Bundeswehr-Jahresbericht Wehrbeauftragter sieht Truppe am Rand der Leistungsfähigkeit

Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan: "An der Grenze der Leistungsfähigkeit"
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaBerlin - Der Wehrbeauftragte des Bundestags fordert massive Investitionen in das Material und die Ausbildung bei der Bundeswehr. In seinem Jahresbericht für 2014 sieht Hellmut Königshaus für die Bundeswehr nicht weniger als ein "Jahr der Wahrheit" voraus. So stehe die Truppe bei Großgeräten wie Hubschraubern oder Flugzeugen "an der Grenze der Leistungsfähigkeit". Ähnlich düster sehe es auch bei der Ausbildung von speziell geschulten Soldaten aus, die dringend für Missionen der Truppe gebraucht würden.
Am Dienstag stellt Königshaus seinen 79 Seiten starken Bericht vor. Standen in den vergangenen Jahren oft die persönlichen Belange der Soldaten im Vordergrund, fokussiert sich der Bericht für 2014 stark auf die allgemeine Einsatzbereitschaft der Truppe. Königshaus fordert hier ein schnelles Umlenken der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Ohne mehr Geld könne Deutschland ihr Credo, mehr Verantwortung übernehmen zu wollen, nicht einhalten.
An Beispielen mangelt es nicht:
- Vor allem beim fliegenden Gerät, den altersschwachen Helikoptern und teilweise noch älteren Flugzeugen, gibt es seit Monaten Alarmmeldungen, da nur ein sehr kleiner Teil flugfähig ist. Könighaus wirft der Truppenführung in seinem Bericht nun vor, dass man trotz besseren Wissens Ersatzteile nicht rechtzeitig bestellt habe. Die Darstellung der Ministerin, die Ausstattung habe "höchste Priorität", schreibt Königshaus, "hat sich leider nicht bestätigt".
- Die Zahlen aus dem Bericht illustrieren das Desaster. So berichtet Königshaus von einem Besuch beim Luftwaffengeschwader 51 "Immelmann". Die dort stationierten "Tornado"-Kampfjets konnten bis Ende Oktober 2014 von 1498 geplanten Flügen nur 924 durchführen, ein Ausfall von fast 40 Prozent. Noch prekärer sieht die Lage bei den Marinehubschraubern aus, dort verfügt man derzeit im besten Fall über eine Handvoll einsatzfähiger Maschinen für Noteinsätze auf Hoher See. Dieser Mangel war erst durch Königshaus bekannt geworden.
- Ähnlich besorgniserregend erscheint ein Vorfall, der erstmals in dem Bericht beschrieben wird. So stürzte am 16. Januar ein "Tornado"-Kampfjet beim Landeanflug auf den Fliegerhorst Büchel ab. Im Nachhinein stellte der General fest, dass das Fehlen eines Ground Proximity Warning Systems (GPWS) "zumindest einen indirekt wirkenden Faktor für den Flugunfall darstellte". Ein GPWS ist ein Warnsystem, falls der Pilot zu tief fliegt. Erst nach dem Unfall wird nun geprüft, ob alle Jets nachgerüstet werden sollen.
Stress, sexuelle Übergriffe und schimmelnde Kasernen - das sind die wichtigsten Mängel der Truppe im neuen Wehrbericht:
Was ist zu tun?
Aus Königshaus' Sicht muss Verteidigungsministerin von der Leyen jetzt nicht nur ins Material investieren:
- So bemängelt der Wehrbeauftragte, dass gerade bei den Soldatengattungen, die bei Missionen im Ausland gebraucht werden, zu wenig ausgebildet wird. "Wenn die Bundeswehr künftig noch mehr internationale Verantwortung übernehmen soll, wird derzeit das dafür erforderliche Personal nicht in der notwendigen Stärke vorgehalten", heißt es in dem Bericht. Folglich würden die bereits existierenden Einheiten massiv überlastet.
- Als Beispiel nennt der Bericht spezielle ausgebildete Soldaten für die deutschen Raketenabwehr-Batterien "Patriot", die derzeit als Teil einer Nato-Mission in der Türkei stationiert sind. Da nur wenig Personal zur Verfügung steht, würden die Soldaten in kurzen Rotationen wieder ins Ausland verlegt, dies führe zu enormen Belastungen. Ähnlich sieht es laut Königshaus bei Minenräumern, Fernmeldern und dem fliegenden und technischen Personal bei der Luftwaffe aus, das auch bei Hilfsmissionen wie in Afrika gebraucht wird.
Für die Verteidigungsministerin ist der Bericht von Königshaus Aufgabenzettel und Zeugnis zugleich. Neben den vielen Mängeln lobt Königshaus durchaus einige Vorstöße der neuen Frau im Bendlerblock, konkret unterstützt er ihre Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber.
Allerdings mahnte er erneut den maroden Zustand vieler Kasernen an. Bevor sich Soldaten wie von der Leyen propagiert in ihren Dienststellen "zu Hause fühlen sollen", müsse noch viel investiert werden. Die Verteidigungsministerin hatte kürzlich angekündigt, 750 Millionen Euro für die Modernisierung der Truppenunterkünfte bereitzustellen.

Bundeswehr: Sorgen um die Einsatzbereitschaft