen Parteien deutlich - und stieg weiter auf einen Höchstwert von 78 im Mai.

Die AfD steigerte sich von vier Anfragen im November auf 59 im März. Das Themenspektrum der Rechtspopulisten scheint - auf den ersten Blick - vielfältiger als erwartet. So geht es etwa um Luftbelastung durch Stickoxide, Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland, um Kinderarmut oder Tiertransporte.

Doch die Datenanalyse zeigt auch, dass die AfD sich besonders ihrem Kernthema Migration und Flüchtlinge zuwendet oder einen Bezug dazu herstellt.

Fast ein Viertel der Anfragen sind den Sachgebieten "Zuwanderung" oder "Ausländerpolitik" zugeordnet. Es geht dabei etwa um Zurückweisungen an der deutschen Grenze, Tätigkeiten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Einreise auf dem Luftweg, Schwarzarbeit oder Vielehen.

Zudem sind viele Anfragen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Thema zu tun haben, am Ende durchaus mit Schlagworten wie "Flüchtling", "Asylbewerber", "Islamismus" oder "Illegale Einwanderung" verknüpft.

Vom Schächter bis zum Frauenhaus

So bezieht sich zum Beispiel eine Anfrage zum Schächten auf das Sachgebiet "Landwirtschaft und Ernährung", zielt aber auf Einwanderung ab. Hinter einer Frage zur Abweisung von Frauen an Frauenhäusern steht die Annahme, dass diese "sehr stark von geflüchteten Frauen angefragt" würden und andere Frauen dadurch keinen Platz bekämen.

Die meisten Anfragen der AfD kommen von Anton Friesen. Mit 50 Anfragen ist der 33-Jährige der fleißigste Fragensteller der Fraktion. Wenig überraschend dabei: Besonders häufig stellt Friesen Fragen zu Bundesmitteln, Flüchtlingen, Deutschen, Asylverfahren und Islamismus.

Doch es gibt auch Ausnahmen: So wollte Andreas Mrosek, der mit 16 Anfragen im franktionsinternen Ranking auf dem dritten Platz liegt, besonders viel über den Nord-Ostsee-Kanal, Gewässerausbau und Bauvorhaben wissen. Der Mann fragt ganz offensichtlich nicht ohne Hintergedanken: Laut Bundestag ist Mrosek Diplom-Ingenieur für Schiffsführung und arbeitete als Kanalsteurer auf dem Nord-Ostsee-Kanal.

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