Zoff über Überbrückungshilfen Unionsabgeordnete rebellieren gegen Altmaier

Wirtschaftsminister Peter Altmaier
Foto: CLEMENS BILAN/EPA-EFE/ShutterstockDer Streit über das Chaos bei den staatlichen Corona-Hilfen droht innerhalb der Union zu eskalieren. Nach SPIEGEL-Informationen ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Dienstag in der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion heftig kritisiert worden.
Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagte mehreren Teilnehmern zufolge: »Es reicht jetzt. So geht das nicht weiter.« Carsten Linnemann, Chef der mächtigen Mittelstandsunion, warnte demnach, da fahre »eine Dampfwalze über unseren Einzelhandel«.
Linnemann wandte sich übereinstimmenden Schilderungen zufolge außerdem direkt an Angela Merkel und forderte die Kanzlerin zu einer »klaren Ansage« zu den Überbrückungshilfen vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch auf. Die Überbrückungshilfen sind das zentrale Instrument der Wirtschaftshilfen in der Krise, womit Betriebskosten wie Mieten und Strom erstattet werden sollen.
Altmaiers Entschuldigung
Die Bundesregierung steht wegen der schleppenden Auszahlung der Corona-Hilfen an Unternehmen und überbordender Bürokratie schon länger in der Kritik – allen voran Altmaier. Wie das Ministerium des CDU-Politikers am Montag mitteilte, wurden seit Beginn der Coronakrise 80 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfen bewilligt. Dazu komme das Kurzarbeitergeld in Höhe von etwa 23 Milliarden Euro. Bei den November- und Dezemberhilfen wurden den Angaben zufolge etwa 5,2 Milliarden Euro ausgezahlt.
Altmaier hatte sich am Sonntagabend bei »Bild Live« für die langsame Auszahlung der Corona-Hilfen entschuldigt. »Erst einmal entschuldige ich mich dafür, dass es so lange dauert. Wenn ich irgendeine Möglichkeit gesehen hätte, es zu beschleunigen, ich hätte es gemacht.«
Altmaier, so schildern es Teilnehmer, schob nun in der Sitzung die Schuld für die Probleme bei den Überbrückungshilfen auf Finanzminister Olaf Scholz von der SPD. In dessen Haus habe es mehrere Einwände gegen das Regelwerk gegeben, die letztlich zu Verzögerungen geführt hätten, argumentierte der Wirtschaftsminister demnach. Er müsse mit dem Finanzministerium eine Art »Guerillakampf« führen. Aber bei der nächsten Fraktionssitzung habe man Sicherheit.
»Ich bin es leid«
Mit dieser Linie kam Altmaier nicht durch. »Ich bin es leid«, fuhr Brinkhaus den Minister an und setzte damit den Ton in der anschließenden Debatte. Es sei völlig egal, wer schuld sei. Das Geld müsse jetzt fließen, die Unternehmen warteten, man könne sie nicht allein lassen.
Auch andere Abgeordnete äußerten teils heftige Kritik am Agieren Altmaiers, intern war später von einer »Demontage« des Ministers die Rede. Die CSU-Politikerin Emmi Zeulner soll sich an Altmaier mit den Worten gewandt haben, sie glaube, »nicht alle in deinem Haus meinen es gut mit dir«. Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries riet dem Minister den Angaben zufolge, seine Höflichkeit gegenüber der SPD abzulegen. »Diese ewige Schuldschieberei versteht doch niemand, Peter«, wird darüber hinaus Linnemann, der auch Fraktionsvize ist, zitiert.
Merkel musste sich zudem teils heftige grundsätzliche Kritik an ihrem Corona-Kurs anhören. So hielt ihr der Abgeordnete Andreas Mattfeldt Sturheit und mangelnden Mut vor. Er empfahl der Kanzlerin dem Vernehmen nach, sich die Zahlen in Italien und Luxemburg anzuschauen. Dort, so Mattfeldt, hätten Friseure und Einzelhandel schon vor einiger Zeit wieder aufgemacht – und trotzdem seien die Zahlen daraufhin nicht explodiert. Der Hamburger Abgeordnete Marcus Weinberg kritisierte, das Schicksal der Familien werde nicht richtig in den Blick genommen. »Die Familien können nicht mehr«, wird er zitiert.