Bundeswehrverband Keine Schonfrist für von der Leyen

Sie ist neu im Job, doch viel Zeit zur Einarbeitung bleibt Ursula von der Leyen wohl nicht. Der Bundeswehrverband drängt die Verteidigungsministerin zu Korrekturen bei der Armeereform. Die Probleme erlaubten keine Schonfrist von 100 Tagen.
Von der Leyen im Bundeswehr-Camp in Masar-i-Scharif (vergangene Woche): "Eigentlich hat sie keine 100 Tage"

Von der Leyen im Bundeswehr-Camp in Masar-i-Scharif (vergangene Woche): "Eigentlich hat sie keine 100 Tage"

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Berlin - Neue Minister haben in der Regel 100 Tage Zeit, um sich in ein neues Ressort einzuarbeiten. Erst dann stellen sie Reformpläne vor, und dann muss sich ein Ressortchef auch für die Probleme seines Hauses rechtfertigen. Der Bundeswehrverband will der neuen Verteidigungsministerin diese Einarbeitungszeit nun offenbar nicht gönnen. Verbandschef André Wüstner sagte, Ursula von der Leyen werde keine 100 Tage Schonzeit haben.

"Sie wird sich sicherlich schnell einarbeiten und durchsetzen", sagte Wüstner der dpa. "Aber eigentlich hat sie keine 100 Tage, weil eben so viele Herausforderungen vor der Tür stehen: Afghanistan, die Neuausrichtung selbst und vieles mehr."

Nach ihrer Ernennung hatte von der Leyen gesagt, sie werde "viel und hart arbeiten müssen", um sich die Materie näherzubringen. Über Weihnachten wollte sie etwa die Rangabzeichen der Bundeswehr lernen.

Wüstner forderte von der CDU-Politikerin nun umgehende Nachbesserungen an der Bundeswehrreform: "Von der Leyen kann am ehesten punkten, wenn sie bestimmte Fehler der Bundeswehrreform schnellstmöglich ausbügelt. Dann wird sie schnellstmöglich die Herzen der Soldaten erreichen."

Wüstners Verband vertritt die Interessen aktiver und ehemaliger Bundeswehrangehöriger. Die Bundeswehrreform war 2010 auf den Weg gebracht worden. Kernpunkte sind die Aussetzung der Wehrpflicht, die Verkleinerung der Truppe von 250.000 auf 185.000 Soldaten und die Schließung von 32 Bundeswehrstandorten. Rund 90 weitere Standorte werden teils drastisch verkleinert. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf verständigt, dass es keine "Reform der Reform", aber gegebenenfalls Nachbesserungen geben werde.

"Menschlicher und sozialer Bereich vernachlässigt"

Auf diese drängt Wüstner nun. Er führte die Probleme bei der Reform unter anderem auf das Tempo der Neuausrichtung zurück. "Wer derart brutal einschneidet, erzeugt immer auch Reformverlierer", sagte er. "Wir sind von der Wehrpflichtarmee extrem schnell in Richtung Freiwilligenarmee marschiert und haben uns fast nur auf Prozesse und Strukturen konzentriert." Der menschliche und soziale Bereich sei außen vor geblieben.

Als Beispiel für Fehler bei der Bundeswehrreform nannte Wüstner personelle Umstrukturierungen, die zu massiv verspäteten Auszahlungen der Beihilfe zu Arztrechnungen geführt haben. Dies sei eine "unsägliche Katastrophe", sagte der Verbandschef. "Wenn da nichts passiert, dann wird es eher schwieriger als besser."

Wüstner forderte angesichts des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung ein Konzept zur Nachwuchsgewinnung für die Bundeswehr. "Die Attraktivitätsoffensive, die im Koalitionsvertrag steht, darf nicht erst in drei Jahren gestartet werden, und es muss klar sein, dass das auch Geld kostet."

fab/dpa
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