Bundestagswahl Union kämpft um Erststimmen von FDP-Wählern

Parteichefs Merkel (CDU) und Westerwelle (FDP): Umfragewert der Union kommt nicht hoch
Foto: ddpBerlin - Für die Wahlkämpfer der Union ist dieser Mittwoch kein guter Tag. In zwei Umfragen - Forsa und Berliner Info GmbH - hat Schwarz-Gelb nur noch einen knappen Vorsprung. Nach der Umfrage des Berliner Instituts für das "Handelsblatt" käme eine Koalition aus Union und FDP gar nur noch auf 46 Prozent - und demnach selbst inklusive der Überhangmandate auf keine eigene Mehrheit mehr. Das liegt nicht an den Liberalen. Es ist die Union, die zwischen 35 und 36 Prozent stagniert.
Im schwarz-gelben Lager wächst daher die Nervosität, dass man den sicher geglaubten Wahlsieg wie schon 2005 so kurz vor der Wahl noch verspielen könnte.
Es sind in diesen Tagen des Countdowns insbesondere die hessischen und bayerischen Christdemokraten, die diese Sorge umtreibt. "Niemand sollte glauben, dass wir die Bundestagswahl von der Zuschauertribüne aus gewinnen", mahnt Roland Koch im Interview mit dem "Hamburger Abendblatt". Und CSU-Chef Horst Seehofer ließ seine Hintersassen noch rasch ein "Sofortprogramm" als Zusammenfassung seiner wirtschaftspolitischen Forderungen ausarbeiten. Darin findet sich das Versprechen auf konkrete Steuerentlastungen schon zum 1. Januar 2011.
Doch ob das Konzept beim Wähler verfängt, ist völlig offen. Vor allem deshalb, weil sich die drei Partner einer möglichen schwarz-gelben Koalition überhaupt nicht einig sind: Die FDP übertrifft die CSU noch in ihren konkreten Entlastungsforderungen, die CDU steht eher auf der Bremse. Jetzt hat sich gar die katholische Kirche eingeschaltet. "Skeptisch" äußerte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, über die Wahrscheinlichkeit von Entlastungen nach der Bundestagswahl im "Deutschlandfunk". Er frage sich, "wie tatsächliche Steuersenkungen finanziert werden sollen".
"So viele CDU-Überhangmandate wie möglich"
Das Thema schlägt nicht durch. Und die einst prognostizierte komfortable schwarz-gelbe Mehrheit schmilzt dahin. Kochs Generalsekretär Peter Beuth warnt: "Die aktuellen Umfragewerte sollten jeden CDU-Wähler hellhörig machen", sagt er SPIEGEL ONLINE. Die Bundestagswahl sei noch lange nicht gelaufen. "Es wird am Sonntag sehr, sehr knapp", so der CDU-Politiker. Deshalb komme es auf jede Stimme an. "Wer eine starke CDU will, der muss am Sonntag wählen gehen", appelliert Beuth an die eigene Anhängerschaft.
In der Union wurde am Mittwoch auch eine weitere Umfrage besorgt zur Kenntnis genommen: Das Allensbach-Institut stellt darin fest, dass die Zahl der Wähler, die tatsächlich zur Urne gehen wollen, seit längerem bei 65 Prozent verharrt. Bei der letzten Bundestagswahl habe der Wert spätestens 14 Tage vor dem Urnengang bei 70 Prozent "und darüber gelegen", so die Meinungsforscher. Noch auffälliger sei die "stabile Unschlüssigkeit" der Wähler - 35 Prozent wüssten laut der von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Auftrag gegebenen Umfrage noch nicht, welche Partei sie wählen wollten.
