Konstituierende Sitzung Das ist der neue Bundestag

Der neue Bundestag kommt erstmals zusammen, mit mehr Abgeordneten als je zuvor. Repräsentativer wird das Parlament deswegen nicht. Männer und Frauen, Junge und Alte - die Zusammensetzung im Überblick.
Plenarsaal im Bundestag

Plenarsaal im Bundestag

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Es wird eng unter der Reichstagskuppel. 709 Abgeordnete gehören dem neuen Bundestag an, der sich an diesem Dienstag konstituiert. Es ist der größte Bundestag in der Geschichte der Bundesrepublik. In der vergangenen Wahlperiode waren es noch 630 Parlamentarier, Grund für den deutlichen Zuwachs sind die vielen Überhang- und Ausgleichsmandate.

Der Anteil der Frauen sinkt im neuen Parlament deutlich, auch Ältere und vor allem Junge sind jetzt weniger vertreten. Von einer repräsentativen Volksvertretung ist Deutschland also - demografisch betrachtet - weit entfernt. Das zeigt die neue Sitzverteilung.

SPIEGEL ONLINE hat die Liste der Parlamentarier untersucht. Die Erkenntnisse:

Quelle: Bundeswahlleiter, Statistisches Bundesamt, eigene Auswertung (Altersgruppen Abgeordnete zum 31.12.2017, Bevölkerung zum 31.12.2015)

Mehr Männer

Der Bundestag wird in seiner 19. Legislaturperiode so männlich sein wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr: Der Frauenanteil im Parlament sinkt von 36,5 auf nun 30,7 Prozent. Niedriger war er zuletzt nur nach der Wahl 1994.

Grund dafür ist nicht zuletzt der Einzug der AfD in den Bundestag. Ihre Fraktion wird mit Abstand die männlichste sein. In der Sitzverteilung sind nur zehn der 92 Abgeordneten Frauen, darunter die Spitzenkandidatin Alice Weidel und die EU-Abgeordnete Beatrix von Storch.

Auch die FDP- und die Unionsfraktion ziehen den Schnitt bei den Frauen nach unten. Nach der Wahl 2013 lag zum Beispiel der Anteil der weiblichen Abgeordneten bei CDU/CSU noch bei einem Viertel, nun wird es nur noch ein Fünftel sein.

Grüne, Linke und SPD haben sich unterschiedliche Regeln gegeben, um den Anteil der Frauen zu steigern. Die Sozialdemokraten kommen jetzt auf gut 40, Grüne und Linke auf mehr als 50 Prozent weibliche Abgeordnete.

Quelle: Bundestag, Bundeswahlleiter, eigene Auswertung

Die Zeiten, in denen Frauen im deutschen Parlament ein Schattendasein fristeten und ihr Anteil über die zehn Prozent nicht hinauskam, sind vorbei. Doch noch immer hat die deutsche Politik ein Frauenproblem: Politikerinnen bemängeln etwa, dass Männerbünde sie weiter daran hinderten, als Direktkandidatinnen anzutreten oder sie auf den Wahllisten weiter hinten platzierten. Auch bei dieser Bundestagswahl zeigt sich: Nur 29 Prozent der Direktkandidaten waren Frauen.

Forderungen nach einem Paritätsgesetz, bei dem sich Männer und Frauen zumindest auf den Wahllisten abwechseln müssen, haben in den vergangenen Wochen zugenommen. Die Verfassungsrechtlerin Silke Laskowski hält ein solches Gesetz für verfassungsrechtlich geboten und bereitet eine Wahlprüfbeschwerde vor: "Es kann nicht sein, dass wir beim Frauenanteil um den gleichen Wert wie vor 20 Jahren herumkrebsen."

Parteistrukturen verhinderten oft, dass Frauen den gleichen Einfluss auf parlamentarische Entscheidungen bekämen wie Männer, so Laskowski. Im Zweifel wolle sie die Wahl vor dem Bundesverfassungsgericht anfechten.

