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Guttenberg unter Druck: Feldpost, Schießunfall, Meuterei

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Bundeswehr-Affäre Guttenberg setzt auf Vorwärtsverteidigung

Karl-Theodor zu Guttenberg geht in der Bundeswehraffäre in die Offensive. Der Verteidigungsminister verspricht "rückhaltlose Aufklärung" und wehrt sich vehement gegen alle Vertuschungsvorwürfe. Doch der forsche Auftritt reicht der Opposition lange nicht - denn es bleiben Fragen offen.

Karl-Theodor zu Guttenberg

Bundeswehr

Berlin - Der Verteidigungsminister wartet nicht, bis ihn jemand attackiert. Eigentlich geht es an diesem Freitagnachmittag im Bundestag um die Verlängerung des Afghanistan-Mandats für die Bundeswehr. Doch als ans Rednerpult tritt, beginnt er, "wenn Sie gestatten", mit einem anderen Thema: den drei unangenehmen Fällen, die derzeit die erschüttern - eine angebliche Meuterei auf dem Flaggschiff "Gorch Fock", ein mysteriöser Schießunfall in Afghanistan und gefilzte Feldpost bei der Einheit des getöteten Soldaten.

Noch einmal verspricht Guttenberg Aufklärung, natürlich nicht, ohne diese einmal mehr mit seinem derzeitigen Lieblingsadjektiv "rückhaltlos" zu versehen. Notfalls werde diese Aufklärung "auch harte Konsequenzen" nach sich ziehen. Er verwahrt sich dagegen, wegen des Fehlverhaltens Pauschalurteile über die Truppe zu fällen. Vertuschungsvorwürfe gegen ihn und sein Haus weist er zurück. "Solche Verdächtigungen sind infam."

Es ist ein typischer Guttenberg. Forsches Auftreten, deutliche Rhetorik und - vermeintlich - klare Ansagen. Botschaft: Alles im Griff, versucht gar nicht erst, mich in die Ecke zu treiben. Guttenberg ist der Minister für Vorwärtsverteidigung.

Seit die drei Vorfälle bekannt sind, hat der CSU-Politiker auf allen Kanälen Entschlossenheit demonstriert. Er hat es anders gemacht als etwa seine Kabinettskollegin und Parteifreundin Ilse Aigner im Dioxin-Skandal oder sein Vorgänger im Amt, der zaudernde Franz Josef Jung. Guttenberg geht in die Offensive, auf allen Kanälen, im Fernsehen, in Zeitungsinterviews - und im Bundestag.

Aber reicht das?

"Das reicht nicht", sagt Grünen-Verteidigungsexperte Frithjof Schmidt am Freitag nach Guttenbergs Auftritt im Bundestag. SPD-Kollege Rainer Arnold pflichtet ihm bei: "Es genügt nicht, wenn der Verteidigungsminister auffordert aufzuklären. Der Verteidigungsminister ist der Verantwortliche für die Aufklärung."

Kratzer am strahlenden Image?

Guttenberg wird sich kaum auf seiner schnellen Reaktion ausruhen können. Die Opposition wird keine Ruhe geben, daran ändern auch Guttenbergs Verweis auf die laufenden Ermittlungen und sein Appell, Mutmaßungen doch zu unterlassen, solange die Fakten nicht bekannt sind, nichts. Zu groß ist bei SPD, Grünen und Linken die Versuchung, dem Publikumsliebling der Regierung, der in der Vergangenheit schon zum "Teflon-Minister" getauft wurde, endlich etwas anhängen zu können.

Und selbst in der Koalition gibt es manche, die ein paar Kratzer am Strahlemann-Image des Freiherrn mit einer gewissen Genugtuung sehen würden. Der Neidfaktor ist hoch. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) wies im SPIEGEL-ONLINE-Interview jedoch Gerüchte zurück, er wolle Guttenberg mit einer geballten Problemoffensive beschädigen.

