Bundeswehr-Werbung für Jugendliche Palmen, Party, Panzerfahren

Werbung für das "BW-Adventure-Camp" auf Bravo.de: "Absolut inakzeptabel"
Berlin/Hamburg - Popmusik, dazu schnell geschnittene Urlaubsbilder mit Bergidylle und strahlend weißem Strand - so wirbt die Bundeswehr in einem Videoclip für ihre "Adventure Camps". Mit einer "echten Bundeswehrmaschine" geht es für die Jugendlichen nach Sardinien, per Bahn in die Berge. Dort warten "krasse Wasserwettkämpfe" und "schwindelerregend hohe Klippen" zum Abseilen. Präsentiert wird das ganze auf der Webseite des Jugendmagazins "Bravo", das auch als Medienpartner auftritt. Ziel der fröhlich-bunten Kampagne ist es offenbar, dem Nachwuchs eine Karriere bei den Streitkräften schmackhaft zu machen.
Für das Kinderhilfswerk Terre des Hommes ist diese Form der Nachwuchswerbung "absolut inakzeptabel". "Diese irreführende Reklame in Jugendmedien verletzt die Prinzipien der Uno-Kinderrechtskonvention und die besonderen Schutzpflichten des Staates gegenüber Kindern", sagt Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte bei Terre des Hommes. Die Bundeswehr gab trotz mehrfacher Anfrage von SPIEGEL ONLINE zunächst keine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
Die Werbungsgegner stört besonders, dass die Kampagnen der Bundeswehr in eine Lücke an den Schulen stoßen. "Wir sind der Meinung, dass die Friedenserziehung gestärkt werden sollte", sagt Willinger - so wie es die Kinderrechtskonvention vorsieht. "Denn zurzeit findet diese, je nachdem an welcher Schule Sie schauen, gar nicht oder nur sehr wenig statt." Dass die Bundeswehr gezielt Schüler mit ihren Kampagne anspreche, sei da besonders schlimm. "Wir sagen nicht, dass die Bundeswehr überhaupt nicht werben sollte. Sie soll nur die Kinder in Ruhe lassen."
Zweifel an Aufklärungsarbeit der Bundeswehr
Aufgrund eines Zusatzprotokolls zur Kinderrechtskonvention verpflichtet sich Deutschland, keine Minderjährigen für die Armee anzuwerben, wenn sie nicht mindestens 17 Jahre alt sind und "über die mit dem Militärdienst verbundenen Pflichten umfassend aufgeklärt" wurden.
Kinderrechtler zweifeln an der Aufklärungsarbeit der Bundeswehr. Die Werbeaktionen suggerierten, dass es sich bei Bundeswehr-Einsätzen um Abenteuerausflüge handele, sagt Roland Blach. Er ist Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft Baden-Württemberg, die die Aktion "Schulfrei für die Bundeswehr" ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit anderen Trägerorganisationen tritt die Aktion gegen den Einsatz von Jugendoffizieren an Schulen ein. "Was es bedeutet, in den Krieg ziehen zu müssen, darüber spricht die Bundeswehr mit den Jugendlichen nicht", sagt Blach mit Blick auf den Clip.
Bereits im August veranstalteten zwei Panzergrenadierbataillone aus dem bayerischen Regen und dem sächsischen Marienberg Ferienlager. Insgesamt mehr als 80 Jugendliche und junge Erwachsene nahmen, gekleidet in Flecktarn, daran teil. Die Lager hießen "Edelweißcamp" oder "Camp 371". Dort konnten sie in Schützenpanzern mitfahren, durch einen Hochseilgarten klettern oder auch biwakieren. Das Lager in Marienberg sei organisiert worden, weil die Jugendlichen immer wieder nach Praktika gefragt hätten, heißt es bei der Bundeswehr.
"Das ist kein Abenteuer"
Wegen der Aussetzung der Wehrpflicht muss die Bundeswehr stärker um Nachwuchs buhlen als früher. Wehrdienstberater und Jugendoffziere besuchen zwar schon seit Jahrzehnten Schulen und informieren über eine Karriere bei der deutschen Armee. Inzwischen wurden aber auch erste Karriereberatungsbüros eröffnet, und die Truppe wirbt zunehmend mit Anzeigen in verschiedenen Medien. "Die Werbung der Bundeswehr wird immer intensiver: sowohl quantitativ als auch qualitativ", kritisiert Kinderrechtler Willinger. Er sieht mit den aktuellen Videos eine neue Stufe erreicht. Die Kampagne ziele allein auf den Aspekt des lockeren Freizeitspaßes ab und kommt, im Gegensatz zu früheren Videos, komplett ohne Bilder aus dem Bundeswehr-Einsatz aus. "So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen", sagt Willinger.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, kritisiert die Jugendzeitschrift: "Die 'Bravo' sollte den Deal mit der Bundeswehr beenden und ihre Leser lieber über die Grausamkeiten des Krieges aufklären." Mit solchen Aktionen mache sich das Magazin zum "Handlanger der Marketingstrategen von der Hardthöhe", sagt Jelpke. Für Agnieszka Brugger, Grünen-Sprecherin für Abrüstungspolitik, ist die Kampagne als Mittel der Nachwuchsförderung inakzeptabel. "Eine Tätigkeit bei der Bundeswehr ist im Extremfall lebensgefährlich und kein Abenteuer", so Brugger.
Bei der "Bravo" nimmt man die Vorwürfe gelassen. "Die Verantwortung für die Anzeigeinhalte liegt beim Anzeigenkunden - also bei der Bundeswehr", sagt eine Sprecherin. "Aus unserer Sicht ist die Bundeswehr Teil der demokratischen Gesellschaft und ein wichtiger Arbeitgeber, mit einem breiten Angebot an Ausbildungsberufen." Die Bauer Media Group, Herausgeberin der "Bravo", arbeite schon seit mehreren Jahren mit der Bundeswehr in Sachen Werbung zusammen. Moralische Bedenken gebe es dabei nicht: Die Richtlinien für Werbekunden "orientieren sich streng an gesetzlichen und ethischen Vorgaben". Sollte die Kampagne jedoch gegen Uno-Richtlinien verstoßen, werde man über das weitere Vorgehen beraten müssen.