Merkels Fest-Parteitag Die Risiken der Kuba-Kanzlerin

Ein Rekordergebnis und viel Harmonie: Die CDU gönnt ihrer Chefin und Kanzlerin Angela Merkel einen geradezu paradiesischen Parteitag. Doch die Geschlossenheit ist nur inszeniert - und dürfte im Wahlkampf auf eine harte Probe gestellt werden.
Merkel auf dem Parteitag: Die Hochstimmung könnte schnell eingetrübt sein

Merkel auf dem Parteitag: Die Hochstimmung könnte schnell eingetrübt sein

Foto: dapd

Die CDU hat vorgelegt. Und wie. 98 Prozent für Angela Merkel, ein "kubanisches Wahlergebnis", wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer es nennt. Ein Ergebnis, das die Chefin nach eigenen Worten geplättet hat. Das soll die SPD erst einmal nachmachen, wenn sie am Sonntag Peer Steinbrück offiziell zum Herausforderer der Kanzlerin nominiert, sagen sich die Christdemokraten. Sie werden dem Treffen der Genossen gelassen zusehen.

Zu gelassen? Die CDU strotzt derzeit vor Selbstbewusstsein. Angela Merkel verkündet neuerdings bei jeder Gelegenheit, sie führe die "erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung". Sie ist im Wahlvolk beliebt wie nie, auch die Union liegt in den Umfragen deutlich vorn, während der Kandidat der Sozialdemokraten einen denkbar schlechten Start hingelegt hat. Und jetzt noch ein Bilderbuch-Bundesparteitag. Was soll da noch schief gehen? So ist die Stimmung in der Hannoveraner Messehalle. "Ran an den Speck", gab Merkel am Dienstag nach ihrer Wiederwahl die Losung vor. Horst Seehofer sagt es bei seinem Grußwort am Mittwoch auf bayerisch: "Passt scho'!"

Doch die demonstrative Siegesgewissheit macht sich in der Union reichlich früh breit. Der Weg bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres ist noch weit. In den kommenden Monaten wird die inszenierte Geschlossenheit noch auf eine harte Probe gestellt werden.

Schon die Landtagswahl in Niedersachsen im Januar könnte dem Optimismus im Merkel-Lager einen empfindlichen Dämpfer verpassen. Ministerpräsident David McAllister genießt zwar in der Bevölkerung hohes Ansehen. Die großen Sympathien könnten aber wertlos sein, weil sein derzeitiger Koalitionspartner FDP weiter schwächelt. Scheitern die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde und verpassen auch Linke und Piraten den Einzug in den Landtag, könnte es für Rot-Grün reichen. Die nächste Staatskanzlei wäre für die CDU verloren - kein gutes Signal für den folgenden Bundestagswahlkampf.

Zumal die FDP auch im Bund im Dauersiechtum verharrt. Merkel legte beim Parteitag zwar ein halbherziges Bekenntnis ab, dass sie die Neuauflage der schwarz-gelben Koalition wolle. Für Jubel und Gelächter unter den Delegierten sorgte allerdings vor allem ihr Seitenhieb auf die Liberalen: Ihr habe jüngst eine Fernsehsatire aus dem Herzen gesprochen, in der es hieß, Gott habe die FDP nur geschaffen, "um uns zu prüfen". Merkel weiß, sie muss sich alle Optionen offen halten - auch ein Bündnis mit den Grünen. Die Debatte über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis belastet die Koalition aber schon jetzt. Die Freidemokraten müssen die Gedankenspiele als Provokation auffassen. Und auch in der CDU windet sich mancher, wenn er sich die Grünen als Partner vorstellen soll.

Fluchtartig zum Mittagessen

Angela Merkel weiß ohnehin: Ihr fulminantes Wiederwahlergebnis ist vor allem der nahenden Bundestagswahl geschuldet und nicht Ausdruck bedingungsloser Gefolgschaft. Die Parteichefin hat sich in Hannover nicht einmal große Mühe gegeben, ihr Auftritt war wenig kämpferisch, oft blieb sie im Ungefähren. Die Delegierten gaben sich genügsam, lieferten am Ende einen fast achtminütigen Applaus ab, um dann noch vor der Aussprache den Saal fluchtartig zum Mittagessen zu verlassen.

Natürlich ist Merkel in der CDU unangefochten - was auch daran liegt, dass weit und breit kein innerparteilicher Rivale in Sicht ist, der ihr die Macht streitig machen könnte. Doch noch immer fremdeln weite Teile der Partei mit ihrem Modernisierungskurs, was auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bei ihrem bescheidenen Ergebnis bei der Stellvertreterwahl zu spüren bekam.

Um den stets murrenden konservativen Flügel nicht weiter zu verprellen, hatte sich Merkel schon vor dem Parteitag gegen die steuerliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften ausgesprochen. Die Delegierten folgten ihrer Linie und lehnten den entsprechenden Antrag am Dienstagabend ab. Doch die Mehrheitsverhältnisse zeigten: Es gibt in der CDU noch immer höchst unterschiedliche Vorstellungen, wie weit man sich der Lebenswirklichkeit öffnen soll. Die Debatte über die Homo-Ehe in Hannover war freundlich im Ton, ausgesöhnt sind die Lager der Traditionalisten und Modernisierer jedoch noch lange nicht. Und die anhaltende Schwindsucht in den Großstädten wird dafür sorgen, dass die Diskussion darüber, wie die Christdemokraten neue Wählerschichten ansprechen wollen, ohne die Stammklientel zu verschrecken, die Union auch im Wahlkampf begleiten wird.

Bei aller Geschlossenheit - es gibt also genug Stoff, der die Hochstimmung in der Union schnell eintrüben könnte. Immerhin: Einer, der in der Vergangenheit immer wieder für Unruhe gesorgt hat, verspricht Angela Merkel am Mittwoch, im Wahlkampf keinen Ärger zu machen: CSU-Chef Seehofer. "Die ganze Gefahr liegt in den nächsten Monaten bei mir", witzelt er erst mit Blick auf seine früheren Störfeuer aus Bayern. Dann beteuert er, die CSU werde von nun an kein brüllender Löwe, sondern ein schnurrendes Kätzchen sein. Die Kanzlerin nimmt es mit einem zufriedenen Lächeln zur Kenntnis.

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