Immer schärfer üben Politiker der Union Kritik an der Forderung des JU-Chefs Philipp Mißfelder, die Gesundheitsleistungen für Alte zu begrenzen. Der Chef der CSU-Senioren-Union, Gebhard Glück, ist empört: Mißfelder gehöre "von seiner Grundeinstellung her" nicht mehr zur Union.
Köln - Die Union vertrete vielmehr eine "Partnerschaft der Generationen", sagte der frühere bayerische Sozialminister Glück der "Passauer Neuen Presse". Mißfelders Vorschläge, bestimmte medizinische Leistungen für Ältere nicht mehr zu bezahlen, seien "inhuman und auf Profilsucht zurückzuführen".
Glück betonte, die Probleme des Alterssicherungssystems dürften nicht nur einer Generation angelastet werden. "Das heißt, dass jede Generation Abstriche machen muss. Die jüngere dadurch, dass sie relativ hohe Rentenbeiträge zahlen muss und sich eine zweite, privat gedeckte Säule ihrer Altersvorsorge aufbauen muss. Die ältere Generation trägt Lasten, weil die Renten langsamer steigen werden als früher und nicht mehr die gewohnte Höhe erreichen."
Die heutige Rentner-Generation habe Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut, sagte Glück. "Sie hatte weit weniger Lebensstandard, dafür aber mehr Kinder in die Welt gesetzt als die heutige jüngere Generation."
Auch CSU-Chef Edmund Stoiber kritisierte den 23 Jahre alten Mißfelder scharf: "Wer sich so unmenschlich und mit einer solchen Wortwahl gegenüber der älteren Generation einlässt, sollte sich schämen."
Der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Bernhard Vogel (CDU), nannte es "völlig inakzeptabel", dass "bewertet wird, für wen sich welche Sozialleistung noch lohnt". Es dürfe keine Altersgrenze für medizinische Leistungen geben.
Die Grünen-Abgeordnete Anna Lührmann kritisierte, Mißfelders Vorstoß gehe in Richtung eines "Generationenkriegs". Ein Konflikt bestehe aber vielmehr in der Frage der künftigen Organisation der Sozialsysteme. Hier könnten alle Generationen "mit anpacken, das zu reformieren", damit auch die Jüngeren später über Renten-, Pflege- und Krankenversicherung verfügen können. Notwendig sei eine breitere Finanzierungsgrundlage der Sozialsysteme.
Lührmann plädierte in diesem Zusammenhang für eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen. Dabei sollten Besserverdienende stärker belastet werden, damit "am Ende alle ähnlich viel rausbekommen".
Bei der Rente werde es zudem um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit gehen. Ferner müsse über einen "Beitrag der aktuellen Rentnergeneration" im oberen Einkommensbereich nachgedacht werden.
Mißfelder hatte die Auffassung vertreten, 85-Jährige sollten von der Kasse keine Hüftgelenksoperationen und Rentner keine Zahnprothese mehr bezahlt bekommen.
Angesichts der geballten Empörung über seine Äußerungen versuchte er am Donnerstag, die Wogen zu glätten. Er habe den Rentnern keine Angst einjagen und ihre Gefühle nicht verletzten wollen, beteuerte er. Inhaltlich nahm er jedoch nichts zurück.
CSU-Politiker gegen Bürgerversicherung
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) lehnte unterdessen eine Bürgerversicherung grundsätzlich ab. Wie die Pflegeversicherung zeige, würde damit die Vollkasko-Mentalität gefördert, sagte der CSU-Vorsitzende der "Passauer Neuen Presse". Vielmehr sei es notwendig, dass der Bürger mehr Mitverantwortung übernehme.
Auch CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller lehnte die Abschaffung der derzeitigen Pflegeversicherung ab. Er sehe derzeit keinen Handlungsbedarf zur Reform der Pflegeversicherung, sagte Zöller. Er wandte sich zugleich gegen eine Zusammenlegung von Pflege- und Krankenversicherung: "Das würde eine Million Menschen in die Sozialhilfe treiben."
Zwar hätte eine Zusammenlegung aus Patientensicht Vorteile, weil sie dann nicht mehr zwischen Kranken- und Pflegeversicherung "hin- und her geschoben" würden, fügte Zöller hinzu. Doch müssten Reformen langfristig angegangen werden. Außerdem habe die Pflegeversicherung Rücklagen in Milliardenhöhe und nur in diesem Jahr ein Defizit eingefahren. Würden die Versicherungen fusioniert, gingen die Reserven in die defizitäre Krankenversicherung über.
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