Am Vormittag hatte Guttenberg die Obleute der Bundestagsfraktionen im Verteidigungsausschuss über den Stand der Dinge in den drei Fällen unterrichtet. Doch die Unzufriedenheit bleibt. SPD-Mann Arnold beklagte die "schlechte Informationspolitik". Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour zog Parallelen zur Zeit der Kunduz-Affäre. "15 Monate nach Jung hat sich nichts verbessert in diesem Haus", sagte Nouripour. Jung trat wegen der Affäre um die Bombardements zweier Tanklaster Ende 2009 als Arbeitsminister zurück.

Ein solches Ende ist für Guttenberg derzeit kaum vorstellbar. Trotzdem werden tatsächlich Erinnerungen an den Umgang des Ministeriums mit dem verheerenden Bombardement zweier Tanklaster in Nordafghanistan wach. Wieder geht es um mögliche Informationspannen, und wieder auch um einen Feldjägerbericht, der neue Erkenntnisse bringt - aber offenbar sehr lange brauchte, um die Befehlskette zu durchlaufen.

Fragen bleiben offen:

  • Warum erreichte der Bericht der Feldjäger über den mysteriösen Schießunfall Guttenberg erst jetzt? Der Soldat kam am 17. Dezember ums Leben, schon damals war von einem tragischen Unglück die Rede, auch davon, dass wohl ein zweiter Kamerad beteiligt gewesen sein könnte - allerdings nicht, dass offenbar insgesamt zehn Soldaten anwesend waren. Die vollständigen Ermittlungen der Feldjäger landeten erst am Donnerstag bei Guttenberg, obwohl das Einsatzführungskommando die Ergebnisse schon vor fast zwei Wochen hatte, die ermittelnde Staatsanwaltschaft immerhin schon am Freitag vergangener Woche. Der Minister sei schon vor dem Erhalt des Berichts über die "wesentlichen Inhalte" informiert gewesen, sagt sein Sprecher.
  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Tod des 21-jährigen Hauptgefreiten und der Feldpost-Affäre? In beiden Fällen steht ein Außenposten der Bundeswehr in Nordafghanistan im Mittelpunkt, der Outpost North. Dort starb der junge Soldat, von dort kamen die Briefe, die geöffnet wurden. Man könnte auf die Idee kommen, dass jemand die Post untersucht hat, damit keine Informationen über den Vorfall nach außen gelangen. Bisher aber, so sagt Guttenbergs Sprecher, gebe es keinen Hinweis auf einen Zusammenhang. Die bislang 20 bekannten Fällen lägen zeitlich vor dem Schießunfall.
  • Ist der Fall der geöffneten Feldpost nicht so gravierend, dass der Verteidigungsminister darüber hätte informiert sein müssen? Guttenberg hat nach eigener Aussage aber erst vom Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) erfahren. "Auf der zuständigen militärischen Führungsebene" habe es darüber keine Kenntnis gegeben, sagt der Minister.
  • Gleiches gilt für die Vorgänge auf der "Gorch Fock". Wusste Guttenberg von nichts - und wenn ja, warum? Auch hier erfuhr der Minister nach eigenen Angaben erst vom Wehrbeauftragten, das etwas auf dem Segelschulschiff nicht stimmt, und zwar am 17. Januar.
  • All diese Details münden am Ende in zwei grundsätzliche Fragen: Wusste Guttenberg mehr, als er preisgegeben hat? Oder haben ihm Stellen im Bundeswehr- oder Ministeriumsapparat Informationen über Missstände vorenthalten? Unterm Strich also: Hat das Ministerium nicht die volle Wahrheit gesagt?

Guttenberg hat auf die letzte Frage in einem Interview bereits eine Antwort gegeben. Sie lautet: "Unsinn." Das Problem mit solchen deutlichen Worten ist: Einmal in der Welt, wird es schwierig, sie wieder einzufangen, wenn an dem Vorwurf am Ende eben doch etwas dran ist.

mit Material von dpa
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