Bundeswehr in Afghanistan Köhler entfacht neue Kriegsdebatte

Bundespräsident Köhler bei Truppenbesuch in Afghanistan: "Keine glückliche Formulierung"
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaBerlin - Diese Sätze haben es in sich. Es sind Äußerungen des Bundespräsidenten. Gesprochen in das Mikrofon eines Deutschlandradio-Reporters. Nun sorgen seine Worte für Empörung. Der Bundespräsident hatte das Interview schon am Rand seines Truppenbesuchs in Afghanistan gegeben, letzten Samstag ist es über den Äther gegangen - doch die politische Debatte darüber nimmt jetzt Fahrt auf.
Worum geht es? O-Ton :
"Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."
Was meint das Staatsoberhaupt? Bundeswehreinsätze, um deutsche Wirtschaftsinteressen durchzusetzen? War nicht bislang vor allem die Rede von der deutschen Sicherheit, die es zu verteidigen gelte? Vom Kampf gegen Terroristen?
Zumindest für die Opposition ist die Sache klar.
"Köhler schadet der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr", befindet , der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Deutschland führe in Afghanistan "keinen Krieg um Wirtschaftsinteressen, sondern es geht um unsere Sicherheit". Wer anderes behaupte oder fordere, "redet der Linkspartei das Wort. Wir wollen keine Wirtschaftskriege", so Oppermann.
"Höchst irritierend"
Auch Verfassungsrechtler Ulrich Preuß von der Berliner Hertie School of Governance stößt sich an Köhlers Sätzen. "Das ist eine durch das Grundgesetz schwerlich gedeckte Erweiterung der zulässigen Gründe für einen Bundeswehreinsatz um wirtschaftliche Interessen", sagt er SPIEGEL ONLINE. Ganz abgesehen von der juristischen Fragwürdigkeit hält er Köhlers Einlassungen politisch für "höchst irritierend". "Da ist ein imperialer Zungenschlag erkennbar", meint der Jurist. "Mich erinnert das an die englischen Imperialisten des 19. Jahrhundert, die mit ähnlichen Argumenten ihre Seeherrschaft verteidigten."
Linke-Chef meint, Köhler habe "offen gesagt, was nicht zu leugnen ist". In Afghanistan würden Bundeswehrsoldaten "Gesundheit und Leben für die Exportinteressen riesiger Konzerne" riskieren. Das sei "ein Krieg um Einfluss und Rohstoffe" und nicht das, was der Bundestag mit seinem Mandat abgedeckt habe.
Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt findet Köhlers Äußerungen "bestenfalls unglücklich". Sie würden ein "gefährlich falsches Verständnis von Auslandseinsätzen" entlarven. Der Präsident rede "offenbar in Unkenntnis über die ausführliche Debatte um den Afghanistaneinsatz", so Schmidt zu SPIEGEL ONLINE: "Er sollte seine Äußerungen schnellstens richtig stellen."
Köhlers brisante Worte - sie sind im Internet abrufbar - wären beinahe untergegangen. Im Interview mit dem Deutschlandradio fallen sie erst am Ende. Zuvor fordert er mehr "Respekt und Anerkennung" der Gesellschaft für die Arbeit der deutschen Soldaten in Afghanistan ein. Man kämpfe dort "auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen".
Diese Argumentation ist die bekannte. Die Verknüpfung des militärischen Engagements mit ökonomischen Interessen aber, das hat bislang noch kein Politiker von Rang und Namen öffentlich gewagt.
Dabei wird auch im aktuellen Weißbuch der Bundesregierung auf wirtschaftliche Faktoren angespielt - wenn auch vorsichtiger. Die Sicherheitspolitik Deutschlands werde auch von dem Ziel geleitet, die "Interessen unseres Landes" zu wahren und den "freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes zu fördern", heißt es darin. Die "Sicherheitspolitik" wohlgemerkt, und die ist im Weißbuch sehr weit gefasst. Militärische Mittel sind da nur eines von vielen Instrumenten. Aber auch so sorgte die Formulierung im Jahr 2006, als das Weißbuch veröffentlicht wurde, für viel Wirbel.
(CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, gesteht zu, dass sich Köhler "etwas missverständlich ausgedrückt" habe. Der Bundespräsident habe aber "keine neue Militärdoktrin für Deutschland verkünden", sondern nur deutlich machen wollen, dass Deutschland seinen Beitrag zu internationaler Sicherheit und Stabilität leiste, sagt Polenz im Deutschlandfunk. Und dabei habe Deutschland natürlich ein Interesse an freien Handelswegen: "Sie sehen das ja beispielsweise am internationalen Einsatz gegen Piraterie am Horn von Afrika." Voraussetzung sei selbstverständlich immer ein "klares völkerrechtliches Mandat".
Dann aber wird auch der Unionspolitiker deutlicher: Köhlers Äußerung sei "keine besonders glückliche Formulierung, um es vorsichtig auszudrücken". Man kritisiere aber den Bundespräsidenten in seiner Amtsführung "möglichst nicht".