CDU-Kritik an Merkel Es grollt im Kanzlerwahlverein

Chefverhandler Seehofer, Merkel, Schulz
Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERSAch, der SPD-Mitgliederentscheid. Der sei inzwischen doch gar nicht mehr die größte Hürde auf dem Weg zu einer neuen Großen Koalition, unken manche in der CDU: Eine Mehrheit beim Parteitag der Christdemokraten, auf dem am 26. Februar der Koalitionsvertrag mit SPD und CSU abgesegnet werden muss - die sei jetzt fraglich.
Natürlich wird das nicht passieren. Und das wissen auch all jene, die sich eine entsprechende Revolte wünschen. Dafür ist die CDU zu sehr ein sogenannter Kanzlerwahlverein: Eine Partei, in der am Ende zählt, dass jemand aus der CDU das Land regiert. Punkt.
Aber alleine die Tatsache, dass Christdemokraten sich plötzlich Dinge ausmalen, die außerhalb der CDU-DNA liegen, ist bemerkenswert. Es zeigt, wie groß die Unzufriedenheit in Teilen der Partei darüber ist, was Union und SPD ausgehandelt haben. Und diese Kritik richtet sich vor allem gegen die Frau, die man dafür verantwortlich macht: die Parteichefin und geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel.
Natürlich sagt das niemand so direkt, jedenfalls nicht offen. Aber es ist völlig klar, wer mit entsprechenden Äußerungen gemeint ist.
Dabei geht es weniger um den Koalitionsvertrag selbst, inhaltlich gibt es kaum Kritik am dem Verhandlungsergebnis. Der Unmut entzündet sich an dem, was auf der letzten von 177 Seiten aufgeführt ist: die Verteilung der Ressorts. Vor allem, dass die CDU das Bundesfinanzministerium an die SPD abgegeben hat, sorgt bei manchem Christdemokraten geradezu für Empörung. Dazu kommt der Verlust des Innenministeriums an die CSU, selbst wenn es damit in der Union bleibt. Und auch an den Namen, die für die sechs CDU-Ministerposten gehandelt werden, gibt es Kritik.
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"Der Kabinettszuschnitt, so wie er jetzt da ist, ist ein politischer Fehler", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten am Donnerstagmorgen in der ARD. Stetten ist Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion, spricht also für den CDU-Wirtschaftsflügel der CDU. Genau wie Werner M. Bahlsen, Chef des Wirtschaftsrats der Partei. Wegen des Verlusts des Finanzressorts an die SPD "winkt ein Ende solider Haushaltspolitik", meint Bahlsen. Und für Carsten Linnemann, Bundestagsabgeordneter und Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung MIT, geht die Ressortverteilung "mitten ins Mark der CDU". Seine Partei gebe damit ihren "Gestaltungsanspruch in entscheidenden Bereichen ab".
Harte Worte.
Aber nicht nur die Wirtschaftsleute sind unzufrieden. Auch jüngere CDU-Politiker, die auf eine Beförderung ihres Wortführers Jens Spahn gesetzt haben. Spahn, bisher parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, ist diesen Job demnächst los - und nach einem Posten im Kabinett sieht es für ihn bisher nicht aus. Auch MIT-Chef Linnemann gehört zum Spahn-Lager. Paul Ziemiak, Chef der CDU-Nachwuchsorganisation JU, erzählte in der Sitzung der Unionsfraktion am Mittwochabend, er habe bisher keine einzige positive Reaktion von der Basis erhalten. Auch andere jüngere Abgeordnete äußerten sich kritisch.

Große Koalition: Merkels neue Minister
Dabei weiß Merkel ja selbst, dass die Ressortverteilung nicht optimal gelaufen ist. Aber "schmerzhafte Kompromisse", die sie zuvor angekündigt hatte, sehen mitunter eben so aus. Zumal in einer so vertrackten Situation: Die SPD bestand bis zuletzt auf dem Finanzministerium - zusätzlich zu den wichtigen Ressorts Arbeit/Soziales und Außen. Deswegen die Verhandlungen platzen lassen? "Das wäre die größte denkbar mögliche Blamage gewesen", sagt jemand aus der CDU-Führung.
Zumal die CDU zwar bei der Ministerverteilung schlechter abgeschnitten hat - dafür aber inhaltlich kaum weitere Zugeständnisse machen musste, wie von der SPD gefordert. Aus Unionssicht enthalte der Vertrag "keine ideologisch strittige Position", heißt es aus der CDU-Spitze - ganz anders als im Koalitionsvertrag von 2013, als die SPD den Mindestlohn, die Rente mit 63 und die Frauenquote verankerte.
Stichwort Kompromiss: Man kann eben nicht alles haben.
Das wissen erfahrene Verhandler wie die CDU-Chefin. Aber Merkel stellt eben auch fest, dass sie ihrer Partei nicht mehr ohne Weiteres zumuten kann, was sie in der Vergangenheit schlucken musste. Die Vorsitzende hat mit der Einigung vom Mittwochmorgen nochmals an Autorität in den eigenen Reihen verloren. Sollte die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zustimmen, kann sie als Kanzlerin weitermachen. Aber Merkel muss sich anstrengen, damit ihr die Dinge nicht entgleiten.
Im Video: Merkels Niederlage
Dass sie jemanden wie Spahn deshalb doch zum Minister macht, heißt das noch lange nicht. Er wird sie nicht stürzen können, dafür fehlen ihm vor allem mächtige Verbündete in der CDU. Und auch die vielen negativen Schlagzeilen dieser Tage kann Merkel verkraften - davon hat sie in ihrer langen Karriere genug abbekommen. Verjüngungssignale wird sie trotzdem setzen, beispielsweise durch die Berufung der rheinland-pfälzischen CDU-Chefin Julia Klöckner ins Kabinett. Und auch um ihre mögliche Nachfolge muss sie sich kümmern.
Aber erst mal muss das ja überhaupt mit der Koalition klappen. Wie gesagt, Sorgen um ihren Parteitag in Berlin Ende Februar muss Merkel dabei wohl nicht haben, obwohl es sicher einige kritische Wortmeldungen und auch manche Gegenstimme geben dürfte. Der SPD-Mitgliederentscheid - da wird es noch mal spannend.
Und ironischerweise könnte ihr dafür jede Meldung über die Niederlage der Christdemokraten in den Koalitionsgesprächen und die Kritik aus den eigenen Reihen helfen.
Denn: Je schwächer das CDU-Verhandlungsergebnis dargestellt wird, umso schwerer wird es für die GroKo-Gegner in der SPD.