CDU in Zeiten von Corona Plötzlich populär

Ende April wollte die CDU einen neuen Vorsitzenden wählen - dann kam Corona. Die Krise der Partei? Gerät angesichts steigender Umfragewerte in Vergessenheit. Was wird davon bleiben? Und wer punktet in der Führungsfrage?
Kanzlerin Merkel, Gesundheitsminister Spahn, NRW-Ministerpräsident Laschet und Bayerns Landeschef Söder (im März 2020): Sogar die magische 40-Prozent-Schwelle erscheint wieder in Reichweite

Kanzlerin Merkel, Gesundheitsminister Spahn, NRW-Ministerpräsident Laschet und Bayerns Landeschef Söder (im März 2020): Sogar die magische 40-Prozent-Schwelle erscheint wieder in Reichweite

Foto: Bernd von Jutrczenka/ DPA

Ziemlich egal, mit wem man im Moment in der CDU spricht: Es ist immer die gleiche Leier. Wie es mit der Partei weitergehe und vor allem mit wem an der Spitze, interessiere doch im Moment wirklich niemanden, lautet im Kern die Antwort.

In der Tat dominieren der Kampf gegen Corona und der Umgang mit dem Virus seit Wochen das Leben der Deutschen und damit auch die deutsche Politik. Und Politiker der CDU (und der Schwesterpartei CSU) scheinen dabei nach Ansicht der Bürger besonders gute Arbeit zu machen, so jedenfalls lesen sich die Umfragewerte der Unionsparteien und ihrer führenden Vertreter: Sogar die magische 40-Prozent-Schwelle erscheint wieder in Reichweite, nachdem Infratest dieser Tage 38 und das Institut Forsa sogar 39 Prozent für CDU und CSU ermittelt haben.

Aber es soll sich bloß niemand zu offensichtlich darüber freuen: "Schaffa, schaffa", wie der Schwabe sagt, im Anti-Corona-Kampf - und ansonsten den Mund halten, ist die Devise in der CDU. Erst recht zu Parteiangelegenheiten.

Das geht so weit, dass am Montag, wenn zum ersten Mal seit geraumer Zeit die Parteigremien (natürlich nur virtuell) zusammenkommen, man nicht einmal intern über eine ganz praktische Frage sprechen möchte, die formal zu klären ist.

Sonderparteitag ist noch nicht formal abgesagt

Der ursprünglich für nächsten Samstag geplante Sonderparteitag, auf dem ein Nachfolger für CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt werden sollte, findet bekanntermaßen nicht statt. Und selbst die Vorsitzaspiranten gehen inzwischen davon aus, dass es bis zum regulären Parteitag im Dezember keine Extrazusammenkunft mehr geben wird, die Kramp-Karrenbauer-Nachfolge also dann erst entschieden wird. Aber ein entsprechender Beschluss des dafür zuständigen Bundesvorstands steht noch aus.

Am liebsten wäre es der CDU-Führung, so ist zu hören, wenn man am Montag in den Gremien ausschließlich über Corona sprechen würde. Zentrale Krisenakteure werden ja zugeschaltet sein: an erster Stelle Kanzlerin Angela Merkel, aber auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und die amtierende Parteichefin und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, dazu zahlreiche Ministerpräsidenten, darunter Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet.

Laschet kommt in der Corona-Debatte als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes eine wichtige Rolle zu, zudem hat er sich zuletzt als Mahner gegen einen zu harten Kurs profiliert. Ach ja, und Laschet will natürlich immer noch CDU-Vorsitzender werden - womit in Vor-Corona-Zeiten auch der Erstzugriff auf die nächste Kanzlerkandidatur der Unionsparteien einherging. Zu diesem Thema sagte er gerade dem SPIEGEL : "Ich kenne aber niemanden, der derzeit ernsthaft über Kanzlerkandidaturen nachdenkt - weder in der CDU noch in der CSU."

Spekulationen um Kanzlerkandidatur Söders

Hintergrund sind Spekulationen um den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der wegen seines rigiden Corona-Kurses über den Freistaat hinaus große Zustimmung genießt und deshalb zunehmend als möglicher Kanzlerkandidat gesehen wird.

Laschet kann seinen ausschließlichen Fokus auf Corona wohl auch deshalb einigermaßen glaubhaft vorbringen, weil ihn das Virus politisch tatsächlich umfänglich beschäftigt - im Gegensatz zu seinen Konkurrenten um den CDU-Vorsitz.

Friedrich Merz hatte zwar auch zunächst ausschließlich mit Corona zu tun, aber der Kampf gegen das Virus war persönlicher Natur: Merz hatte sich infiziert, die Erkrankung verlief seiner Darstellung nach allerdings "glimpflich". Der gesundete Merz wiederum hat nun das Problem, das er als Mann ohne politisches Amt in der Corona-Debatte wenig beachtet wird. Gerade hat der frühere Unionsfraktionschef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ein Interview gegeben, in dem er unter anderem mehr deutsches Geld für die EU fordert, auch für den Kampf gegen das Virus. Das ist für einen CDU-Politiker eine durchaus bemerkenswerte Aussage - aber dürfte genauso untergehen wie andere jüngste Äußerungen Merz'.

Genauso ergeht es Norbert Röttgen, dem dritten prominenten Kandidaten für die Kramp-Karrenbauer-Nachfolge. Röttgen ist immerhin Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, was ihm allerdings derzeit auch wenig hilft, um durchzudringen, da die Bürger vor allem auf die Kanzlerin, einige Bundesminister und die Länderchefs schauen und ansonsten auf Experten und Wissenschaftler.

Merz und Röttgen können nur abwarten

Merz und Röttgen können nur darauf warten, dass Corona in Deutschland irgendwann zumindest so weit unter Kontrolle ist, dass andere Themen wieder in den Mittelpunkt rücken - beispielsweise die ungelösten Probleme der CDU: Wofür steht sie inhaltlich? Und wen braucht sie nach der glücklosen Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer an der Spitze, der nach dem Ausscheiden von Kanzlerin Merkel zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 auch die nächste Bundesregierung führen könnte?

Die noch vor wenigen Wochen undenkbaren Umfragewerte der Union seien ein Ansporn auch für die Zeit nach der Pandemie, sagt Kramp-Karrenbauer. Die Zahlen sieht sie als "Ausdruck von Vertrauen in das aktuelle Krisenmanagement", die Menschen "trauen der CDU zu, Deutschland auch durch schwierige Zeiten zu führen".

Aber diese schwierigen Zeiten sind ja noch lange nicht vorüber. Auch unter führenden Christdemokraten gibt es die Sorge, dass sich die Stimmung in einigen Monaten, wenn die wirtschaftlichen Folgen trotz aller Hilfsprogramme bei den Bürgern spürbar werden und die Bundeskassen leer sind, wieder deutlich drehen könnte. Dann könnten diejenigen, die aktuell so viel Zuspruch erhalten für ihren strengen Kurs, beispielsweise Kanzlerin Merkel, plötzlich als Schuldige ausgemacht werden - und ihre Partei. Auch CSU-Mann Söder und seine Christsozialen würden dann möglicherweise in ganz anderem Licht gesehen.

Der Noch-Parteichefin scheint das klar zu sein. "Die Umfragen sagen nichts darüber aus, wie sich die Zustimmung langfristig entwickelt", sagt Kramp-Karrenbauer. "Das hängt entscheidend von der Qualität der Antworten der CDU ab."

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