Antirassismus-Post Bundeszentrale für politische Bildung nach »Süßkartoffel«-Spruch in der Kritik

Antirassismus-Plakat auf einer Demo in Halle
Foto: Peter Endig / dpaEin auf den ersten Blick unschuldig wirkender Eintrag bei Instagram könnte für die Bundeszentrale für politische Bildung Folgen haben. Bei seiner Antirassismus-Kampagne »saymyname« hatte die dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörde einen Beitrag auf der Fotoplattform gepostet, der weiße Menschen indirekt als »Kartoffeln« bezeichnet. Nach Kritik an dem Beitrag hat das Bundesinnenministerium der Bundeszentrale nun aufgetragen, die gesamte Kampagne auf den Prüfstand zu nehmen.
»Die wichtige Auseinandersetzung mit Rassismus darf nicht so geführt werden, dass andere Gruppen ausgegrenzt, diskriminiert oder herabgewürdigt werden«, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin.
.@BMI_Bund möchte auf Druck von außen rechts ein antirassistisches Projekt „auf den Prüfstand“ stellen, weil ich dort mit dem Wort Süßkartoffel zitiert werde. Und das ist das beste Fallbeispiel für sogenannte Identitätspolitik. Viel Spaß bei der Debatte 😊 pic.twitter.com/ulbjMd8vxD
— Mohamed Amjahid (@mamjahid) June 4, 2021
Debatten über Rassismus dürfe es nur »respektvoll und ohne Zwischentöne« geben. Dem Projekt »saymyname« sei es nicht gelungen, »diesen Ansprüchen immer gerecht zu werden«. Der Eintrag bei Instagram werde mit einem Kommentar versehen und klargestellt.
»Süßkartoffel« werden
In dem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag wird der freie Journalist Mohamed Amjahid zitiert. Er ruft weiße Menschen dazu auf, sich mehr für Nichtweiße einzusetzen. Wer selbst nicht Opfer von Rassismus werde, müsse sich mit eigenen Privilegien auseinandersetzen, sagt Amjahid in dem Post. Das sei ein schwerer Prozess, »jedoch unabdingbar, wenn wir in einer gerechten und inklusiven Gesellschaft leben wollen«. Wem das gelinge, der könne ein Verbündeter von Nichtweißen werden – eben eine »Süßkartoffel«, wie es Amjahid in Anlehnung an den Begriff »Kartoffel« formuliert.
Die Formulierung ist umstritten: Während Begriffe wie das N-Wort für Menschen mit schwarzer Hautfarbe oder das Z-Wort für Sinti und Roma als eindeutig beleidigend gelten und in großen Teilen der Gesellschaft verpönt sind, gehen die Meinungen bei »Kartoffel« auseinander. Das Wort wird mal ironisch, mal beleidigend für Weiße verwendet. Die einen sehen in der Bezeichnung daher Rassismus gegen Deutsche.
Befürworter verteidigen den Gebrauch: »Kartoffel« spiele weder auf Aussehen noch Herkunft an, sei weder obszön noch ein Kraftausdruck. Auch könne es zwar Vorurteile, aber keinen Rassismus gegen Weiße geben – denn dem Rassismus liegen Machtstrukturen der Mehrheitsgesellschaft zugrunde, die umgekehrt nicht existieren. Wer »Kartoffel« zum rassistischen Begriff stilisiere, schmälere dadurch echten Rassismus.
Amjahid selbst sieht in dem Streit über seine Äußerung eine Scheindebatte. »Die einen haben Angst vor Polizeigewalt und Rechtsextremisten im Parlament, die anderen sind von Wörtern wie Süßkartoffel beleidigt«, sagt er dem SPIEGEL. Die Kampagne »saymyname« sieht der Autor als Teil eines wichtigen Diskurses, den das Innenministerium nicht aufhalten könne.