Ein bisschen jünger

49,4 Jahre alt ist der durchschnittliche Abgeordnete zu Beginn der neuen Legislaturperiode - minimal jünger als nach der vergangenen Wahl. Der Jüngste von allen ist Roman Müller-Böhm. Der 24-Jährige zieht für die FDP ins Parlament ein, trotz nicht gerade idealem NRW-Listenplatz - das gute FDP-Ergebnis und die Ausgleichsmandate machen es möglich. Müller-Böhm studiert Jura in Bochum, setzte sich im Wahlkampf für schnelleres Internet ein und will Polizisten von Kleinaufgaben entlasten.

Roman Müller-Böhm

Roman Müller-Böhm

Foto: imago/ photothek

In den vergangenen Legislaturperioden war der Bundestag eher älter als jünger geworden. 1990 waren die Abgeordneten im Durchschnitt 48,7 Jahre alt, seit 1994 liegt das Durchschnittsalter zum Teil deutlich über 49 Jahren.

Die Grünen starteten 1983 mit einem Durchschnittsalter von nur rund 40 Jahren in den Bundestag. Mittlerweile sind sie aber auch bei einem Schnitt von 47 Jahren angelangt und stellen nun erstmals nicht mehr die jüngste Fraktion. Die FDP-Fraktion zeigt eine gegensätzliche Entwicklung: Sie hat sich seit ihrer letzten Legislaturperiode 2009 durchschnittlich um anderthalb Jahre verjüngt.

Quelle: Bundestag, Bundeswahlleiter, eigene Auswertung

Ältester Abgeordneter wird der 77-jährige AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg. Nach bisherigem Brauch wäre ihm auch das Amt des Alterspräsidenten zugekommen, der die konstituierende Sitzung eröffnen und die erste Rede halten wird. Um einen Vertreter der Rechtspopulisten in dieser Rolle zu verhindern, beschlossen die Fraktionen von Union und SPD im Juni allerdings noch rasch neue Regeln: Nicht mehr die Lebens-, sondern die Dienstjahre entscheiden nun über das Amt.

Am längsten gehört dem Bundestag der 75-jährige Wolfgang Schäuble (CDU) an - er ist seit 1972 dabei. Er hätte also das Rederecht zur Eröffnung. Da Schäuble aber nach seiner als sicher geltenden Wahl zum Bundestagspräsidenten eine Antrittsrede halten wird, überlässt er die Eröffnungsrede dem FDP-Abgeordneten Herrmann Otto Solms, 76, der die zweitmeisten Dienstjahre als Parlamentarier aufweist.

Neue Gesichter

Durch den erstmaligen Einzug der AfD kommen viele neue Abgeordnete in den Bundestag, die keine Erfahrung mitbringen. Martin Hohmann ist der einzige Abgeordnete der Rechtspopulisten, der kein Neuling ist. Er saß von 1998 bis 2005 erst für die CDU und dann als Fraktionsloser im Parlament.

Auch die FDP schickt nach ihrer Zwangspause viele neue Abgeordnete in den Bundestag. SPD, Union und Grüne setzen hingegen auf bewährte Vertreter.

Quelle: Bundestag, Bundeswahlleiter, eigene Auswertung

Wie repräsentativ ist der Bundestag also?

Sowohl das Geschlechterverhältnis als auch die Altersverteilung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten der Situation in der Bevölkerung etwas angenähert. Nachdem in den Siebzigerjahren das Mindestalter für Abgeordnete stufenweise von 25 auf 18 Jahre abgesenkt wurde, zogen allmählich die ersten jüngeren Parlamentarier ein. Spätestens seit den Achtzigerjahren spielten auch Frauen eine immer größere Rolle.

Die Zeitreihendaten zu Frauenanteil, Durchschnittsalter und Anteil neuer Abgeordneter stammen aus dem Datenhandbuch des Bundestags . Sie beziehen sich stets auf den Beginn einer Legislaturperiode. Die Werte für 2017 wurden anhand der voraussichtlichen Sitzverteilung ermittelt. Grundlage waren das vorläufige Endergebnis  sowie die Liste aller Wahlbewerber . Für die Ermittlung des Durchschnittsalters 2017 standen nur die Geburtsjahre zur Verfügung. Um den tatsächlichen Werten zum Beginn der Legislatur möglichst nah zu kommen, wurde zunächst das Durchschnittsalter zum 31.12.2017 berechnet und anschließend jeweils ein viertel Jahr abgezogen.

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