
Unsinnsprojekte bei der Bundeswehr Die Gurken der Truppe
- • Staatsausgaben: Bundeswehr verschwendet Millionen
- • Aufklärungsdrohne: Bundeswehrprüfer warnten schon 2009 vor "Euro Hawk"
Berlin - Den Soldaten der Zukunft bremst weder Stock noch Stein, weder Fluss noch Sumpf: Über solche Hindernisse soll er künftig einfach hinwegschweben - per Luftkissenboot. Das jedenfalls wünscht sich die Bundeswehr - und sucht seit mehr als zwölf Jahren nach einem geeigneten, amphibischen Transporter für die Truppe. Insgesamt 65 Luftkissenfahrzeuge, so machte der Bundesrechnungshof unlängst publik, will das Verteidigungsministerium dafür anschaffen. Kostenpunkt: knapp 20 Millionen Euro.
Das militärische Zukunftsprojekt ist allerdings ins Stocken geraten: Die Tests mit zwei Prototypen scheiterten und kosteten den Steuerzahler bereits 1,1 Millionen Euro. Und auch ein dritter Prototyp, der 2009 endlich den Durchbruch bringen sollte, funktionierte nicht: Die zuständigen Bundeswehrbeschaffer hatten das Gerät bei einem Gebrauchtwagenhändler geordert, der laut Rechnungshof "im Bootshandel" allerdings "gänzlich unerfahren war".
Die Luftnummer mit den Luftkissentransportern und der jüngste 656-Millionen-Euro-Skandal um die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" sind längst nicht die einzigen Beschaffungsflops, die der Bundeswehr und ihrer Führung seit Jahren Negativschlagzeilen bescheren. Fragwürdige Projekte und kostspielige Fehlentscheidungen, so scheint es, haben in der Truppe Tradition.
So monierte der Bundesrechnungshof im vergangenen November die Ausgabe von rund 20 Millionen Euro, die in den Neubau einer Fabrik geflossen waren, in der die Bundeswehr eine eigene Medikamenten- und Kosmetiklinie herstellen lässt. Dabei, so der Tenor der Prüfer, könnten die dort fabrizierten Produkte wie Nasenspray, Sonnencreme oder Lippenschutzstifte wesentlich günstiger beschafft werden - auf dem freien Markt.
Noch verheerender fiel die Kritik der Finanzkontrolleure an der Beschaffung von Hunderttausenden Handfeuerwaffen aus, die aus Sicht des Bundesrechnungshofs nur noch bedingt auf die Bedürfnisse der kämpfenden Truppe abgestimmt sei. So würden neue Waffen seit vielen Jahren ohne Gesamtkonzept eingeführt; bei Nachbestellungen würden zudem "alarmierende Einsatzerfahrungen" schlicht ignoriert.
Bundeswehr scheitert immer wieder an eigenen Sparvorgaben
Bereits 2011 hatten die Rechnungsprüfer den gigantischen Fahrzeugpark der deutschen Streitkräfte angeprangert. Durch hohe Verwaltungskosten, doppelte Zuständigkeiten und mangelhaftes Fuhrpark-Management verschleudere die Bundeswehr Milliardensummen und scheitere immer wieder an den eigenen Sparvorgaben, berichtete das "Handelsblatt" damals.
Jahr für Jahr dringen solch abenteuerliche Details aus den sorgfältig abgeschirmten Beschaffungsdienststellen der Bundeswehr ans Licht der Öffentlichkeit. Mal geht es um mobile Radarsuchgeräte für 25 Millionen Euro, deren Einsatztauglichkeit von Anfang an fraglich ist, mal um angemietete Flugzeugschlepper, die beim Transport von Kampfflugzeugen versagen, oder um Notfallfunkgeräte, die in den Bergen Afghanistans den Geist aufgeben.
