Sondierungsgespräch Schwarz-grüner Austausch von Höflichkeiten

Drei Stunden lang tasteten sich Union und Grüne bei ihrem Sondierungsgespräch ab, dann vereinbarten die Spitzenpolitiker ein zweites Treffen für nächsten Dienstag. Doch an ein gemeinsames Bündnis glauben wohl beide Seiten nicht. Die Zeichen stehen auf Große Koalition.
Sondierungsgespräch: Schwarz-grüner Austausch von Höflichkeiten

Sondierungsgespräch: Schwarz-grüner Austausch von Höflichkeiten

Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpa

Berlin - Von "grundsätzlich unterschiedlichen Ansichten" sprach Grünen-Chefin Claudia Roth nach der Sondierung mit der Union, CDU-Chefin Angela Merkel von Gegensätzen, "die sehr, sehr groß sind". Mit anderen Worten: Eine weitere Sondierungsrunde wird es nicht geben - eine schwarz-grüne Zusammenarbeit ist vom Tisch.

So war das vor acht Jahren, als Union und Grüne ausloteten, ob man nicht zusammen mit der FDP regieren könnte. Am Ende kam es zur Großen Koalition.

Die Zeiten ändern sich - zumindest ein bisschen. Als CDU, CSU und Grüne an diesem Donnerstagabend nach gut drei Stunden auseinandergehen, sind sich beide Seiten einig: Dem ersten Sondierungsgespräch im Saal "Berlin" der feinen Parlamentarischen Gesellschaft soll am kommenden Dienstagnachmittag ein weiteres folgen. Anders als 2005 gibt es längst keine Berührungsängste mehr. "Das war keine Begegnung der unheimlichen ersten Art", sagt Grünen-Chefin Claudia Roth. "Wir kennen uns ja."

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Schwarze und Grüne: Erstes Treffen in Berlin

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Was aber nicht heißt, dass sich die 22 Damen und Herren von Union und Grünen wirklich näher gekommen sind. Ein schwarz-grünes Bündnis ist an diesem Abend nicht wahrscheinlicher geworden. Auch 2013 stehen die Zeichen auf Große Koalition. Dass Schwarze und Grüne dennoch ein zweites Gespräch führen wollen, entspricht vor allem den strategischen Interessen beider Seiten.

Nüchterne Kommentare

Entsprechend nüchtern fallen die Kommentare der Teilnehmer nach dem ersten Treffen aus. Draußen regnet es Bindfäden, die meisten sind deshalb ohnehin bestrebt, schnell in die wartenden Limousinen zu kriechen. "Sachlich" sei es zugegangen, ist zu hören, oder "konstruktiv". Ex-Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) ruft: "Wunderbar" sei es gewesen - ach nein, "das war ein Scherz".

Im Gegensatz zur ersten Sondierung zwischen Union und SPD geht es schon in die inhaltliche Debatte. Vor allem über Europa und die Energiewende tauschen sich die Delegationen aus. Doch gerade die Grünen hätten gern noch mehr Themen abgeklappert. Dafür aber reicht die Zeit nicht. Beim nächsten Treffen wollen beide Seiten noch die Außen- oder Gesellschaftspolitik aufrufen und bereits angerissene Themen wie die Staatsfinanzen weiter vertiefen.

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Sondierung: Wer sich bei Schwarz-Grün mag - und wer nicht

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Beide Seiten loben die freundliche Atmosphäre in der Runde. Die Anfeindungen, die es vor allem zwischen CSU und Grünen im Wahlkampf gab, spielen bei Mohn-Käsekuchen und Kirschstreusel offenbar keine Rolle. Auch die Ober-Streithähne Alexander Dobrindt und Jürgen Trittin begrüßen sich dem Vernehmen nach mit der gebotenen Höflichkeit. Es heißt, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe seinen bayerischen Amtskollegen Horst Seehofer im Vorfeld gebeten, für gute Stimmung zu sorgen. Das scheint zu funktionieren.

2013 kommt Schwarz-Grün wohl zu früh

In die allgemeine Zufriedenheit mischt sich bei der Union aber auch leise geäußerte Skepsis. "Der Weg von den Grünen zu uns ist etwas weiter als der Weg der SPD zu uns", sagt CSU-General Dobrindt nach dem Gespräch und bekräftigt so seine Präferenzen. Sein CDU-Amtskollege Hermann Gröhe pflichtet ihm bei. Union und Grüne verbänden gemeinsame Ziele, betont er, etwa der pro-europäische Kurs zur Stabilisierung des Euro oder eine ökonomisch und ökologisch erfolgreiche Energiewende. Was die Instrumente angeht, würden sich die Vorstellungen jedoch "zum Teil erheblich" unterscheiden. Das Gleiche hört man von den Grünen zu diesem Thema.

Dennoch ist ein weiteres Gespräch mit den Grünen aus Sicht der Union sinnvoll: Denn in den Sondierungen mit der SPD wird es erst in der zweiten Runde am kommenden Montag um inhaltliche Details gehen, womöglich schon um konkrete Kompromisslinien für Koalitionsverhandlungen. Merkel und Seehofer brauchen die schwarz-grüne Option also zumindest zum Pokern, um Maximalforderungen der Sozialdemokraten abzuwehren. Wären die Genossen als Partner für die Union alternativlos, wäre das Erpressungspotential hoch.

Die Grünen wissen natürlich, dass CDU und CSU vor allem deshalb weiter mit ihnen reden. Warum geben sie sich dann dafür her? Weil die Grünen selbst auch etwas von einer zweiten Runde haben. Sie denken dabei genauso strategisch: Jedes ernsthafte Treffen mit der Union, das die Chance auf Schwarz-Grün aufrechterhält, bedeutet einen Schritt der Emanzipation vom linken Lager. Zudem kann die Partei beweisen, dass sie bereit ist, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen. Das liegt einem wie Kretschmann besonders am Herzen.

Dieses Signal zu geben, ist den Grünen wichtig - auch wenn es mit der Regierungsbeteiligung 2013 aller Voraussicht nach noch nichts wird. Die Partei weiß, sie muss sich wieder öffnen, auch hin zur bürgerlichen Mitte. In diesem Jahr kommt Schwarz-Grün wohl zu früh, für beide Seiten. Aber man hat anständig miteinander geredet, und wer weiß, wozu das in vier Jahren gut ist.

Vielleicht folgt dann nach 2005 und 2013 im Jahr 2017 die Phase drei: echte Koalitionsverhandlungen.

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