Neue Bundestagsausschüsse Die Koalition kontrolliert sich selbst
In wichtigen Gremien des Bundestags gibt es neue Gesichter, doch die Personalien zeigen: Die Große Koalition ist so mächtig, dass eine wirksame Kontrolle zweifelhaft ist. Wer macht was? Der interaktive Überblick.
Berlin - Um Norbert Röttgen war es lange Zeit ruhig geworden. Einst einer der Hoffnungsträger in seiner Partei, war er nach dem Wahldebakel der NRW-CDU vor eineinhalb Jahren als Landeschef zurückgetreten und wenig später von Kanzlerin Angela Merkel gefeuert worden. Es war eine tiefe Kränkung. Nun ist Röttgen wieder da.
Still hat er die Demütigung hingenommen, und das hat sich ausgezahlt. Röttgen wird den Auswärtigen Ausschuss leiten - einen Posten, den sein aus dem Parlament ausgeschiedener Vorgänger Ruprecht Polenz (CDU) nutzte, um sich in Debatten in der internationalen Politik einzubringen. Röttgens Position bringt also wieder Aufmerksamkeit, ist aber auch eine Herausforderung - mit Frank-Walter Steinmeier stellt die SPD einen erfahrenen Außenminister.
Wenn an diesem Mittwoch die 23 Ausschüsse des neuen Bundestags ihre Arbeit beginnen (der neue Internet-Ausschuss als 24. Kontrollgremium wird erst im Februar eingesetzt), wird es manche Auf- und Absteiger aus der Politik geben - ein Panorama von bekannten und weniger bekannten Gesichtern nimmt an der Spitze der Gremien Platz. Die Ausschüsse spielen eine wichtige Rolle: Dort wird über Gesetzesvorlagen beraten, dort werden sie gegebenenfalls geändert, dort laufen Informationen aus den Ministerien ein. Die Arbeit der Regierung soll kontrolliert werden.
Ein Problem des neuen Bundestags: Die Große Koalition ist mit ihrer 80-Prozent-Mehrheit so mächtig, dass in vielen Ausschüssen das Motto gilt: Die Koalition kontrolliert sich selbst.
SPIEGEL ONLINE zeigt einige der wichtigsten Protagonisten und im Bundestagsradar eine Gesamtübersicht der Ausschüsse.
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Wichtig ist traditionell die Rolle der Vorsitzenden - wie unabhängig werden sie sich gegenüber ihren Ministern verhalten? Da ist zum Beispiel Dagmar Wöhrl. Sie wollte Vorsitzende des Entwicklungshilfe-Ausschusses bleiben - und bleibt es auch. Die Christsoziale wird nun ein Auge auf einen CSU-Parteifreund zu werfen haben, den neuen Entwicklungsminister Gerd Müller.
Ähnlich wie die CSU geht die SPD im Ausschuss für Arbeit vor. Dort übernimmt Kerstin Griese den Vorsitz, sehr zum Ärger der Linkspartei, die den Posten gerne auch zu Profilierungszwecken übernommen hätte. Griese wird die Arbeit von Ministerin Andrea Nahles, Ex-SPD-Generalsekretärin, als Ausschussvorsitzende begleiten. Für Griese zweifellos ein Aufstieg - sie gehörte bislang nicht zu den bekannteren SPD-Abgeordneten.
Grüne Ex-Ministerinnen auf Vorsitzplätzen
Wolfgang Bosbach war bei seinem Lieblingsthema, der inneren Sicherheit, stets präsent. Eigentlich hatte der Rheinländer einen Traum: Bundesminister zu werden. Doch der CDU-Politiker wurde schon 2009 von Merkel nicht berücksichtigt, stattdessen musste er sich damals mit dem Vorsitz des Innenausschusses begnügen. Trotz einer schweren Krebserkrankung kandidierte er erneut für den Bundestag - und wird wieder Vorsitzender des Innenausschusses.
Während Bosbach es mit einem Parteikollegen, CDU-Innenminister Thomas de Maizière zu tun hat, wird der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein SPD-Politiker im Verteidigungsausschuss gegenübergestellt: Hans-Peter Bartels. Er kennt sich in der Bundeswehr gut aus und hat in der Vergangenheit mitunter das scharfe Wort gepflegt.
Einer, der bei der Zusammensetzung des schwarz-roten Kabinetts tief fiel, war Peter Ramsauer. Der Christsoziale wurde nicht mehr als Verkehrsminister berücksichtigt, nun darf er den Ausschuss für Wirtschaft und Energie leiten und damit SPD-Minister Sigmar Gabriel kontrollieren. Dafür wird mit Martin Burkert ein Sozialdemokrat den Verkehrsausschuss übernehmen und die Arbeit von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt beobachten. Als bisheriger Bahnexperte war er Fachkreisen bekannt, künftig dürfte er häufiger in den Medien auftauchen, etwa beim Thema Pkw-Maut.
Bei den Grünen werden zwei Frauen, die schon einmal Ministerinnen auf Landes- beziehungsweise Bundesebene waren, Ausschüsse übernehmen: Bärbel Höhn für den Bereich Umwelt und Bau, Renate Künast für Recht und Verbraucherschutz. Damit kontrolliert die Juristin Künast künftig SPD-Minister Heiko Maas und mit Verbraucherschutz ein Thema, das sie einst als Agrarministerin kräftig gepusht hatte. Beide Grünen-Frauen dürften ihre Oppositionsrolle nutzen.
Der jüngste Ausschussvorsitzende ist der 40-jährige Michael Brand, einst Fraktions- und Parteisprecher der Hessen-CDU unter Roland Koch. Als Bundestagsabgeordneter eher einer der stilleren Vertreter, rückt er nun an die Spitze des Menschenrechtsausschusses.
Zweifellos eine wichtige Rolle sicherte sich die Linke mit dem Vorsitz im einflussreichen Haushaltsausschuss durch Gesine Lötzsch. Zunächst wegen eines Kommunismus-Zitats bei einigen Unionsabgeordneten umstritten, hat sich die Aufregung um ihre Person längst gelegt. Lötzsch wird künftig das Zahlenwerk von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit zu durchleuchten haben - eine interessante Konstellation.