Listenaufstellung in Sachsen-Anhalt
Frauen kämpfen gegen CDU-Rechtsaußen um Einfluss
In keinem Landtag ist der Frauenanteil niedriger als in Sachsen-Anhalt. Das liegt auch an der CDU, doch zuletzt begehrten Christdemokratinnen auf. Haben sie eine Chance, die Rechtsaußen der Partei abzulösen?
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff im Landtag: Wie viele weibliche CDU-Abgeordnete gehören dem Parlament künftig an?
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dpa
Es sollte wie eine große Geste wirken, wie ein Zeichen innerparteilicher Solidarität: Holger Stahlknecht, Ex-Innenminister und einstiger CDU-Landeschef in Sachsen-Anhalt, verkündete im Januar, er verzichte freiwillig auf seinen aussichtsreichen Listenplatz 2 für die Landtagswahl am 6. Juni. Stattdessen solle eine Frau an seiner Stelle kandidieren.
Eileen Koch meldete Interesse an. Sie stammt aus der Börde, Stahlknechts Heimat. Doch auf der CDU-Liste wird sie nun nicht antreten. Der in der Regierungskrise um den Rundfunkstaatsvertrag ausgebuhlte Stahlknecht habe sich nicht von heute auf morgen in einen Frauenförderer verwandelt, heißt es.
Stattdessen wolle er vor allem Unruhe in der Partei stiften. Koch sei keine Direktkandidatin, abgesprochen sei ohnehin nichts gewesen. Deshalb wurde der Vorschlag im Landesvorstand schnell wieder abgeräumt.
Holger Stahlknecht (Archivfoto): Nicht plötzlich zum Frauenförderer geworden
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Koch ist nicht die einzige Frau, die in den Vorgesprächen der CDU Sachsen-Anhalt zur Listenaufstellung das Nachsehen hatte. Wenn die Christdemokraten an diesem Samstag in Dessau ihre Liste für die Landtagswahl zusammenstellen, ist das in mehrerlei Hinsicht richtungsweisend. Es geht darum, ob endlich mehr Frauen im sachsen-anhaltischen Landtag sitzen werden. Und ob sich erneut die Rechtsaußen in der CDU behaupten können.
Frauenunion stellte Alternativliste auf
Mit gerade knapp 22 Prozent ist der Frauenanteil im Parlament in Magdeburg der niedrigste in allen 16 Landesparlamenten. Das liegt nicht nur an der männerdominierten und in Sachsen-Anhalt stark vertretenen AfD, sondern auch an der CDU. In der aktuellen Fraktion der Christdemokraten stehen gerade einmal zwei Frauen 28 Männern gegenüber.
Christdemokratinnen begehren dagegen auf. Die Frauenunion stellte sogar eine eigene Landesliste vor, die sie in den Medien verbreitete. Durchsetzen konnten sie sich in den Gremien der Parteiführung nicht.
Der nun ausgemachte Vorschlag des Landesvorstands dürfte wenig am aktuellen Geschlechterverhältnis der Fraktion ändern. Auf den ersten 15 aussichtsreichen Plätzen der Liste, die der Vorstand vorgeschlagen hat, befinden sich nur zwei Frauen. Zwar ist für Stahlknechts alten Platz 2 mit Sandra Hietel tatsächlich eine Frau vorgesehen. Bei ihr wird allerdings ohnehin davon ausgegangen, dass sie ihren Wahlkreis direkt gewinnt. Die nächste Frau auf der Liste folgt erst auf Platz 15.
Zusätzlichen Unmut hat ausgelöst, dass auf den Plätzen 3 bis 5 die in der Partei umstrittenen Rechtsaußen kandidieren sollen:
Die beiden Fraktionsvizes Lars-Jörn Zimmer und Ulrich Thomas, die in einem Strategiepapier eine Zusammenarbeit mit der AfD anregten
Auf Platz 5 der Parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze, der ebenfalls dem rechten Lager innerhalb der CDU zugeordnet wird
Nach SPIEGEL-Informationen geht die Platzierung auf eine alte Abmachung der drei Politiker mit Ex-Landeschef Stahlknecht zurück, der den Listenvorschlag noch vor seinem Abgang vorbereitet hatte.
