Googlen im Wahlkampf Gesucht, gefunden

Auswertung der Suchanfragen
Das waren kuriose Wochen zum Auftakt. Erst stürmte die SPD über die 30-Prozent-Marke - dann sackte sie beinahe ebenso schnell wieder ab. Erst zitterte die Union um ihre Mehrheit, dann kratzte sie plötzlich an der 40-Prozent-Marke. Und jetzt? Drohen auf den letzten Metern doch noch Verluste. (Hier finden Sie die aktuelle Civey-Umfrage.)
Der Wahlkampf war in diesem Jahr eine Achterbahnfahrt.
Das zeigt auch eine Analyse der Suchanfragen bei Google. Die Grafik am Ende dieses Artikels gibt Aufschluss darüber, wie groß das Suchinteresse an den Spitzenkandidaten der Parteien war. Gemessen wird also, wann Nutzer die Namen der Bewerber besonders häufig eingegeben haben.
Dabei handelt es sich um keine Vollerhebung, die Ergebnisse basieren aber auf einer großen Stichprobe aller Google-Anfragen. Zwar bleibt im Einzelfall unklar, warum die Nutzer jeweils nach einem Kandidaten gesucht haben - doch es lassen sich durchaus Tendenzen ablesen.
Wie viel Aufmerksamkeit konnten die Parteien mit ihren Spitzenkandidaten in den jeweiligen Phasen des Wahlkampfs auf sich ziehen? Vier Erkenntnisse.
Erkenntnis I: Kaum Interesse an Schulz
Es war ein Turbostart. Am 29. Januar nominierte der SPD-Vorstand Martin Schulz als Kanzlerkandidaten. Innerhalb weniger Wochen legten die Sozialdemokraten in den Umfragen über zehn Prozentpunkte zu, Tausende traten der Partei bei.
Entsprechend groß war auch das Suchinteresse bei Google. Ende Januar stand die SPD klar im Fokus, hatte deutlich mehr Aufmerksamkeit als die Konkurrenz. Der Effekt hielt ziemlich genau einen Monat lang. Dann war's wieder vorbei.
In der Folge tat sich Schulz sichtbar schwer, setzte immer neue Themen auf die Agenda, von Rente bis Flüchtlingskrise. Allein: Es gelang ihm nicht, damit durchzudringen und in der Öffentlichkeit echte Debatten zu starten. In der Google-Grafik zeigt Schulz' rote Kurve über Monate hinweg nur noch leichte Ausschläge - selbst in der heißen Phase des Wahlkampfs.
Erkenntnis II: Merkel dominiert trotz Langeweile-Wahlkampf
Die Kanzlerin setzte wieder einmal auf einen Anti-Wahlkampf: Nur kein Risiko, die Angriffe des Gegners ins Leere laufen lassen. Im Gegensatz zu Schulz muss Angela Merkel auch nicht viel tun, damit sich die Menschen für sie interessieren. Allein ihr Urlaub sorgte bereits über Tage hinweg für Bewegung im Netz.
Auffallend: In der entscheidenden Phase des Wahlkampfs dominierte die Kanzlerin die Sozialdemokraten im Suchmaschinen-Duell nach Belieben. Ob ihre Interviews mit YouTubern, ihre TV-Auftritte, sogar ihr Besuch auf der Gamescom brachten Merkel jede Menge Aufmerksamkeit ein.
Erkenntnis III: AfD-Provokationen erzeugen Aufmerksamkeit
In den Umfragen lag die AfD lange zurück, doch in den Wochen vor der Wahl legten die Rechtspopulisten in Umfragen wieder zu. Ein zweistelliges Ergebnis, gar Platz drei im Parlament scheint möglich. Auch bei Google stieg zuletzt das Interesse an der Partei.
Als Spitzenkandidat Alexander Gauland Ende August die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz verunglimpfte, schnellte die Zahl der Suchaufträge in die Höhe. In den vergangenen Wochen konnte jedoch Gaulands Ko-Kandidatin Alice Weidel noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dazu trugen ihr wohl inszenierter Abgang aus einer TV-Runde bei oder auch Berichte über eine rassistische E-Mail.
Man kann die Daten so interpretieren: Weidel gelingt es, wahrgenommen zu werden. Nicht immer dürfte ihr das

Bundestagswahl 2017: Die skurrilsten Wahlplakate
gefallen. Als Medien berichteten, ihre Partnerin habe eine Asylbewerberin schwarz beschäftigt, suchten die Nutzer vor allem nach diesen Wörtern: "Alice Weidel" und "Frau".
Erkenntnis IV: Der Lindner-Effekt zieht
Die letzten Wochen vor der Wahl waren Lindner-Wochen. Die Kampagne der Liberalen ist ohnehin ungewöhnlich: hippe Schwarz-Weiß-Plakate, ein Schuss Humor, voll und ganz auf den Chef zugeschnitten. Diese Strategie hat offenbar Erfolg.
Seit August wird nach Lindners Namen mit am häufigsten gesucht. Die Aufmerksamkeit war konstant hoch. Von den TV-Runden der kleinen Parteien konnte er gemessen an der Resonanz bei Google am stärksten profitieren. Und das Video aus seiner Jugend, das Mitte September auftauchte, machte den FDP-Chef zum Gesprächsthema.
Anmerkung der Redaktion: Die Analyse und Bewertung der Daten hat die Redaktion von SPIEGEL ONLINE unabhängig vom Google News Lab vorgenommen. Die interaktive Grafik wurde vom Google News Lab entwickelt und zur Einbettung auf SPIEGEL ONLINE zur Verfügung gestellt.