Ermittlungen der Bundeswehr Wie rechts tickt das Kommando Spezialkräfte?

KSK-Soldat beim Training (im März 2017 in Magdeburg)
Foto: Kay Nietfeld/ dpaIn der bunten Welt der Bundeswehr-Personalwerbung wirkt der Alltag der deutschen Elitesoldaten wie ein großes Abenteuer. Getarnt und schwer bewaffnet robben die Teams des Kommandos Spezialkräfte (KSK) durch den Schlamm, zwischendurch wummert Techno-Musik. "Kämpfe nie für dich allein", heißt es am Ende des YouTube-Films. Mit den schnell geschnittenen Clips will die Bundeswehr junge Rekruten zur Truppe locken, so viel Erlebnis wie beim KSK kann ja schließlich nicht jeder bieten.
In der realen Welt kommt das KSK, mit etwa 1100 Mann eine der kleinsten und am stärksten abgeschirmten Einheiten, derzeit nicht so gut weg. Vergangene Woche meldete das Heer an das Verteidigungsministerium, man habe mit Oberstleutnant Daniel K. ein Gründungsmitglied des KSK suspendiert. Zuvor hatte der Militärgeheimdienst MAD seine Erkenntnisse vorgelegt. Demnach sei K. eine "Person mit extremistischen Einstellungen", mutmaßlich ein Anhänger der sogenannten Reichsbürger, deren Ansichten er im Netz verbreite.
K. protestierte heftig gegen seine Suspendierung. Er sei lediglich ein "zutiefst nationalkonservativer Patriot, aber definitiv kein sogenannter Nazi", schrieb er an seine Kameraden. Er sieht sich als Opfer, schließlich stehe er "mit meinem Typus bestimmten medialpolitischen, aber auch feigen opportunistischen Kräften in Uniform im Weg". Verziert ist das Schreiben mit zwei gekreuzten Schwertern und einer Deutschland-Fahne.
Der Fall K. wirft Fragen auf. Aus der Truppe ist zu hören, dass er schon lange wegen seiner stramm nationalen Einstellung aufgefallen war. Bisher reichte das nie aus, um gegen den Offizier disziplinarisch vorzugehen. Dazu hätte der MAD ihn als Extremisten bewerten und Beweise haben müssen, dass er die freiheitlich-demokratische Grundordnung überwinden und dafür Gewalt einsetzen will.
Diese Definition offenbart das Dilemma des MAD. Zwar kann der Dienst bei plumpen Neonazis, die Parolen rufen oder Nazi-Kennzeichen tragen, schnell zuschlagen. Bei extremistischem Gedankengut der "Reichsbürger", die den Staat nicht anerkennen, wird es schwieriger. "Pöbelnde Soldaten, die den Hitler-Gruß zeigen, werden wir schnell los", sagt ein Ermittler, "unser Problem sind kluge Soldaten mit extremistischem Gedankengut, das nicht zwingend strafbar ist."
In diese Kategorie von "Personen mit extremistischen Einstellungen" fällt auch K., der bereits 2007 durch einen Hassbrief an eine kritische Soldatengruppe aufgefallen war. "Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht", schrieb er damals. Von einem KSK-Mann, jahrelang darauf trainiert, im Ernstfall Menschen zu töten, wirken solche Sätze durchaus bedrohlich.
"Die Alarmglocken hätten viel früher schrillen müssen"
Für die Grünen zeigen die Vorgänge um K., dass man beim KSK genauer hinsehen muss. "Menschen, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen, dürfen keinen Zugang zu Waffen und militärischer Ausbildung haben", sagt Verteidigungsexpertin Agniezska Brugger. Zudem will sie die Frage klären, warum K. erst jetzt suspendiert wurde. "Offensichtlich hätten in diesem Fall viel früher die Alarmglocken schrillen müssen", so Brugger.

Soldaten trainieren in Calw auf dem Kasernengelände des KSK
Foto: Franziska Kraufmann/ dpaDie Frage, wieso K. trotz der eindeutigen Drohung beim KSK verblieb und über die Jahre vom Hauptmann zum Oberstleutnant befördert wurde, ließ die Bundeswehr am Freitag unbeantwortet. Eine Sprecherin Ursula von der Leyens erklärte nur, Extremismus habe in der Truppe keinen Platz. Zum Skandalfall des Offiziers, der bis zur Suspendierung eine Auswertungseinheit des KSK befehligte, dürfe sie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nichts sagen.
Dabei ist K. kein Einzelfall: Nach SPIEGEL-Informationen beobachtet der MAD insgesamt zwölf Verdachtsfälle von KSK-Soldaten, die nach eingehender Prüfung in die Kategorie "Personen mit extremistischen Einstellungen" eingestuft wurden. Bei einer Einheit von nur etwas mehr als tausend Mann ist die Zahl der Verdachtsfälle überraschend hoch. Zumal sich die Frage stellt, wie Soldaten mit solcher Gesinnung die regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen der Stufe 3 überstehen.
Fünf der Verdachtsfälle sind wegen eines mehr als fragwürdigen Vorgangs innerhalb des Kommandos aufgefallen.Damals hatte das KSK für einen scheidenden Offizier auf einer Schießanlage eine griechisch-römische Mottoparty organisiert. Der Alkohol floss reichlich, für den Sieger von Wettbewerben wie Schweinekopfwerfen wurde eine junge Frau "als Hauptpreis" eingeladen. Sie sagte später aus, am Ende hätten mehrere Soldaten den Hitler-Gruß gezeigt und Rechtsrock gehört.
Korpsgeist macht Ermittlungen schwierig
Einer der Soldaten, der scheidende Oberstleutnant Pascal D., hat wegen der Vorwürfe mittlerweile einen Strafbefehl über 4000 Euro akzeptiert. Intern aber ermittelt die Bundeswehr weiter gegen mehrere Kameraden, da diese in ihren Aussagen gleichlautend behaupteten, die Zeugin habe sich die Sache mit dem Hilter-Gruß nur ausgedacht. Bei der Staatsanwaltschaft heißt es dazu, die KSK-Leute hätten ihre Aussagen offenkundig abgesprochen, um ihren Kameraden zu schützen.
Es ist dieser Korpsgeist, der Ermittlungen innerhalb des KSK so schwierig macht. Zentrale Punkte der harten Ausbildung der fast ausschließlich männlichen Truppe sind der bedingungslose Zusammenhalt, unverbrüchliche Kameradschaft und strikte Verschwiegenheit über die Missionen. Folglich klärt die Truppe Fehlverhalten fast immer nur intern. Bei verdienten Kampfgenossen wie Daniel K. oder Pascal D. wurden rechtsnationale Aussagen offenbar über lange Zeit geduldet.
Der Fall Pascal D. zeigt auch, wie lange die Vorgesetzten bei KSK-Soldaten mit Strafmaßnahmen zögern. So dauerte es mehr als ein Jahr, bis D. im November 2018 schließlich vom Dienst suspendiert wurde. Bereits im Juni des Jahres hatte ihn seine Ex-Freundin bei Vernehmungen der Bundeswehr schwer belastet und ausgesagt, D. äußere daheim offen seine rechte Gesinnung. Die Bundeswehr aber verwies sie zunächst weiter an die Polizei und wartete die staatlichen Ermittlungen ab.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Oberstleutnant, der einen Strafbefehl über 4000 Euro akzeptiert hat, heiße Patrick D. Richtig ist, dass er Pascal D. heißt. Wir haben das korrigiert.