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CDU-Basis in Niedersachsen Wo nach der Wahl gleich Wahlkampf ist

In drei Wochen wird in Niedersachsen gewählt, die CDU will zurück an die Regierung. Doch wie ist die Stimmung an der Basis jetzt - nach den gewaltigen Verlusten der Partei im Bund?

Das Land, in dem wir gut und gerne leben, muss die Lüneburger Heide sein. So jedenfalls sehen das wohl die vier Lokalpolitiker, die sich an diesem Abend in einem lieblos eingerichteten Erdgeschosszimmerchen in Soltau um einen Holztisch setzen.

Etwas abgekämpft wirkt die kleine CDU-Runde, müde, aber zum Ausruhen ist keine Zeit. Kreisverbandschef Gerd Engel, eine Art Prediger im Körper eines Seebären, ergreift erst eine leere Mineralwasserflasche und dann das Wort: "Wenn unsere Kandidaten erst mal im Landtag sitzen", verkündet er und senkt die Plastikflasche wie einen Richterhammer auf die Tischplatte, "dann wird gefeiert!"

Der 64-jährige Pensionär scheint voller Überzeugung - dabei gäbe es durchaus Gründe für weniger Euphorie im CDU-Wahlkreisbüro von Soltau: Tags zuvor hat die Union bei der Bundestagswahl empfindliche Verluste erlitten, auch in der Lüneburger Heide. Dort geht es für Engel und seine Mitstreiter nun direkt weiter: Noch bevor die Wahllokale am Sonntagabend schlossen, tauschten sie im niedersächsischen Heidekreis die ersten Plakate aus.

In nicht einmal drei Wochen wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Die Regierung von Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) hatte ihre knappe Mehrheit verloren, nachdem eine Grünen-Abgeordnete zur CDU gewechselt war und so Neuwahlen erzwungen hatte. Es war ein Coup, der im konservativen Lager die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Staatskanzlei nährte.

Zumindest Engels Sitznachbarn glauben nach eigenen Angaben fest daran: Soltaus CDU-Chefin Elke Cordes, ihr Amtskollege Frank Stangneth aus dem nahen Munster - und Karl-Ludwig von Danwitz, Direktkandidat im Wahlkreis 44. Der 59-Jährige knipst den Wahlkampfmodus an: "Was wir bei Rot-Grün auf Landesebene erlebt haben, war katastrophal", sagt er und zählt an den Fingern auf, inwiefern die aktuelle Regierung in seinen Augen versagt hat. Zu wenige Lehrer, zu wenige Polizisten, zu wenige Ideen. Das Feindbild heißt Rot-Grün, das Ziel: ein deutlicher Wahlsieg.

Aber so einfach ist das alles nicht, das weiß auch von Danwitz. Bislang bestand der Landtag in Hannover aus vier Parteien, bislang standen sich Rot-Grün und Schwarz-Gelb als natürliche Feinde gegenüber. Bislang waren im Parlament weder die Linke vertreten noch eine AfD-Fraktion.

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Rückschlag bei der Wahl: Der Kampf der CDU

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Und bislang musste die CDU im Heidekreis nicht um das Direktmandat im Wahlkreis 44 bangen: Der Landwirt Lutz Winkelmann, derzeit Vertreter für die Region in Hannover, erhielt vor viereinhalb Jahren fast 48 Prozent der Stimmen. So deutlich würde auch von Danwitz gerne am 15. Oktober seinen Wahlkreis holen - solche CDU-Ergebnisse gelten in vielen ländlichen Regionen Niedersachsen als Selbstverständlichkeit. Eigentlich.

Doch spätestens seit dem vergangenen Sonntag ist die Zeit der Selbstverständlichkeiten wohl vorbei. Bei der Bundestagswahl kam die CDU zwischen Emsland und Harz auf nur noch 34,9 Prozent. Mancherorts sackten die Ergebnisse um mehr als zehn Prozentpunkte ab, während die AfD von GroKo-Frust und der Angst vor angeblicher Überfremdung profitierte.

Für die CDU im Heidekreis fielen die Zweitstimmenverluste mit etwa sechs Prozentpunkten noch einigermaßen moderat aus, doch die Christdemokraten verloren ihr Direktmandat: Kathrin Rösel bekam nur rund 36 Prozent der Stimmen, künftig sitzt für den Wahlkreis "Rotenburg I - Heidekreis" der SPD-Kandidat Lars Klingbeil im Bundestag.

Muss von Banwitz ein ähnliches Schicksal fürchten? Könnten viele Wähler an die AfD verloren gehen? Und wären dafür dann Angela Merkel und die Asylpolitik der Großen Koalition mitverantwortlich?

Von Danwitz winkt ab. Die CDU sei nun mal eine christliche Partei, da sei Solidarität mit Flüchtlingen zunächst selbstverständlich. Und die Kanzlerin sei in der Region sehr beliebt, fügt Engel hinzu: "Merkel ist eine, auf die man sich verlassen kann, das sagen die meisten Leute hier."

Und die AfD? Die stelle die Union tatsächlich vor große Herausforderungen, sagt Munsters CDU-Chef Stangneth: "Wir als CDU haben das Problem, dass wir eher auf der Sachebene argumentieren, und nicht mit Emotionen" behauptet er. Daran müsse die Partei arbeiten, und dann schimmert doch ein wenig Kritik an der Bundespartei durch: "Das ist uns im Bundestagswahlkampf wohl nicht so gut gelungen."

Von der AfD die Themen diktieren lassen wollen sie sich trotzdem nicht, das betonen alle vier. "So ein Thema wie das mit den Flüchtlingen müssen die im Bund lösen", sagt von Danwitz. Abgesehen etwa von Sprachkursen könne auf lokaler Ebene ohnehin nicht allzu viel getan werden - obwohl sich der bundesweite Streit darüber auch in Soltau auswirkt: "Die parteiinterne Diskussion über die Obergrenze war sicherlich nicht förderlich", sagt Stangneth.

Da erhebt Kreisverbandschef Engel wieder die Plastikflasche: "Ja", ruft er dazwischen, "aber wir haben jetzt keine Zeit zum Wunden lecken".

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