Parlamentspräsident Lammert Der Einmischer

Parlamentspräsident Lammert: "Ich erteile das Wort"
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaBerlin - Vom Aufreger der Woche will sich Norbert Lammert nicht unnötig erhitzen lassen. Künftig gibt es mehr prestigeträchtige und gut bezahlte Posten im Präsidium des Bundestags. Trotz Sparzwang und ungeachtet dessen, dass sich das Parlament nur minimal vergrößert hat.
Lammert sieht das beim ersten Auftritt nach seiner Wiederwahl gelassen. Die Entscheidung sei Sache der Fraktionen, und das Regelwerk erlaube solche Änderungen eben, sagt er. Dann fragt ein Journalist: Ein größeres Gremium mache ihn, den Bundestagspräsidenten Lammert, doch gleich ein ganzes Stück bedeutsamer, nicht wahr?
Man erwartet ein bescheidenes "Nein, nein" oder eine abwinkende Handbewegung. Stattdessen nickt Lammert. Kein Widerspruch. Er ist wichtig, und in der kommenden Legislaturperiode wird er noch wichtiger, das schwingt in der Bewegung mit.
Nicht nur Glöckchen läuten
Anders als bei manchem Minister, der Kanzlerin oder dem Bundespräsidenten ist der Job des Zweiten Mannes im Staat oft wenig glamourös. Er oder sie läutet viele Glöckchen, eröffnet und schließt im Wechsel mit den Stellvertretern Plenarsitzungen und mahnt, wenn ein Abgeordneter am Pult mal wieder überziehen will.
Die Hauptaufgabe liegt aber in dem, was im Hintergrund passiert. Der Bundestagspräsident hütet über die Parteilager hinweg die Souveränität des Parlaments, nach außen und innen. Lammert ist im Grunde so etwas wie der Chefmoderator des Bundestags.
Allerdings machte der rhetorisch gewandte Lammert von Anfang an klar, dass er seine eigenen Moderationskärtchen schreibt. Der 64-Jährige äußert sich zu tagespolitischen oder gesellschaftlichen Debatten häufiger als seine Vorgänger Wolfgang Thierse oder Rita Süssmuth.
Im Parlament sehr populär
Einige stößt er mit seiner Offenheit schon mal vor den Kopf. Lammert kritisierte etwa die Kanzlerin für ihren Atomkurs oder beschwerte sich bei ihr schriftlich, das Parlament fühle sich in Sachen Euro-Politik schlecht informiert. Ein Plagiatsverdacht gegen seine Doktorarbeit (Lammert: "Unter jedem Gesichtspunkt überraschende Vorwürfe") schadeten ihm zumindest innerhalb des Bundestags nicht. Bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag wurde Lammert mit fast 95 Prozent im Amt bestätigt.
Danach spazierte er entspannt durchs Reichstagsgebäude, ließ sich in den Pausen umarmen und beglückwünschen. Lammert genießt es sichtlich, zum dritten Mal in Folge gewollt und gewählt zu sein. Und er füllt, daran lässt er keinen Zweifel, seine Rolle mit Stolz aus. Bei seiner Fragestunde blätterte er demonstrativ in der Geschäftsordnung des Bundestags. Er las kein einziges Mal daraus vor, ausgepackt hat er das Büchlein trotzdem.
Man kann davon ausgehen, dass sich Lammert künftig noch mehr ins Tagesgeschäft einmischen wird. Am Mittwoch empfahl er dem Parlament bereits, nicht zu lange mit der Umsetzung einer Expertenempfehlung zu warten. Eine Kommission hatte in der letzten Legislaturperiode unter anderem zu höheren Abgeordnetendiäten geraten. "Es empfiehlt sich, das rechtzeitig zu machen", mahnte der Präsident.
Die dramatisch verschobenen Machtverhältnisse im Bundestag bieten ihm zudem die Möglichkeit, sich als Hüter der Minderheitenrechte zu profilieren. 2011 setzte Lammert zusätzliche Redezeiten für Euro-Rebellen im Bundestag durch. Sobald die Große Koalition steht, dürfen Grüne und Linke im Plenum eigentlich nur noch zwölf Minuten pro Stunde Contra geben. Dass diese Regeln nicht in Stein gemeißelt sind, daran erinnerte Lammert bei seinem Auftritt lächelnd: "Ich erteile das Wort im Plenarsaal."