In Hessen, wo Schwarz-Gelb unter Roland Koch seit dem Frühjahr nur dank einer starken FDP regiert, setzt die CDU mittlerweile offen auf eine Erststimmen-Werbung unter den Anhängern der Liberalen. So viele CDU-Überhangmandate wie möglich für eine schwarz-gelbe Koalition im Bund, das ist das Motto. Und die könnten mit Hilfe der FDP-Stimmen erreicht werden. "Wir haben die Hoffnung, in Hessen das eine oder andere Direktmandat zusätzlich zu gewinnen. Auch hier ist es aber sehr, sehr knapp", warnt Beuth: "Wir appellieren deshalb an FDP-Wähler, sich klug zu entscheiden und die Erststimme der CDU zu geben", sagt der Vertraute Kochs zu SPIEGEL ONLINE.
Die Liberalen setzen auf eine Zweitstimmen-Kampagne. Indirekt wird damit den Wählern signalisiert, im Gegenzug ihre Erststimme aussichtsreichen Unionskandidaten zu schenken. Auf die rund 8100 Großplakate mit dem Konterfei von FDP-Chef Guido Westerwelle würden jetzt Banner mit der Aufschrift: "Klare Verhältnisse. Zweistimme FDP" aufgeklebt, so FDP-Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz zu SPIEGEL ONLINE. Auch die Plakate für den Montag nach der Wahl sind schon gedruckt. "Danke Deutschland", ebenfalls mit dem Bild Westerwelles. Die Umfragen für die FDP sind stabil, entweder kommt sie mit einem guten Ergebnis in die Regierung - oder eben in die Opposition.
"Kämpfen, kämpfen, kämpfen"
Der FDP-Chef selbst kämpft in seinem Bonner Wahlkreis um Erststimmen, wo er 2005 mit 8,7 Prozent dritter wurde. Indirekte Schützenhilfe für einen Unions-Kandidaten hatte der FDP-Chef allerdings Anfang September auf einer Wahlkampfkundgebung in Hamm für den dortigen CDU-Direktkandidaten Laurenz Meyer gegeben. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion und Ex-Generalsekretär ist auf der Landesliste seiner Partei in NRW so weit hinten platziert, dass er damit den Wiedereinzug in den Bundestag kaum schaffen kann. Er hat mit Dieter Wiefelspütz von der SPD allerdings einen harten Gegner im Kampf um das Direktmandat.
Während die Christdemokraten in jenen Bundesländern mit starken Unionsverbänden aufgeschreckt sind und gar von einem "Weckruf" durch die enger werdenden Umfragen sprechen, herrscht in der Berliner CDU-Zentrale die Politik der ruhigen Hand. Nichts hat Angela Merkel von ihrem Watte-Wahlkampf abbringen können. Aber klar ist auch den Strategen im Adenauer-Haus, dass die Wahl nun "auf der Schlussgeraden entschieden" werde, wie CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betont.
Die Sozialdemokraten scheinen auf den letzten Metern aufholen zu können. Ein Beispiel: SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel versuchte über Monate, das Atom-Thema in den Wahlkampf zu ziehen. Die Union ließ ihm Raum, allein CSU-Mann Markus Söder konterte mit der eigenen Forderung nach bedingten Laufzeitverlängerungen. In der vergangenen Woche gelang es Gabriel gar, Merkel und Seehofer dazu zu nötigen, den Neubau von Atomkraftwerken noch einmal explizit auszuschließen, obwohl das längst im Regierungsprogramm der Union steht.
Da steht auch einiges zu klassischen konservativen Themen drin, die für die Mobilisierung des engeren Unionsmilieus von Bedeutung sind. Doch in Merkels Wahlkampf ist dies eher selten durchgedrungen. CSU-Präsidiumsmitglied Manfred Weber fordert die eigenen Leute auf, "in den letzten Tagen Vollgas" zu geben und sich auf die "Kernbotschaften von CDU und CSU zu konzentrieren: wirtschaftliches Wachstum, Stärkung der Familien und Innere Sicherheit". Jedem potentiellen Unionswähler müsse klar werden, dass es jetzt um eine stabile bürgerliche Mehrheit gehe, so Weber zu SPIEGEL ONLINE. Es gelte "kämpfen, kämpfen, kämpfen".