Bundestagsdebatte über Änderungen am Infektionsschutzgesetz Ampelparteien verteidigen geplante Impfpflicht

Die Ärztin und SPD-Politikerin Sabine Dittmar warb dafür, zeitnah über eine allgemeine Impfpflicht zu diskutieren
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Am Mittwoch soll Olaf Scholz (SPD) zum Bundeskanzler gewählt werden. Am Tag davor wurde im Bundestag in einer Sondersitzung über die von den Ampelparteien geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz diskutiert, die bis Ende der Woche umgesetzt werden sollen. Die künftigen Regierungsparteien verteidigten dabei insbesondere ihre Pläne für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Die Opposition kritisierte, die Ampel habe zu wenig und zu langsam auf die dramatische Entwicklung der Pandemie reagiert.
Die SPD-Politikerin und praktische Ärztin Sabine Dittmar sprach davon, dass es »unerträglich und unerklärlich« sei, Bilder von vollen Fußballstadien zu sehen, wenn gleichzeitig Coronapatienten per Hubschrauber in andere Kliniken verlegt werden müssten. Man wolle deshalb auch zeitnah eine Debatte über eine allgemeine Impfpflicht führen. Bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gehe es um eine Güterabwägung. Dittmar verwies darauf, dass sich hilfsbedürftige Menschen etwa in Pflegeheimen nicht aussuchen könnten, von wem sie behandelt würden. Eine hohe Impfquote in diesen Einrichtungen sei unabdingbar.
Stephan Stracke (CSU) warf der Ampel vor, mit den Änderungen am Infektionsschutzgesetz Lücken schließen zu wollen, die sie selbst aufgerissen habe. Das Mittel der Wahl zur Bekämpfung der Pandemie bleibe die epidemische Lage von nationaler Tragweite, die die Ampel aber habe auslaufen lassen. Die Ampel hätte »zu spät und zu wenig« reagiert. Das sei »keine effektive Pandemiebekämpfung«. Stracke kritisierte außerdem, dass in den geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz kein Pflegebonus enthalten sei.
Maria Klein-Schmeink von der Grünenfraktion gab sich enttäuscht von der Union. Sie habe erwartet, dass man versuche, gemeinsam aus der schwierigen Situation zu kommen. »Es ist enttäuschend, dass Sie von Versäumnissen reden, aber nicht darüber, was getan werden könne, um die Situation zu verbessern«, sagte Schmeink. Es gehe darum, jetzt die richtigen Antworten zu finden. »Das können wir nur gemeinsam.« Man wolle mit dem neuen Infektionsschutzgesetz konkrete Vorschläge machen, wie man mit dem Impfen vorankomme. Es brauche auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht.
Linkenpolitikerin Susanne Ferschl stimmte der Ampel zu, dass über einrichtungsbezogene Impfpflicht diskutiert werden müsse, allerdings sorgsam. Es gehe um die Pflegekräfte, die seit Langem den Kopf hinhalten müssten. Man solle endlich das Problem des Personalmangels und der Arbeitsbedingungen angehen. Auch Ferschl kritisierte, dass die Ampelparteien in der dramatischen Situation zu lange mit der Bildung einer Koalition beschäftigt gewesen seien. Nicht nur die Pandemie habe einen neuen Höhepunkt erreicht, sondern auch die Planlosigkeit der Verantwortlichen im Umgang mit der Pandemie.
Statt ausschließlich über Impfpflichten sollte man auch über Impfrechte diskutieren. Es könnte nicht sein, dass 80-Jährige stundenlang in Schlangen stehen, um geboostert zu werden.
Weidel: FDP solle »nie wieder das Wort Freiheit« in den Mund nehmen
Die Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel, nannte das geplante Gesetz »eine unerhörte Grenzüberschreitung«. Man beabsichtige, Grundrechte einzuschränken. Damit stelle sich die Ampel in die ungute Tradition der Vorgängerregierung.
Der FDP warf Weidel vor, die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes sei ein »Wortbruch« und »Wahlbetrug«. Die FDP habe einer Impfpflicht vor der Wahl noch eine Absage erteilt und solle nun »nie wieder das Wort Freiheit« in den Mund nehmen.
Die geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes sehen unter anderem eine Impfpflicht für Personal in Kliniken oder Pflegeheimen vor. SPD, Grüne und FDP wollen außerdem, dass Impfungen künftig auch von Zahnärzten oder Apothekern durchgeführt werden können. Die Länder sollen darüber hinaus die Möglichkeit bekommen, in Hotspots auch schärfere Coronamaßnahmen wie Restaurantschließungen zu ergreifen. Der Bundesrat kommt deshalb am Freitag ebenfalls zu einer Sondersitzung zusammen.