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Carles Puigdemont: Separatisten jubeln, Rajoy unter Druck

Foto: Carsten Rehder/ dpa

Puigdemont aus JVA entlassen Llibertat!

In Freiheit: Puigdemont lächelt, seine Anhänger jubeln. Der katalanische Separatistenführer verlässt das Gefängnis - mit einer Botschaft an Madrid. Eindrücke von einem denkwürdigen Tag.

Carles Puigdemont hat die Justizvollzugsanstalt in Neumünster längst verlassen, da kommen Eduard Alonso die Tränen. Acht Tage hat der Katalane auf diesen Moment gewartet, acht Tage hat er tagsüber für die Freiheit des inhaftierten Ex-Präsidenten demonstriert und nachts in seinem VW-Bulli vor dem alten Backsteingebäude campiert. Dafür hatte er vergangene Woche seinen Familienurlaub abgebrochen und ist Tausende Kilometer durch Europa gefahren. Erst wenn Puigdemont entlassen ist, wollte er zurück in seine Heimatstadt Girona.

Bis Eduard Alonso am Freitagmittag Gewissheit hat, vergehen noch einmal zähe Stunden. Die Nacht war kalt, am Morgen steht der 50-Jährige noch vor Sonnenaufgang auf dem Parkplatz. Er kennt mittlerweile die meisten Journalisten hier, verteilt Kuchen unter den Wartenden.

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Carles Puigdemont: Separatisten jubeln, Rajoy unter Druck

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Immer wieder verbreiten sich Nachrichten. Erst heißt es, Puigdemont komme schon morgens frei, dann, die Generalstaatsanwaltschaft warte noch auf den Eingang der 75.000-Euro-Kaution. Am Vormittag kommen die drei deutschen Anwälte des 55-Jährigen, sie betreten das JVA-Gebäude durch einen Seiteneingang.

Einmal pro Woche bei der Polizei melden

Erst um 11.14 Uhr steht fest: Das Geld ist eingegangen, der neue Aufenthaltsort hinterlegt - die Staatsanwaltschaft ordnet die sofortige Freilassung Puigdemonts an. Von nun an darf er sich frei in Deutschland bewegen, nur Wohnortwechsel muss er mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden. Der Separatistenführer meldet sich via Twitter. "Wir haben das Recht zu verhindern, dass man uns unsere Zukunft stiehlt", heißt es dort.

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Eduard Alonso trippelt zu diesem Zeitpunkt von einem Fuß auf den anderen, er hält es kaum noch aus. Die katalanische Flagge hat er sich umgebunden, unruhig läuft er den Parkplatz auf und ab, zwischen den mehr als 30 Kameras und Dutzenden Journalisten hindurch. "Es kann nicht mehr lange dauern", sagt er. Doch es dauert.

Ein Justizbeamter nach dem anderen verlässt das Gebäude, einer nach dem anderen kehrt aus der Mittagspause zurück. Jedes Mal richten sich die Kameras wieder auf den kleinen Eingang neben dem großen, schweren Tor. Erst um kurz vor 14 Uhr tritt der berühmteste Insasse der JVA vor die Presse. Keine Fragen, nur ein kurzes Statement, sagt Puigdemont.

Eduard Alonso

Eduard Alonso

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Der Separatistenführer wirkt gelassen und lächelt, als er sich erst auf Deutsch und dann auf Englisch für die Unterstützung der vergangenen Tage bedankt. Er habe viel Solidarität erfahren - aus aller Welt, aber auch von den Menschen in der Region. Immer wieder waren in den vergangenen Tagen Unterstützer nach Neumünster gekommen, um sich für die Freilassung Puigdemonts einzusetzen.

