Bundestag streitet nach Selenskyj-Rede »Haben Sie jetzt genug geschrien da hinten?«

Krieg in Europa, der ukrainische Präsident spricht per Videoschalte zum Bundestag. Danach entbrennt im Plenum eine peinliche Debatte – über die Tagesordnung. Abgeordnete überziehen einander mit Vorwürfen.
Der Bundestag während der Selenskyj-Rede

Der Bundestag während der Selenskyj-Rede

Foto: IMAGO/Thomas Trutschel/photothek.de / IMAGO/photothek

In einer emotionalen Rede hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an den deutschen Bundestag gewandt – und den Abgeordneten Zögerlichkeit in der Unterstützung seines Landes vorgeworfen. Die Diskussion im Anschluss an die Videobotschaft Selenskyjs geriet jedoch völlig außer Kontrolle: Mitglieder der Ampelparteien und der Opposition warfen sich gegenseitig eine Instrumentalisierung der Sache vor.

Im Anschluss an die Rede war eine Debatte über die Impfpflicht geplant. CDU/CSU wollten jedoch kurzfristig die Tagesordnung ändern und eine Debatte über die Lage in der Ukraine einschieben. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) hatte bereits vor einigen Tagen kritisiert, dass es keinen Ukraine-Schwerpunkt gibt. Erst am Mittwoch hatte der Bundestag in einer Aktuellen Stunde über den Ukrainekrieg gesprochen. Aus der CDU/CSU-Fraktion gab es Buhrufe, als Parlamentsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nach Selenskyjs Rede zum nächsten Punkt überging.

»Wann denn, wenn nicht jetzt?«, fragte Merz im Anschluss an die Rede. Die Bundesrepublik habe einen »Anspruch« darauf, zu erfahren, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Rede Selenskyjs reagiere, sagte Merz. »Wir sind damit nicht einverstanden«, sagte er über die Tagesordnung.

»Da bricht Ihnen doch kein Zacken aus der Krone«

Auch der Linkenabgeordnete Jan Korte gab der Union recht – »so leid es mir tut«. Die Ampel agiere »absolut lächerlich«, wenn sie eine Diskussion über die Lage in der Ukraine unterbinden wolle. Sowohl zu den Vorwürfen Selenskyjs als auch zu den von Scholz geplanten Militärausgaben müsse es eine Aussprache geben. Es sei »verlogen ohne Ende«, selbst Bezug zu der Rede zu nehmen, aber den Oppositionsparteien das Wort verbieten zu wollen. »Da bricht Ihnen doch kein Zacken aus der Krone.«

Die Ampelparteien warfen Merz dagegen vor, Selenskyjs Rede zu instrumentalisieren. Hier werde nicht die Debatte in der Sache gesucht, sondern die Inszenierung, kritisierte die Grünenpolitikerin Britta Haßelmann. »Sie nutzen die Lage für Stimmungsmache, anstatt der Rede einfach mit Würde und Respekt zuzuhören.« Die Union habe noch gestern der heutigen Tagesordnung zugestimmt, nun empöre sie sich. Als Zwischenrufe kommen, reagierte Haßelmann barsch: »Haben Sie jetzt genug geschrien da hinten?«

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hatte die fehlende Aussprache vorab verteidigt. »Ich glaube, in so einem Moment ist Zuhören eine echte Stärke«, sagte sie am Mittwoch. »Zuhören, das Wort stehen lassen.«

mrc
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