In unangenehmer Erinnerung ist den Beschaffern des Verteidigungsministeriums auch jene "Zielsimulationshalle" für 16 Millionen Euro, deren Projektionswand sich nicht von den Spuren reinigen ließ, die Munition und Geschosse hinterließen: Selbst teuer angeschafftes Säuberungsgerät, gefertigt aus den Ohrhaaren südamerikanischer Rinder (eine Million Euro), schaffte laut Bundesrechnungshof keine Abhilfe.
Derartige Summen verblassen jedoch angesichts der astronomischen Summen, die internationale Rüstungs-Joint-Venture wie der "Eurofighter" oder das Truppentransportflugzeug A400M verschlingen. In der globalisierten Welt militärischer Großaufträge sind Kostenexplosionen, Produktionsverzögerungen oder Nachbesserungsforderungen mittlerweile an der Tagesordnung.
Und durch die strengen Geheimhaltungsvorschriften und die extrem komplexen Vertragswerke solcher Projekte werden Missstände oft erst dann publik, wenn es bereits zu spät ist.
Da geht es dem "Euro Hawk"-geplagten Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) heute nicht anders als seinen Amtsvorgängern in den sechziger Jahren: Damals stellten die Verantwortlichen auf der Bonner Hardthöhe mit Schrecken fest, dass die teuer beschafften Unterseeboote der Klasse 201 einen folgenschweren Schönheitsfehler hatten: Sie waren aus einem Stahl gebaut, der in Salzwasser schnell korrodierte und für U-Boote nicht geeignet war. Die ersten zwei Boote wurden nach nur einem Jahr wieder außer Dienst gestellt.
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Mehr als 650 Millionen Euro kostete das gescheiterte Drohnenprojekt "Euro Hawk" die Bundeswehr.
Intern war das streng geheime Multi-Millionen-Projekt schon länger umstritten. Als herauskam, dass die Drohne im europäischen Luftraum gar nicht fliegen darf, geriet Verteidigungsminister Thomas de Maizière unter Druck.
Internationale Rüstungsprojekte wie der "Eurofighter" sorgen immer wieder für Ärger. Der Betrieb der Kampfjets erwies sich als wesentlich teurer als ursprünglich angenommen.
Um die Finanzierung des Truppentransporters A400M gab es einen langen Streit. Wiederholt verzögerte sich die Auslieferung der Prestige-Maschine.
Kein Gaskraftwerk, sondern die sogenannte Zielsimulationshalle der Bundeswehr: 16 Millionen Euro kostete die Übungsanlage im bayerischen Greding. Dummerweise ließ sie sich nach simulierten Schießereien nicht richtig reinigen. Selbst Spezialbürsten für eine Million Euro versagten.
Kritik gibt es auch beim Einkauf von Handfeuerwaffen wie Sturmgewehren für die Truppe. Der Bundesrechnungshof bemängelte, die Waffen seien nicht ausreichend auf die Anforderungen im modernen Kampfeinsatz abgestimmt.
Im Luftkissenboot zum Einsatz: Was die bayerische Wasserwacht (im Bild) schon lange kann, daran scheitert die Bundeswehr seit mehr als zwölf Jahren. Den letzten Prototyp orderte das Verteidigungsministerium bei einem Gebrauchtwagenhändler. Doch die auch dieses Gefährt versagte im Praxistest, rund eine Million Euro waren futsch.
Soldaten mit "Dingo"-Fahrzeugen: Auch der gigantische Fuhrpark der Bundeswehr landete schon auf der Mahnliste der Rechnungsprüfer.
Gut 700 Notfunkgeräte wurden für knapp acht Millionen Euro angeschafft - doch in den Bergen von Afghanistan gab die Technik den Geist auf.
Arzneilager der Bundeswehr in Blankenburg: Der Rechnungshof kritisierte im vergangenen Jahr, dass die Armee auch Lippenstifte und Sonnencreme in Eigenregie produziert - obwohl diese Produkte zur Genüge auf dem freien Markt erhältlich sind.
Dieses historische Foto zeigt das U-Boot U1 in der Kieler-Förde. Das 1961 bei der Bundesmarine in Dienst gestellte Unterseeboot hatte allerdings einen Makel: Der Stahl rostete in Salzwasser.
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