Auch an diesem Freitag sind einige seiner Anhänger auf dem Parkplatz. "President, President", rufen sie, als der abgesetzte Regionalpräsident auftaucht. Unter ihnen ist Mario Marin Krüger: Der 15-jährige Andalusier hält stolz einen etwas zerknitterten Briefumschlag in der Hand. Immer wieder muss er den Absender zeigen: "Carles Puigdemont, Boosteder Str. 30, 24534 Neumünster" steht in krakeliger Schrift auf der Rückseite. Drinnen ein liniertes, beschriebenes Blatt. Darin bedankt sich der Separatistenführer für die Karte, die Mario ihm in die JVA geschickt hat. "Ich hätte nicht gedacht, dass er mir antwortet", erzählt Mario.

"Unterdrückung muss ein Ende haben"

Der Konflikt in der Heimat lässt auch Spanier im fernen Schleswig-Holstein nicht kalt. "Die jahrelange Unterdrückung muss ein Ende haben, es reicht", sagt Rosalia Altes, die in Barcelona geboren und in der Nähe von Neumünster zu Hause ist. "Ich habe vollstes Vertrauen in Puigdemont, dass wir auf einem guten Weg sind. Es muss ja keine Abspaltung von Spanien sein, aber es muss sich etwas tun."

Vor den Toren der JVA hat Puigdemont an diesem Freitag auch eine politische Botschaft: "Die Zeit für einen Dialog ist gekommen." Ein Zeichen an die Zentralregierung in Madrid, sich in dem Katalonienkonflikt doch auf Gespräche oder eine Mediation einzulassen. Es gäbe für die Regierung von Mariano Rajoy keine Rechtfertigung, nicht mit der katalanischen Führung nach einer Lösung zu suchen.

Katalanischer Ex-Präsident: Puigdemont ist frei

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Doch bislang deutet wenig auf ein Einlenken hin. Am Freitag heißt es aus Madrid lediglich, dass man die Entscheidung der deutschen Justiz akzeptiere und die bilateralen Beziehungen nicht belastet seien. "Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger", sagt der spanische Justizminister Rafael Catalá knapp. Das Oberste Gericht in Spanien überlegt gar, den Europäischen Gerichtshof anzurufen.

Hinter den Kulissen aber dürfte das Entsetzen über die Entscheidung aus Schleswig-Holstein groß sein, steht doch die spanische Justiz nun vor einem Dilemma: Die deutschen Richter haben das rechtliche Konstrukt gegen Puigdemont zusammenbrechen lassen. Das ihm zur Last gelegte Verhalten wäre "in der Bundesrepublik nach geltendem Recht nicht strafbar" - der Vorwurf der Rebellion ist damit vom Tisch.

Auslieferung fraglich

Sollte Puigdemont nun wegen Untreue an Spanien ausgeliefert werden, dürfte ihm dort auch nur deswegen der Prozess gemacht werden. Damit müsste sich der Separatistenführer am Ende unter Umständen wegen weniger schweren Taten verantworten als die anderen neun separatistischen Politiker, die in Spanien in Haft sitzen.

Ob es aber überhaupt zu einer Auslieferung kommt, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen. Die Richter haben zwar einen Auslieferungs-Haftbefehl wegen Untreue erlassen - dieser ist jedoch außer Vollzug gesetzt. Es bedürfe zunächst weiterer Informationen und Klärungen, heißt es.

Was Puigdemont in dieser Zeit machen wird oder wo er unterkommt? Zunächst geht es für den Separatistenführer nach Berlin. Nach Waterloo und Brüssel könnte nun erst einmal die deutsche Hauptstadt sein vorübergehendes Exil werden.

Auch Eduard Alonso will nicht sofort nach Katalonien zurückkehren. Er wolle nun endlich etwas von der Gegend sehen, in der er so viele Tage verbracht hat. Neumünster und Hamburg will er sich anschauen, bevor er mit seinem dunkelroten Bulli wieder nach Girona fährt. Eines weiß er aber schon jetzt: "Das wird die schönste 18-Stunden-Fahrt meines Lebens."

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