100 Milliarden Euro für die Bundeswehr Hunderte Prominente und Politiker stellen sich mit offenem Brief gegen Scholz' Rüstungspläne

Plakat auf einer Antikriegsdemo in Berlin
Foto:Sebastian Gabsch / Future Image / IMAGO
An einem Donnerstag Ende Februar überfiel Russland auf Geheiß von Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine, drei Tage später sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag von einer »Zeitenwende«. Die Nato müsse schlagkräftiger werden, Deutschland sich mehr einbringen – zudem kündigte Scholz ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr an, das im Grundgesetz verankert werden solle.
Nun haben gut 600 Prominente aus Politik, Kirche, Wissenschaft und Kultur einen Appell gegen die Rüstungspläne veröffentlicht. Das Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, stellt sich klar gegen die russische Aggression. Der Krieg Putins sei »durch nichts zu rechtfertigen«, der Kremlchef trage die volle Verantwortung für die Toten und habe seine Invasion auf »Lügen und Propaganda« aufgebaut.
Dennoch sei eine Aufrüstung als Abschreckung der falsche Weg. »Eine massive Hochrüstung der Bundeswehr hilft den Menschen in der Ukraine nicht«, heißt es in dem Appell. »Die Anschaffung von konventionellen Waffen wie Kampfflugzeugen und bewaffnungsfähigen Drohnen als Abschreckung unter atomaren Militärblöcken ist sinnlos.« Die gemeinsamen Rüstungsausgaben der Nato-Staaten würden die russischen Rüstungsausgaben schon jetzt um das fast Zwanzigfache übertreffen.
Die Unterzeichnenden fürchten, dass die Ausgaben für die Bundeswehr zu Kürzungen an anderer Stelle führen, in der Forschung, im sozialen und kulturellen Bereich. Die Rüstungsausgaben auch noch im Grundgesetz festzuschreiben, sei ein »demokratiepolitischer Skandal«. Die Entscheidung brauche eine breite demokratische Diskussion.
Initiiert wurde der Appell unter anderem von den SPD-Politikern Andrea Ypsilanti und Jan Dieren, von der Linkenpolitikerin Julia Schramm und dem Soziologen Klaus Dörre. Unterschrieben haben unter anderem der ehemalige Grünenabgeordnete Hans-Christian Ströbele, die Grüne-Jugend-Sprecherin Sarah-Lee Heinrich, die Theologin Margot Käßmann, der IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban, die Schauspielerinnen Katja Riemann und Corinna Harfouch sowie die Sänger Bela B. und Sebastian Krumbiegel.
Der Appell kommt zu Beginn der viertägigen Haushaltsdebatte im Bundestag. Seit dem Vormittag berät das Parlament über den neuen Etat, der die Sonderausgaben für die Verteidigung vorsieht. »Unsere Solidarität mit unserem europäischen Nachbarn ist auf Dauer angelegt«, verteidigte Finanzminister Christian Lindner (FDP) zur Eröffnung der Debatte seine Pläne. Er forderte einen »internationalen Marshallplan für die Ukraine«.