Bundestagsgutachten Regierung könnte USA Überflugrechte verbieten
Berlin - In Auftrag gegeben hat das Gutachten der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl. Am 11. Dezember wandte er sich an den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages. Die Fachleute sollten völkerrechtlich klären, welche Nutzungsrechte und Überflugrechte die USA im Falle eines Angriffs gegen den Irak besitzen. Ihr Ergebnis: Die Bundesregierung kann den USA unter einer Bedingung untersagen, ihre deutschen Militärbasen zu nutzen und den deutschen Luftraum zu überfliegen - nämlich dann, wenn die Washingtoner Regierung den Irak ohne Zustimmung der Uno angreift.
Als Motivation, die Studie in Auftrag zu geben, gab Uhl gegenüber SPIEGEL ONLINE an, er habe wissen wollen, was für Konsequenzen die Ablehnung der Bundesregierung gegenüber einem möglichen Irak-Krieg haben könne. "Als Insider kennt man ja die Verflechtungen. Ein solcher Konflikt kann gar nicht ohne Fazilitäten durchgeführt werden", sagt Uhl. "Man kommt an einer deutschen Beteiligung gar nicht vorbei."
Genau das ist derzeit innerhalb der rot-grünen Bundesregierung strittig. Was passiert, wenn die USA einen Angriffskrieg gegen den Irak ohne Uno-Mandat beginnen - wenn also kein Bündnisfall vorliegt? Dem Gutachten zufolge haben die Amerikaner nicht das Recht, "eigenständig präventive Angriffshandlungen über das Territorium der Bundesrepublik zu führen".
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte der amerikanischen Regierung jedoch schon beim Nato-Gipfel im vergangenen November versprochen, dass sie in Sachen Überflugrechte und Militärbasen in Deutschland freie Hand bekommen würde. Das sei eine Selbstverständlichkeit, hatte er damals erklärt. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hatte dies mit dem Hinweis auf Bündnisverpflichtungen unterstrichen: Die USA könnten ihre Stützpunkte in Deutschland in jedem Fall nutzen. Selbst der Kriegsgegner und SPD-Linke Hermann Scheer hatte der "Financial Times Deutschland" vergangene Woche gesagt, "es wäre grotesk, der Regierung nach ihrem grundsätzlichen Nein zum Krieg bei dieser sekundären Frage in den Rücken zu fallen".
Bei den Grünen ist der Ton da anders. Zwar hatte Außenminister Joschka Fischer kürzlich erklärt, dass die Möglichkeit eines Krieges auf Grund des geltenden Mandats für die Uno-Waffeninspekteure rechtens wäre, also eine zweite Uno-Resolution lediglich politisch wünschenswert. Ganz so glatt winken seine Parteifreunde das aber nicht durch. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Winfried Nachtwei, hat klipp und klar erklärt, dass die Bundesregierung den USA weder durch Überflugerlaubnis noch durch Nutzungsrechte Unterstützung leisten dürfe, wenn sich ein Angriff auf den Irak als Verstoß gegen das Völkerrecht erweisen sollte. Drastischer drückt es der Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele aus. Er hatte der "Financial Times Deutschland" gesagt: "Ohne zweite Uno-Resolution wäre ein Krieg gegen den Irak ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Jede Unterstützung des Krieges wäre dann ein Verstoß gegen das Grundgesetz."
Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages stützt diese Auffassung. Es argumentiert, dass das Nato-Truppenstatut sowie einschlägige Zusatzabkommen den Amerikanern Überflug- und Nutzungsrechte nur dann automatisch einräumen, wenn es sich um normalen Übungsbetrieb oder einen Fall von Bündnisverteidigung handele. Ein Bündnisfall liege aber nicht vor. Dazu bedürfe es eines Uno-Beschlusses, der über die bisherigen Resolutionen hinausgehe. Das ist Ergebnis eines zweiten Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes. Die bisherigen Uno-Resolutionen seien keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein künftiges militärisches Vorgehen gegen den Irak, sagt Uhl. "Denkt man das weiter," so Uhl zu SPIEGEL ONLINE, "würde das Deutschland in die totale Isolation führen". Die Bundesregierung müsse nun entscheiden, ob sie der Rechtsauffassung der Gutachter folge oder eine andere vertrete.
Als nächstes Projekt hat sich der CSU-Mann die Awacs-Aufklärungsflugzeuge vorgenommen. Zwischen Regierung und Opposition ist strittig, ob der von der Regierung angekündigte Einsatz der Aufklärungsflugzeuge mit deutscher Besatzung über der Türkei vom Bundestag genehmigt werden muss. Laut Schröder kann man mit diesen Flugzeugen nicht operativ Krieg führen - was bedeuten würde, dass es keiner Bundestagsmehrheit für deren Einsatz bedürfe. Die Opposition sieht das anders und setzte auf einen Selbstversuch. Hans-Peter Uhl will nächste Woche im Awacs-Jet mitfliegen.