Bundestag Neue Griechen-Milliarden - Merkel verfehlt Kanzlermehrheit
Berlin - Sie war nicht unbedingt nötig - aber ein wichtiges Symbol: die Kanzlermehrheit bei der Abstimmung über das zweite Griechenland-Hilfspaket. Doch Union und FDP verfehlten bei dem Votum dieses politisch wichtige Ziel. Den Abstimmungslisten des Bundestags zufolge kamen CDU, CSU und FDP in namentlicher Abstimmung gemeinsam auf 304 Ja-Stimmen. Für die schwarz-gelbe Kanzlermehrheit, also die absolute Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag, waren mindestens 311 Ja-Stimmen aus der Koalition nötig.
Bei der Union gab es 13 Nein-Stimmen:
- Aus der CSU Paul Lehrieder, Herbert Frankenhauser, Thomas Silberhorn, Stephan Stracke, Peter Gauweiler
- Aus der CDU Carsten Linnemann, Wolfgang Bosbach, Veronika Maria Bellmann, Manfred Kolbe, Thomas Dörflinger, Christian Freiherr von Stetten, Klaus-Peter Willsch, Alexander Funk
- Bei der FDP votierten vier Abgeordnete gegen das Gesetz: Jens Ackermann, Torsten Staffeldt, Sylvia Canel, Frank Schäffler
Enthalten haben sich in der CDU zwei Abgeordnete und in der FDP einer. Insgesamt fehlten sechs Abgeordnete der Koalition bei der Abstimmung. Dank der Zustimmung von Grünen und SPD erhielt das Paket dennoch eine sehr breite Mehrheit: 496 der 591 anwesenden Abgeordneten stimmten dafür. Das zweite Griechenland-Paket sieht weitere Hilfen in Höhe von 130 Milliarden Euro vor.
Zuvor hatte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit und ihrem Kurs gelassen. Deutschland wolle den dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus ESM sogar schneller auf Touren bringen als bislang geplant, kündigte Merkel an. Die Bundesregierung ist bereit, noch in diesem Jahr elf Milliarden Euro als Bareinlage in den dauerhaften Krisenfonds ESM einzuzahlen und die zweite Hälfte des deutschen Beitrags bereits im nächsten Jahr. "Voraussetzung dafür ist, dass auch die anderen Mitgliedstaaten mitziehen."
Merkel: "Abenteuer darf ich nicht eingehen"
Merkel verwies darauf, "dass die Chancen, die in dem neuen Programm liegen, seine Risiken überwiegen". Ein Euro-Aus für Griechenland sei gefährlich. "Niemand kann abschätzen, welche Folgen eine ungeordnete Insolvenz für uns alle und auch für die Menschen in Deutschland hätte." Zugleich lehnte die Kanzlerin Forderungen der USA, mehrerer anderer Länder und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ab. Sie verlangen einen höheren Schutzwall um die Euro-Zone. "Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Debatte über eine Erhöhung der Kapazitäten von EFSF und ESM."
Als Kanzlerin müsse sie zwar zuweilen Risiken eingehen, "Abenteuer darf ich nicht eingehen, das verbietet mein Amtseid." In der Euro-Krise gebe es die schnelle Lösung "eines Befreiungs- oder Paukenschlages" nicht, sagte Merkel weiter. "Wir befinden uns inmitten eines langen und schwierigen Prozesses."
Der ehemalige Bundesfinanzminister und mögliche SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zweifelte in seiner Rede an den Erfolgsaussichten des Griechenland-Pakets. Eine Stabilisierung Griechenlands könne nur gelingen, wenn das Land ein sehr starkes Wachstum erziele. Angesichts des "Abwärtssogs" aus Arbeitslosigkeit, sinkenden Steuereinnahmen und einbrechender Konjunktur erklärte er das jedoch für unwahrscheinlich. "Der Bundestag wird sich in absehbarer Zeit mit einem dritten Griechenland-Paket befassen werden", prophezeite Steinbrück. Dennoch stimmte die SPD an diesem Montag mehrheitlich für das zweite Rettungspaket.
Auch die Grünen votierten mit Ja - trotz aller Kritik. So monierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die Bundesregierung habe sich in der europäischen Schuldenkrise zu zögerlich verhalten. Das zweite Hilfspaket für Griechenland sei "nötig und sinnvoll", komme aber "sehr, sehr spät", kritisierte sie vor der Abstimmung über das Paket. "Das Feuer der Krise ist durch Ihr Zögern und Zaudern noch richtig angefacht worden", rief sie Merkel zu.
Die Abstimmung hat Merkel nun einmal bestanden. Doch in der Koalition gibt es trotzdem wachsende Zweifel, ob die Rettung Griechenlands überhaupt gelingen kann. Selbst Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte Ende vergangener Woche ein drittes Rettungspaket nach 2014 nicht mehr ausgeschlossen - und damit das Regierungslager weiter verunsichert.