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Probleme der Bundeswehr: Verunsichert und überfordert

Foto: Jens B¸ttner/ picture alliance / dpa

Jahresbericht des Wehrbeauftragten Die angegriffene Truppe

Quälende Auslandsmissionen, zerrüttetes Familienleben, ein kaum zumutbares Pendlerpensum: Viele Soldaten der Bundeswehr sind am Limit, warnt der Wehrbeauftragte Königshaus. Sein Jahresbericht zeigt, wie verunsichert die Männer und Frauen der Truppe sind.

Hamburg/Berlin - Die Bundeswehr steht vor großen Umbrüchen - und das belastet die Soldaten stark. Immer wieder treten sie an den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus heran und schildern ihre Probleme. In seinem Jahresbericht zeichnet er ein düsteres Bild vom Zustand der Truppe. Große Sorgen belasten die rund 184.000 Männer und Frauen in der Bundeswehr. Viele seien verunsichert, "ob und, falls überhaupt, wo und mit welcher Aufgabe sie künftig ihren Platz in der neuen Bundeswehr finden werden".

Die konkreten Nöte beschreibt der Wehrbeauftragte auf 100 Seiten.

Auslandseinsätze: Fast 5000 deutsche Soldaten sind im Ausland eingesetzt, in mehr als zehn Ländern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen plädiert dafür, das militärische Engagement Deutschlands in Krisengebieten auszuweiten. Der Wehrbeauftragte warnt jedoch: Bereits jetzt stoße die Bundeswehr an ihre Grenzen. Viele Soldaten klagten über zu häufige Einsätze und zu kurze Regenerationszeiten. Nach vier Monaten im Ausland sollen die Rückkehrer 20 Monate einsatzfrei gehalten werden. Doch diese Regeln hält die Truppe nur begrenzt ein. Brennpunkt bleibt Afghanistan. Derzeit werden Personal und Material abgezogen, die Soldaten vor Ort müssen aber ausreichend abgesichert werden. Denn die Lage bleibt gefährlich, erst im Dezember gab es einen Anschlag auf einen deutschen Konvoi nahe Kabul.

Vereinbarkeit von Familie und Dienst: Laut dem Wehrbeauftragten leidet das Familienleben vieler Soldaten. Weit mehr als 50 Prozent der Soldaten pendeln zwischen Wohn- und Dienstort. Häufige Umzüge belasteten die Familie. Neue Kindergärten oder Schulen müssten gesucht werden, oft auch eine Arbeitsstelle für den Partner. Viele Soldaten fühlten sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen, so Königshaus. Ein Berufssoldat etwa, der sechsmal im Ausland eingesetzt wurde und in Deutschland immer wieder umgezogen ist, rechnet vor: Er habe von den vergangenen 22 Monaten nur sechs Monate bei seiner Familie verbracht. "Durch die dauernde Trennung bin ich psychisch und physisch am Limit angelangt und das mit 42 Jahren." Der Mann habe seine Entlassung beantragt. Dabei hat Ministerin von der Leyen die "familienfreundliche Bundeswehr"jüngst zu einem Schwerpunkt ihrer Amtszeit erklärt, sie setzt sich unter anderem für "eine moderne Arbeitszeitregelung" ein.

Rechtsextremistische Vorfälle: Im Jahr 2013 wurden 58 "einschlägige Vorkommnisse" mit Verdacht auf rechtsextremistischen, antisemitischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund gemeldet. Im Vorjahr waren es 67 Fälle. Meistens handelte es sich um "Propagandadelikte", zum Beispiel das Hören antisemitischer und fremdenfeindlicher Musik oder das Zeigen des Hitlergrußes.

Frauen in der Bundeswehr: Rund 18.500 Frauen gehören der Truppe an. Eine Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr macht deutlich, wie sehr Frauen beim Bund unter den Vorurteilen ihrer männlichen Kameraden leiden. Fast ein Drittel der Soldaten glaubt, dass ihre Kameradinnen einen schlechteren Job machen. 32 Prozent sind überzeugt, Frauen würden von ihren Vorgesetzten bevorzugt. Laut Königshaus' Bericht wurden werdende Mütter Opfer von Diskriminierung. Ein Vorgesetzter erklärte einer erneut schwangeren Soldatin, diese habe "aufgrund der charakterlichen Grundeinstellung kein ernsthaftes Interesse daran, in den Dienst zurückzukehren, sondern wolle vielmehr im Status 'Krank zu Hause' das Gehalt kassieren".

Sexuelle Übergriffe: Im vergangenen Jahr wurden laut Bericht des Wehrbeauftragten offiziell 64 "besondere Vorkommnisse" in Bezug auf sexuelle Übergriffe gemeldet. So wurden Soldatinnen Opfer von männlichen Kameraden oder Unbekannten. In anderen Fällen richteten sich die Übergriffe von Soldaten gegen weibliche Zivilpersonen außerhalb der Bundeswehr. Die Opfer hatten oft Hemmungen, Übergriffe zu melden - sie fürchten laut Königshaus zum Beispiel berufliche Nachteile. Auch aus der Studie des Zentrums für Militärgeschichte wird deutlich: Sexuelle Übergriffe besonders gegen Frauen sind ein Problem. Mehr als die Hälfte der Befragten berichtete, verschiedenen Formen von Belästigung ausgesetzt gewesen zu sein.

Psychische Erkrankungen: 2013 sind die psychischen Erkrankungen von Soldaten, die im Ausland eingesetzt und dort teilweise in Kämpfe verwickelt waren, deutlich angestiegen. Laut dem Psychotraumazentrum Berlin leiden rund ein Viertel aller Rückkehrer an psychischen Störungen. Rund 1500 Fälle von posttraumatischen Belastungsstörungen mussten 2013 nach internen Schätzungen der Bundeswehr behandelt werden, davon rund 200 neue Fälle. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher. Die Bundeswehr habe Verfahren zur Früherkennung solcher Krankheiten entwickelt, auch würden Angehörige in die Behandlung einbezogen, lobt der Wehrbeauftragte.

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