Bundestagswahl-Blog Und der goldene Laber-Lorbeer geht an ...

Das Ende ist nahe, also das des Wahlkampfs. Viel haben die Politiker zuletzt versprochen, wenig werden sie halten. Wer hat sich beim Buhlen um die Gunst des Stimmvolks eigentlich am weitesten aus dem Fenster gelehnt? SPIEGEL-Redakteur Christoph Schwennicke vergibt den goldenen Laber-Lorbeer.
Linkspartei-Politiker Gregor Gysi: "Reichtum für alle"

Linkspartei-Politiker Gregor Gysi: "Reichtum für alle"

Foto: THOMAS PETER/ REUTERS

So, jetzt ist es bald überstanden. Die Demoskopen haben uns noch einmal gesagt, dass es wahlweise auf alle Fälle/vielleicht/niemals Schwarz-Gelb geben wird. Und dass noch fast ein Drittel der Wähler nicht weiß, wo es sein Kreuz macht, also alles Mist ist, den sie uns da kredenzen, aber sozialwissenschaftlich valider, repräsentativer, voll gültiger Mist.

Es geht dem Ende zu, und es ist Zeit, eine Bilanz dieses Wahlkampfes zu ziehen. Zunächst einmal soll hier in aller Form der goldene Laber-Lorbeer für den schwachsinnigsten Wahlspruch vergeben werden. Der goldene Laber-Lorbeer geht dieses Jahr mit weitem Abstand an Gregor Gysi von der Linkspartei für seinen Spruch: "Reichtum für alle." Der ist für sich genommen schon ganz große Klasse, gelangt aber erst durch den Komplementär-Spruch der Linkspartei "Reichtum besteuern" zu seiner ganzen geistigen Größe. Gysi lag früh vorn, und nichts, was noch kam, konnte ihm den ersten Platz streitig machen.

Der zweite Platz, mit gehörigem Abstand, geht an Klaus Uwe Benneter von der SPD. "Benneter. Den kenn ich", hat er in Berlin-Steglitz plakatieren lassen und sich auf Fotos mit allen möglichen Menschen gezeigt, die er so kennt. Bis hin zum bedeutenden Kanzlerkandidaten und der nicht minder bedeutenden Juso-Vorsitzenden. Der zweite Platz gebührt Benneter nicht zuletzt mit Fug und Recht, weil dieser schöne Wahlslogan uns jeden Morgen einen Stoßseufzer entlockt hat: "Ja eben! Das ist ja das Problem!"

Pastellfarbene Kampfjacken

Dieser Bumerangeffekt stellt sich übrigens auch beim Slogan der SPD für Frank-Walter Steinmeier ein, neben dessen Gesicht sie den Spruch gestellt haben: "Unser Land kann mehr." Ja, denkt der garstige Zeitgenosse da unweigerlich, das Land schon ...

Das aber nur als kleines Einsprengsel, keine Nominierung. Denn der dritte Preis geht glatt an die CDU, die gegen Ende dieses Wahlkampfes nur noch die Kanzlerin in XXL und verschieden pastellfarbenen Kampfjacken plakatiert hat. Wir (Schwarz-Rot-Gold) wählen die K A N Z L E R I N stand darauf. Oder: Wir (Schwarz-Rot-Gold) wählen Z U V E R S I C H T.

Prämiert werden soll hier nicht der Spruch, prämiert werden sollen hier die dazugehörigen Fotos. Angela Merkel zeigt auf ihnen einen Gesichtsausdruck, als habe sie Antidepressiva in einer nicht unbeträchtlichen Dosierung zu sich genommen. Süßlich und entrückt lächelt sie in die Kamera.

"Rinderwahnsinn bei Ziegen"

Es ist viele, viele Jahre her, dass die Satirezeitschrift "Titanic" einen Rudolf Scharping mit irrsinnig geweiteten Augen auf den Titel hob und legendär darunter schrieb: "Rinderwahnsinn jetzt auch bei Ziegen!" Die gut eingestellte und sedierte Kanzlerin reicht recht nah an den "Titanic"-Titel heran. Also dritter Platz.

Nach der Vergabe des goldenen Laber-Lorbeers wenden wir uns wieder den ernsten politischen Dingen zu. Und da ist eine Warnung auszusprechen: Glauben Sie ja nicht, die Wahl sei am Sonntag um 18 Uhr gelaufen.

Mitnichten. Die eigentliche Wahl findet am Dienstag, den 29. September, gegen 16 Uhr statt. Dann wählt die SPD-Bundestagsfraktion ihren neuen Vorsitzenden. Nichts ist so spannend wie die Antwort auf die F-Frage bei der SPD. Dieser Vorsitz ist der Thron, von dem aus die neue SPD regiert wird.

Bleiben Sie also dran. Wenn die Wahllokale schließen, ist nichts vorbei. Wenn die Wahllokale schließen, dann geht es erst richtig los.

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