Stahlknecht wollte sich die Unterstützung des rechten Flügels der Partei sichern und spekulierte womöglich darauf, nach der Landtagswahl neue Wege gehen zu können. Für Kurze, Zimmer und Thomas sind die Listenplätze besonders wichtig, weil ihnen eine Niederlage gegen die AfD in ihren Wahlkreisen droht. Mit Tobias Krull folgt erst auf Listenplatz 6 ein Kandidat des liberalen CDU-Flügels.
Frauen als Gegengewicht zu Rechtsblinkern
Ministerpräsident Reiner Haseloff muss selbst um die Zustimmung bangen, er rührte Stahlknechts Planung nicht mehr an. Stattdessen versuchen nun Frauen seit Monaten, gegen das Rechtslager vorzugehen – und avancieren so in der sachsen-anhaltischen CDU zum Gegengewicht des rechten Flügels.
Auf ihrem eigenen Listenvorschlag fanden sich viele Kandidatinnen; zudem war Zimmer dort auf die hinteren Plätze gesetzt. Immer wieder, so wird es berichtet, versuchten Frauen sich in internen Gesprächen durchzusetzen, bislang vergeblich.
Ist in der CDU Sachsen-Anhalt umstritten: der Fraktionsvize Lars-Jörn Zimmer
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Nun wird es auf den Samstag ankommen. In der Partei gibt es Gerüchte: Die Staatssekretärin im Bildungsministerium, Eva Feußner, könnte Lars-Jörn Zimmer auf Platz 3 via Kampfkandidatur herausfordern. Feußner ist eine altbekannte Größe im Bundesland.
Sollte sie antreten und gegen Zimmer verlieren, ließe die CDU damit eine erfahrene Politikerin auf einer fast ausschließlich mit Männern besetzten Liste durchfallen. Dass es eine Niederlage gegen den umstrittenen Zimmer wäre, würde die Sache noch verheerender machen. Die desaströse Außenwirkung einer solchen Entscheidung dürften Haseloff und andere in der Parteiführung gleichermaßen fürchten.
Widmann-Mauz kritisiert Vorgehen in Sachsen-Anhalt
Feußner selbst will sich auf Nachfrage des SPIEGEL nicht zu ihren möglichen Plänen äußern. Auch andere Frauen könnten den Kampf gegen die rechten CDU-Männer suchen. Bislang hat allerdings keine Frau eine Kandidatur angekündigt.
Offiziell heißt es von der CDU, die hauptsächlich mit Männern besetzte Liste sei das Ergebnis einer regionalen Proporzverteilung. Man wolle die Direktkandidaten aus allen Teilen des Bundeslands unterbringen.
Daran gibt es nicht nur Kritik von erfahrenen Politikerinnen, sondern auch von der Jungen Union, die sich gegen eine Quote ausspricht. »Perspektivisch muss dieses Verfahren geändert werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich so wenige Frauen auf dem Listenvorschlag des Vorstands befinden«, sagt Anna Kreye, Bundesvorstandsmitglied und JU-Landesvorsitzende, dem SPIEGEL.
Auch die Bundesvorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz, moniert das Vorgehen der Landespartei. »Die Listenaufstellung zeigt, dass die bestehenden Verfahren unzureichend sind. Wir brauchen klare und verbindliche Regelungen in der Satzung«, sagt sie dem SPIEGEL mit Blick auf Sachsen-Anhalt. »Wollen wir attraktiver für Frauen werden, müssen wir festgefahrene Strukturen überwinden.«
Eine weitere Chance für Veränderung gäbe es selbst dann, wenn die Frauen am Samstag erfolglos blieben. Ende März trifft sich die CDU Sachsen-Anhalt erneut zum Parteitag, dann in Leuna. Als neuer Landeschef soll der bisherige Generalsekretär und EU-Abgeordnete Sven Schulze gewählt werden. Dann wird auch der Landesvorstand neu gewählt – womöglich gehören dem Gremium also künftig mehr Frauen an. Wenn sie Gehör finden.