Neuverschuldung Führende CDU-Politiker stellen schwarze Null infrage

Ein striktes Nein zu neuen Schulden gehörte in den vergangenen Jahren zum Markenkern der Union. Nun rücken CDU-Politiker im SPIEGEL davon ab - wegen der schwächelnden Konjunktur.

Angesichts der schwächelnden Konjunktur nehmen die ersten CDU-Politiker Abstand von einer Politik ohne neue Schulden. "Wir werden die schwarze Null nicht mehr auf Dauer halten können", sagte CDU-Bundesvorstand Olav Gutting dem SPIEGEL. "Je rascher wir uns eine Strategie ausdenken, um uns davon zu verabschieden, umso besser."

Für die Unionsparteien wäre dieser Schritt deshalb besonders heikel, weil vielen das Konzept von Haushalten ohne neue Schulden als einer der wenigen verbliebenen konservativen Markenkerne erscheint.

Allerdings haben in den vergangenen Wochen und Monaten selbst führende Wirtschaftswissenschaftler, die sich in der Vergangenheit für die schwarze Null stark gemacht hatten, den Abschied von diesem Konzept gefordert . Finanzminister Olaf Scholz von der SPD hält bislang daran fest, viele Sozialdemokraten hingegen verlangen ebenfalls eine Abkehr.

Christdemokrat Schummer: "Man spart nicht in eine Rezession hinein"

Christdemokrat Schummer: "Man spart nicht in eine Rezession hinein"

Foto: Christian Thiel/ imago images

"Natürlich ist die schwarze Null die letzte 'Bastion' von CDU und CSU - aber wir können uns trotzdem nicht daran festklammern", sagt der Bundestagsabgeordnete Gutting, Mitglied des Finanzausschusses und des Fraktionsvorstands. "Wir dürfen nicht abwarten, bis wir noch tiefer in die Rezession rutschen." Er fordert: "Wir müssen viele Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, in Infrastruktur und in den Klimaschutz investieren." Außerdem seien ohne die schwarze Null endlich "auch sinnvolle Steuersenkungen und eine Korrektur des Mittelstandsbuckels in der Einkommensteuer" möglich.

Auch der CDU-Abgeordnete Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, sagt: "Man spart nicht in eine Rezession hinein." Da müsse man "antizyklisch denken", verlangt er. "Wir brauchen einen aktiven Staat."

"Jeder, der sich da im Moment aus der Union vorwagt, wird zurückgepfiffen"

Allerdings deutet sich in dieser Frage ein schwerer Konflikt bei CDU und CSU an. "Jeder, der sich da im Moment aus der Union vorwagt, wird zurückgepfiffen", sagt Finanzexperte Gutting.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat die schwarze Null erst kürzlich als "für uns unabdingbar" verteidigt. Auch Karl-Josef Laumann, Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft CDA, sagt: "Für mich hat die schwarze Null Bestand." Der Staat "sollte keine neuen Schulden machen".

Der CSU-Politiker Peter Ramsauer, Chef des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, plädiert ebenso für eine Politik ohne neue Schulden: "Das Festhalten an der schwarzen Null ist ein wichtiges identitätsstiftendes Merkmal für die Union."

Spitzenvertreter der Union denken dem Vernehmen nach allerdings seit Längerem darüber nach, ob man angesichts des immensen Investitionsbedarfs noch an der schwarzen Null festhalten kann. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse würde eine gewisse Flexibilität wegen konjunktureller Nöte erlauben, während das Prinzip der schwarzen Null grundsätzlich keine Neuverschuldung vorsieht.

Mitarbeit: Ralf Neukirch
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