Aufnahmerituale bei der Bundeswehr Nicht nur ein Spaß unter Kameraden

Eingang zur Staufer-Kaserne der Bundeswehr in Pfullendorf
Foto: Thomas Warnack/ dpaAm Ende des Tages, mittlerweile ist es schon 18.30 Uhr, sehen die vier früheren Soldaten im Verwaltungsgericht Sigmaringen ziemlich geknickt aus. Leise tuscheln sie mit ihren Anwälten. Dann wollen sie nur noch raus auf die Straße, stecken sich Zigaretten an und ziehen tief an ihnen. Fragen wollen sie lieber keine beantworten.
Der Tag ist schlecht gelaufen für sie. Nach gut drei Stunden Verhandlung bei mehr als 35 Grad Hitze hat der Vorsitzende Richter eben das Ende ihrer Zeit bei der Bundeswehr endgültig besiegelt. Kurz und knapp urteilte er, dass die Kündigung der Soldaten nicht nur rechtlich in Ordnung, sondern sogar zwangsläufig war.
Die Bundeswehr hatte die jungen Soldaten zwischen 19 und 21 Jahren Anfang Februar fristlos entlassen. Kurz zuvor hatte sich ein Kamerad bei den Vorgesetzten in der Staufer-Kaserne in Pfullendorf gemeldet. Ziemlich verängstigt berichtete er von brutalen Aufnahmeritualen unter den Mannschaftssoldaten.
Die Ermittlungen ergaben schnell, dass die Rituale in der Elite-Kaserne in Pfullendorf ziemlich normal waren. Als "Taufe" wurden Neulinge nachts regelmäßig aus ihren Stuben geholt, bekamen einen Stiefelsack über den Kopf. Dann wurden sie im Duschraum mit kaltem Wasser abgespritzt, einige wurden dafür sogar an Stühle gefesselt.
Richter bestätigen harte Haltung der Bundeswehr
Wie die "Taufen" abliefen, wussten die Richter in Sigmaringen ziemlich genau. Auf einem der Telefone der Soldaten hatten Ermittler ein Video gefunden. Darauf sind die maskierten Soldaten zu sehen, wie sie einen Neuling aus dem Bett zerren und ihn in die Dusche schleifen. Die anderen Soldaten grölen und feixen dabei laut. Für die vier Soldaten, so jedenfalls ihre Anwälte, waren genau diese nächtlichen Eskapaden in den Unterkünften lediglich "ein Spaß unter Kameraden". In den meisten Fällen hätten sie die späteren "Opfer" vor der Tortur sogar gefragt, ob sie mitmachen wollten. Einige sagten tatsächlich später aus, ihnen habe die Aktion sogar gefallen.
Die Bundeswehr hingegen verstand im Frühjahr 2017 gar keinen Spaß. Unverzüglich wurde fünf beteiligten Soldaten fristlos gekündigt, man wollte ein Zeichen setzen, dass solche aus Hollywood-Filmen wie "Eine Frage der Ehre" bekannten Rituale in der Bundeswehr keinen Platz haben.

Vertreter der Bundeswehr vor Gericht
Foto: Thomas Warnack/ dpaDie Richter bestätigten die Haltung und wiesen die Klage gegen den Rauswurf ab. Die brutalen Spielchen sieht das Gericht nicht nur als Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht, vielmehr würden sie die militärische Ordnung in der Truppe gefährden. "Das Eingangsritual ist das Gelöbnis, nicht anderes", konstatierte der Richter. Der Bundeswehr räumte der Richter weitgehende Freiheit bei der Bestrafung bei Entgleisungen von Soldaten ein. "Es muss dem Dienstherrn freistehen, einer solchen Disziplinlosigkeit entgegenzuwirken", sagte er in der Urteilsbegründung. Die Truppenführung müsse auch durch harte Strafen Zeichen setzen.
Mit dem Urteil ist die Strategie der Anwälte zunächst gescheitert. Immer wieder versuchten sie, ihre jungen Mandanten als "Bauernopfer" der Verteidigungsministerin darzustellen. Durch den Rausschmiss habe Ursula von der Leyen sich als harte Aufklärerin von Missständen in ihrer Truppe öffentlich profilieren wollen.
Von der Leyen hat die Krise noch nicht ausgestanden
Tatsächlich waren die Rituale für das Ministerium im Januar eine Art letzter Beweis, dass in Pfullendorf einiges falsch lief. Im Fokus dabei stand allerdings das Sanitäts-Training, bei dem Ausbilder sadistisch-sexuelle Praktiken in den Lehrplan aufgenommen hatten und Vorgesetzte nach Beschwerden eher gemächlich ermittelten.
Seit von der Leyen das Thema öffentlich anprangerte, steht sie in der Kritik, scharf wie nie wird aus der Truppe auf sie geschossen. So vertreten mittlerweile bis hinauf in die Militärführung viele die Meinung, die Ministerin habe den Fall Pfullendorf und den des rechtsextremen Oberleutnants Franco A. einzig für die Eigen-PR aufgebauscht.
Eben diese Kritiker von der Leyens meinen bis heute, dass in der Staufer-Kaserne gar nichts aus dem Ruder gelaufen ist. Ein bisschen Härte bei der Ausbildung sei nötig, hört man von Generälen des Heeres dieser Tage häufig. Als Beleg wird gern angeführt, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Ausbilder fallengelassen wurden. Durch das klare Urteil erhält die Ministerin nun erstmals seit Wochen Rückendeckung für ihre harte Linie. Hätte das Gericht die Kündigung für nichtig erklärt, wären die vier Soldaten zu Helden des Widerstands gegen von der Leyen geworden. Dass der Richter die Entlassung nun als alternativlos darstellte, sorgte im Ministerium für Erleichterung.
Ausgestanden ist die Krise indes noch nicht. So ist der Riss zwischen Ministerin und Truppe kaum mehr zu kitten. Angeblich wollen einige Generäle sogar bald bei der CDU-Spitze darauf drängen, dass nach der Wahl ein neuer Hausherr in den Bendler-Block zieht. So richtig mag kaum noch jemand an eine zweite Amtszeit von der Leyens als Befehlshaberin glauben.