
Bundeswehrausrüstung: Bedingt einsatzbereit
Neuer Mängelbericht der Bundeswehr Von der Leyens Truppe leistet Offenbarungseid
Berlin - Stunde der Wahrheit für die Bundeswehrführung: Unter dem Titel "Materielle Einsatzbereitschaft der Teilstreitkräfte" präsentierten die Inspekteure von Heer, Luftwaffe und Marine dem Verteidigungsausschuss des Bundestags einen zehnseitigen Bericht, der nicht nur die massiven Lücken vor allem bei den Hubschraubern der Marine darstellt. Auch bei der Luftwaffe sind die wenigen verfügbaren Flugzeuge durch die aktuellen Einsätze demnach kurz vor der Überlastung. Weitere Aufgaben kann die fliegende Truppe nicht mehr bewältigen, von "kreativer Mangelverwaltung" war die Rede.
Besonders dramatisch ist die Lage bei den Hubschraubern der Bundeswehr: So verfügt nicht nur die Marine über wenige einsatzfähige Helikopter, auch die beim Heer eingesetzten Modelle vom Typ NH90 und "Tiger" müssen größtenteils wegen technischer Defekte am Boden bleiben.
In dem Bericht, der mit Ampelsymbolen illustriert ist, sind knallrote Symbole zu sehen. Konkret verfügbar sind von den 31 "Tiger"-Modellen nur zehn, von den 33 NH90 sind nur acht startbereit. Bei den Waffensystemen sieht es noch schlechter aus, sie gelten als "nicht versorgungsreif".
Der Ausschuss hatte den Bericht nach immer neuen Horrormeldungen in den Medien angefordert, nun macht das Papier die ganze Misere der Truppe von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) sichtbar. Dabei stellt das Papier die Lage noch schonend dar oder versucht es zumindest. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass bis auf vier Helikopter die gesamte fliegende Marine-Flotte nicht flugfähig ist. In dem Papier, das die dramatischen Zahlen bestätigt, steht die Symbol-Ampel an dieser Stelle trotzdem noch auf Gelb-Rot, und es wird lediglich von "unvorhergesehen Reparaturen" an den Fliegern gesprochen.
Ähnlich geschönt wirkt die Darstellung bei der Luftwaffe, auch hier steht in dem Dokument jeweils eine grüne Ampel. Die Zahlen ergeben ein anderes Bild: Von 109 "Eurofighter"-Jets sind nur 42 einsatzbereit, bei den "Tornados" sind es 38 von 89. Die altersschwache Flotte der "Transall"-Transportflieger weist von 56 Maschinen nur noch 24 flugtaugliche Modell auf, bei den Hubschraubern vom Typ CH-53 sind es von 83 im "Buchbestand" nur ganze 16, von den 13 "Patriot"-Raketenabwehrsystemen sind nur etwas mehr als die Hälfte derzeit funktionstüchtig.
Luftwaffeninspekteur Karl Müllner gestand dann auch ein, dass er gerade noch zwei sogenannte Alarmrotten, die aus jeweils zwei Kampfjets bestehen, zum Abfangen feindlicher Kampfjets über Deutschland und vier Eurofighter-Jets für den Nato-Einsatz über den baltischen Staaten bereitstellen kann.
Doch nicht nur bei den Fliegern gibt es massive Defizite. Zwar ist die Panzertruppe technisch gut aufgestellt. Der Inspekteur des Heeres musste trotzdem eingestehen, dass beim "Boxer" von 180 Modellen nur 70 einsatzfähig sind.
Bestellstopp für Ersatzteile
Im Ausschuss sorgte die Darstellung der Lage mehrfach für Streit. Selbst Rainer Arnold von der SPD und damit Mitglied der Großen Koalition, kritisierte, mit der aktuellen Truppe könne man international nicht antreten: Die Ansprüche von der Leyens und die Wirklichkeit der Bundeswehr passten nicht mehr zusammen.
Alle Verteidigungspolitiker fragten bei der Präsentation nach den Gründen für die desolate Lage. Als Antwort bekamen sie zu hören, dass das Wehrressort im Jahr 2010 im Zug der Finanzkrise einen Bestellstopp für Ersatzteile angeordnet habe. Davon hätten sich Hubschrauber- und Flugzeugflotte nie erholt. SPD-Mann Arnold stellte daraufhin klar, dass er als SPD-Politiker nicht für Fehler der schwarz-gelben Vorgängerregierung verantwortlich sein wolle.
Eine Lösung für die Probleme ist nicht in Sicht. Generalinspekteur Volker Wieker gestand ein, dass "der geschilderte Zustand noch einige Jahre erhalten bleiben" wird. Bei den Hubschraubern sei die Lieferung von neuen Modellen problembehaftet, bei den Flugzeugen sehe es ähnlich aus. Am Rande der Sitzung kam auch noch heraus, dass sich die seit Jahren immer wieder verzögerte Auslieferung des neuen Transportfliegers A400M mindestens noch einen Monat auf den Dezember verschieben wird.
Ursula von der Leyen fehlte bei der wichtigen Sitzung im Bundestag, sie hatte Termine im Ministerium im Bendlerblock. Dennoch stellte sie wenig später bei einem Termin recht selbstbewusst fest, ihre Truppe sei "hochleistungsfähig".
Ein bisschen klang die Ministerin, die alles anders machen wollte, dabei wie ihre Vorgänger: Bei den Fliegern von Luftwaffe und Heer sei man lediglich in einer Umbruchphase, die es nun zu überwinden gelte.
Bundeswehr - Einsatzbereitschaft der Waffensysteme (Auszug)
Waffensystem | Gesamtbestand | verfügbar | einsatzbereit |
---|---|---|---|
Hubschrauber "Tiger" | 31* | 10 | 10 |
Hubschrauber 90 | 33* | 8 | 8 |
Hubschrauber "Sea King" | 21 | 15 | 3 |
Hubschrauber "Sea Lynx" | 22 | 18 | 4 |
Hubschrauber CH 53 | 83 | 43 | 16 |
Flugzeug "Eurofighter" | 109 | 74 | 42 |
Flugzeug "Tornado" | 89 | 66 | 38 |
Korvette K130 | 5 | 2 | 2 |
U-Boot U212 | 4 | 1 | 1 |
Fregatten | 11 | 8 | 7 |
Panzer "Marder" | 406 | 280 | 280 |
Panzer "Boxer" | 180 | 70 | 70 |
verfügbar = in Betrieb inkl. Systeme in Wartung/Instandsetzung
einsatzbereit = sofort für Einsatz/Übung/Ausbildung bereit
*inklusive Vorserienmodelle
Quelle: Bundeswehr