Bundeswehr im Corona-Einsatz "Wir werden hier keinen Aufmarsch erleben"

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bereitet die Truppe auf einen langen Kriseneinsatz vor. Aber Soldaten werden auch in Zukunft keine Corona-Partys auflösen oder Ausgangssperren überwachen.
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, Rekruten (im November 2019): In der Coronakrise bisher nur eine Nebenrolle

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, Rekruten (im November 2019): In der Coronakrise bisher nur eine Nebenrolle

Foto: Getty Images/Sean Gallup

In der Bundeswehrführung sind sie schon länger auf der Suche. Wo, fragen sich viele Generäle seit Wochen, ist eigentlich die Verteidigungsministerin? Die Kanzlerin meldet sich in der Coronakrise zu Wort, der Gesundheitsminister sowieso, der Finanzminister, der Wirtschaftsminister, der Innenminister, der Außenminister und noch das eine oder andere Kabinettsmitglied. Nur von der Verteidigungsministerin war bisher wenig zu hören.

Am Donnerstag nun ist Annegret Kramp-Karrenbauer wieder aufgetaucht. Gemeinsam mit Generalinspekteur Eberhard Zorn erschien sie in Berlin vor der Bundespressekonferenz - sicherheitshalber mit einem leeren Stuhl Abstand.

Drei Botschaften wollten die Ministerin und der oberste Soldat der Bundeswehr loswerden:

  • Erstens: Die Truppe steht bereit.

  • Zweitens: Der Einsatz kann sehr lange dauern.

  • Drittens: Anders als in Belgien, Frankreich und Italien werden in Deutschland auch in Zukunft keine bewaffneten Soldaten auf der Straße patrouillieren.

Die Bundeswehr kämpft im Moment gleich an zwei Fronten. Sie muss versuchen, die Ausbreitung des Virus in den eigenen Reihen möglichst einzudämmen. Das geht nur mit erheblichen Einschränkungen des Truppenalltags. Gleichzeitig aber muss sie einsatzbereit sein, wenn die zivilen Behörden in dieser Krise an den Rand ihrer Möglichkeiten kommen.

Es gebe 397 Corona-Verdachtsfälle bei der Truppe, sagte Generalinspekteur Zorn, 52 Soldaten seien positiv getestet worden, 49 davon befänden sich in häuslicher Quarantäne, zwei würden im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm behandelt. In allen Einrichtungen habe man die Anwesenheit reduziert und einen Schichtbetrieb eingeführt. Viele Soldaten arbeiteten zu Hause, die Führungsfähigkeit aber sei sichergestellt.

Das also ist die Lage in den Streitkräften. "Gerade in diesen schwierigen Zeiten kann sich die Bevölkerung auf ihre Bundeswehr verlassen", beteuerte die Ministerin. Und machte klar, dass die Truppe erst dann richtig zum Einsatz kommen werde, wenn die zivilen Behörden und Organisationen "an das Ende ihrer Leistungsfähigkeit gekommen sind". Dann allerdings habe man einen "Marathon" vor sich, bei dem es darauf ankomme, seine Fähigkeiten auch über "lange Strecken vorzuhalten".

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Die Bitten um Amtshilfe sind in den vergangenen Tagen zwar deutlich gestiegen, aber noch spielt die Bundeswehr in der Krise eher eine Nebenrolle. Sie hilft vor allem dabei, medizinisches Material zu beschaffen, Feldbetten bereitzustellen und Lagerkapazitäten für zivile Einrichtungen vorzuhalten. Das umstrittene Koblenzer Beschaffungsamt der Bundeswehr hat inzwischen die Lieferung von 300.000 Schutzbrillen vertraglich vereinbart und weitere 36 Verträge mit einem Volumen von etwa 241 Millionen Euro abgeschlossen.

Die Truppe habe Beatmungsgeräte aus den Einsatzlazaretten in die fünf Bundeswehrkrankenhäuser nach Deutschland verlagert, sagte Kramp-Karrenbauer, aber dort seien schon jetzt etwa 60 bis 70 Prozent der Patienten Zivilisten. Man dürfe den Beitrag des Sanitätsdiensts der Bundeswehr nicht überschätzen. Mit etwa 3000 Ärzten, so die Ministerin, sei die Truppe "im deutschen Gesundheitswesen nur ein Juniorpartner".

Denkbar sei, dass die Bundeswehr im Notfall mit ihren zwölf Logistik- und Versorgungsbataillonen Transportaufgaben übernehmen werde, erklärte der Generalinspekteur. Das Logistikzentrum in Wilhelmshaven sei auf entsprechende Anfragen vorbereitet und könne etwa 7500 Lastwagen mit einer Transportleistung von 43.000 Tonnen bereitstellen.

Und was ist, wenn es zu einer Ausgangssperre kommt? Sicherheit und Ordnung seien Sache der zivilen Sicherheitsbehörden, betonte die Ministerin. Hier werde es "nur unter engen Voraussetzungen" Amtshilfe geben. Als Beispiel nannte sie den Schutz von Wasser- oder Elektrizitätswerken. Wenn dort das zivile Wachpersonal durch Krankheit ausfalle, "können wir übernehmen". Die Bitte aus Thüringen, zehn Soldaten zur Bewachung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Suhl abzustellen, ist von den Juristen des Verteidigungsministeriums als nicht genehmigungsfähig beurteilt worden.

Das zeigt, wie hoch die Schwelle für einen möglichen Einsatz der Truppe im Inneren ist.

"Es braucht sich keiner Sorgen machen, dass die Bundeswehr Corona-Partys auflöst oder Ausgangssperren überwacht", beteuerte Zorn, "wir werden hier keinen Aufmarsch erleben".

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