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Bundestagswahlkampf Drei Lehren für das große Finale

Was lässt sich aus den drei Landtagswahlen für den Bund lernen? Wählerbefragungen zeigen Trends: Die SPD muss sich um die Alten kümmern. Und die Union sollte sich nicht zu früh freuen.

Wenn die Bundestagswahl das große Finale in diesem Superwahljahr ist, dann waren die drei Landtagswahlen davor so was wie die Gruppenspiele. Von einem "wichtigen Stimmungstest" war bei den Abstimmungen im Saarland und in Schleswig-Holstein die Rede, gar von einer "kleinen Bundestagswahl" in Nordrhein-Westfalen. Die Länder geben den Trend für den Bund vor, so die Idee dahinter.

Gleichzeitig schieben insbesondere die Wahlverlierer ihre Verluste gern auf die Landespolitik oder den regionalen Spitzenkandidaten ab. Und andersherum warnte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nach drei Siegen ihrer Partei vor zu viel Optimismus. Sind die Länder also doch nicht so entscheidend?

Die Wahrheit liegt dazwischen. SPIEGEL ONLINE hat die Wählerbefragungen von Infratest dimap im Auftrag der ARD zu allen drei Landtagswahlen verglichen. Das Meinungsforschungsinstitut fragt darin Bürger vor den Wahllokalen, wen sie warum gewählt haben. Die Erhebungen zeigen: Es gibt regionale Unterschiede, nicht alles lässt sich übertragen. Aber: Die Länder weisen auch erstaunliche Gemeinsamkeiten auf, und die geben durchaus Hinweise für die Abstimmung am 24. September.

Drei wichtige Parallelen - und was sie für den Bund bedeuten:

1. Die SPD hat ein altes Problem

Martin Schulz in einem Altenheim in Pasewalk (im Mai 2017)

Martin Schulz in einem Altenheim in Pasewalk (im Mai 2017)

Foto: Jens Büttner/ dpa

Die Freude war groß: Martin Schulz und die SPD haben in den vergangenen Monaten viele junge Wähler mobilisiert. Die Partei verzeichnete so viele neue junge Mitglieder wie seit Jahren nicht mehr, und im SPON-Wahltrend stieg die Zustimmung bei jüngeren Wählern besonders stark an.

Das ist schön für die SPD, die bittere Wahrheit aber ist: Es bringt der Partei nicht die entscheidenden Stimmen. In Deutschland lassen sich keine Wahlen ohne oder gegen die Alten gewinnen. Dafür sind sie einfach zu viele, und sie gehen - im Vergleich zu den Jungen - auch noch öfter zur Wahl . Nach Angaben des Bundeswahlleiters  sind bei der Bundestagswahl in diesem Jahr 36 Prozent aller Wahlberechtigten über 60 Jahre alt. 1990 waren es noch 26 Prozent. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ist älter als 50 Jahre (56 Prozent/1990: 43 Prozent).

Genau in diesen Altersgruppen hat die SPD aber bei allen drei Wahlen überdurchschnittlich an Zustimmung verloren, während sie bei den bis 35-Jährigen zum Teil sogar Zugewinne verbuchen konnte:

Beispiel Schleswig-Holstein: Hier hat die SPD insgesamt 3,2 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl verloren. Doch während junge Bürger sogar stärker zu den Sozialdemokraten tendierten, betrug der Rückgang in der Altersgruppe 60 plus sieben Prozentpunkte.

Will Schulz die Wahl im September gewinnen, muss er die Älteren für die SPD zurückholen.

2. Stau als Thema? Eine Sackgasse!

Stau in Nordrhein-Westfalen

Stau in Nordrhein-Westfalen

Foto: Oliver Berg/ dpa

Das Schöne am Stau ist ja: Den finden alle doof. Wenn man also als Politiker gegen Stau ist, weiß man 100 Prozent der Wähler auf seiner Seite.

Doch Wahlen lassen sich mit diesem Thema nicht gewinnen, zeigt die Auswertung. In allen drei Ländern - sogar in der Stauhölle Nordrhein-Westfalen - kommen "Verkehr und Infrastruktur" bei der Frage nach den wichtigsten Themen auf den letzten Platz. Nur elf Prozent der Wähler in NRW sagen, dass dieses Thema bei ihrer Wahlentscheidung am wichtigsten gewesen sei:

Auf den ersten Plätzen liegen stattdessen alte Bekannte: soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft und Arbeit sowie Schule und Bildung, ein typisches Thema der Landespolitik.

Letzteres dürfte bei der Bundestagswahl naturgemäß eine kleinere Rolle spielen, dann dürfte die innere Sicherheit auf den dritten Platz nachrücken. Wer die Bundestagswahl gewinnen will, muss auf diesen drei Feldern Überzeugendes im Angebot haben.

3. Entscheidend sind die letzten Meter

Wähler in Düsseldorf

Wähler in Düsseldorf

Foto: Marius Becker/ dpa

"Es geht erst los!", hieß es in dieser Woche in einem Kommentar auf SPIEGEL DAILY. Die Botschaft: Natürlich kann Martin Schulz noch Kanzler werden, schließlich bleiben noch mehr als 100 Tage bis zur Wahl.

Die Daten belegen das, die Deutschen treffen in vielen Fällen eine Last-minute-Wahlentscheidung. In allen drei Ländern, in denen in diesem Jahr abgestimmt wurde, gab jeder dritte Wähler an, sich in den letzten Tagen vor der Wahl oder sogar erst am Wahltag selbst entschieden zu haben:

Für CDU und CSU heißt das: Der Rückenwind von den Landtagswahlen ist zwar schön. Aber die Union sollte sich nicht darauf verlassen, nur damit bis ins Kanzleramt zu segeln.

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