Streit über Parteitag Das Online-Problem der CDU

CDU-Kandidaten: Norbert Röttgen, Friedrich Merz, Armin Laschet
Foto: Adam Berry / Getty ImagesEs war eine unverhohlene Drohung. "Je ruinöser der Wettbewerb geführt wird", hatte Annegret Kramp-Karrenbauer noch am Samstag dem SPIEGEL gesagt, desto mehr könnten sich die Delegierten "die Frage nach anderen Bewerbern stellen".
Tags darauf hat sich die CDU-Chefin noch immer nicht beruhigt. Ein "Blick in den Abgrund", sei das gewesen, was sich in der Partei zuletzt abgespielt habe, sagte sie RTL und n-tv.
Es ist klar, wem der Rüffel gilt: Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Die drei bisherigen Kandidaten für ihre Nachfolge an der Parteispitze sollten sich mal nur nicht zu sicher sein. Das ist Kramp-Karrenbauers Botschaft. Auch jetzt noch, nachdem zumindest ein bisschen Frieden in Sicht ist.

Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Blick in den Abgrund"
Foto: Political-Moments / imago-imagesTagelang hatte das Männertrio in der Frage gerungen, wann und wie die Konservativen einen von ihnen zum Vorsitzenden küren können. Trotz Corona. Trotz explodierender Infektionszahlen. Trotz Shutdown.
Eine Sachdiskussion eigentlich, doch die CDU-Kontrahenten machten daraus ein verbissenes Gefeilsche mit geradezu unwürdigen Nachtritten. (Lesen Sie die Rekonstruktion einer dramatischen Sitzung. )
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet wollte den ursprünglich für den 4. Dezember vorgesehenen Parteitag aufschieben. Ex-Fraktionschef Merz witterte darin den Versuch seines größten Widersachers, der drohenden Niederlage zu entgehen. Schließlich liegt Merz derzeit in Umfragen unter CDU-Anhängern deutlich vor Laschet. Das "Partei-Establishment" wolle ihn verhindern, raunte Merz.
Überraschende Bewegung
Am Freitag kam nun aber überraschend Bewegung in die Angelegenheit. Merz, Laschet und Röttgen hatten sich doch noch zusammengerauft, fürs Erste jedenfalls.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verkündete am Abend den neuen Frieden. "Gerade in so schwierigen Zeiten" sei Einigkeit in der CDU besonders wichtig für Deutschland, schrieb Ziemiak auf Twitter.
Der Plan sieht tatsächlich eine Verschiebung des Parteitags auf Mitte Januar vor. Allerdings machen Merz, Laschet und Röttgen diesmal konkrete Vorschläge, wie es gehen soll: Am liebsten wollen sie einen regulären Präsenzparteitag oder, wenn das nicht hinhaut, dezentrale Veranstaltungen. Klappt auch das nicht, fordern sie einen "Online-Parteitag mit digitaler Wahl des Bundesvorstandes". Die Details soll das Führungsgremium in seiner Sitzung am 14. Dezember festzurren.
Gerade in so schwierigen Zeiten ist Einigkeit in der @CDU besonders wichtig für Deutschland. @ArminLaschet @_FriedrichMerz @n_roettgen haben sich nach intensiver Beratung verständigt, den Bundesvorstand der #cdu zu bitten, Mitte Januar 2021 einen #Parteitag durchzuführen.
— Paul Ziemiak (@PaulZiemiak) October 31, 2020
Kehrt nun wieder Ruhe ein in der Union?
So einfach ist das wohl nicht. Warum sollte sich in den bevorstehenden Wintermonaten die Corona-Lage entspannen? Warum sollte es im Januar wieder möglich sein, dass sich die CDU-Delegierten persönlich treffen? Im Grunde ist allen Beteiligten klar: Es kann bei diesen Varianten nur Plan C bleiben - die Onlinewahl.
Doch genau da liegt das Problem: Um übers Netz abzustimmen und damit den innerparteilichen Kleinkrieg zu beenden, ist die CDU wohl auf die Hilfe der politischen Konkurrenz angewiesen.
Stand jetzt nämlich sind digitale Onlinewahlen rechtlich gar nicht erlaubt. Das Parteiengesetz wird gemeinhin so ausgelegt, dass man auch leibhaftig für die Parteitage zusammentritt.
Grundgesetzänderung nötig?
Die Lösung aus CDU-Sicht soll nun eine schnelle Gesetzesänderung bringen, am besten noch vor Weihnachten. Doch bislang ist völlig unklar, was genau dafür nötig wäre.
Denn die Bedenken sind gravierend. Kritiker sehen etwa den Grundsatz der geheimen Wahl gefährdet, wenn die Menschen am heimischen Rechner ihr Votum abgeben. Manche halten digitale Vorstandswahlen gar für verfassungswidrig. Muss am Ende sogar eine Grundgesetzänderung her, durchgepeitscht binnen wenigen Wochen?
Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble ließ die juristischen Fragen zuletzt vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags prüfen. Mittlerweile liegt nach SPIEGEL-Informationen das Ergebnis vor. Um die digitale Personenwahl juristisch sattelfest zu machen, könnte demnach eine Änderung im Parteienrecht ausreichen.
Bleibt es dabei, wäre die Union lediglich auf die Stimmen ihres Koalitionspartners, der SPD, angewiesen. Dort hatte man zuletzt Gesprächsbereitschaft signalisiert. Man sei für solche Vorschläge offen, sagte Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion am Wochenende.
Sollte es hingegen doch noch auf eine Grundgesetzänderung hinauslaufen, bräuchte die Union die Hilfe weiterer Parteien, um die notwendige Zweidrittelmehrheit zustande zu bringen.
"Schweinsgalopp-Verfahren"
In der Opposition aber reagiert man ziemlich verschnupft auf die jüngste Volte in der Union. Britta Haßelmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, fordert grundsätzlich "eine Reform des Parteiengesetzes zur dauerhaften Verankerung von elektronischer Demokratie". Es liege nicht an den Grünen, sagte Haßelmann dem SPIEGEL, dass bisher nichts passiert sei. "Union und SPD hatten hierauf bislang verzichtet".
Ihr Amtskollege in den Reihen der FDP, Marco Buschmann, begrüßt zunächst "eine seriöse Debatte um digitalere Wahlen". Aber: "Ein Schweinsgalopp-Verfahren, um mit einer Grundgesetzänderung den nächsten CDU-Parteitag zu retten, ist mit der Würde der Verfassung in meinen Augen nur schwer vereinbar."

Trio im Machtkampf: Röttgen, Merz, Laschet bei einer Veranstaltung der Jungen Union
Foto: MICHAEL KAPPELER / AFPNoch größer sind die Vorbehalte bei den Linken, die gerade ihrerseits einen Wahlparteitag absagen mussten und noch nach einer Alternativlösung suchen. Die streitfreudigen Genossen hängen besonders an Präsenzveranstaltungen, zugleich gibt es Zweifel an der Sicherheit von digitalen Wahlen.
"Die Chaostage in der CDU sind auch nicht durch Onlinewahlen zu beheben", sagte Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, dem SPIEGEL. "Hier geht es um politisch-strategische Auseinandersetzungen." Er halte digitale Vorstandswahlen für "extrem fragwürdig", so Korte. "Insbesondere weil digitale Wahlen auch zu hacken sind." Trotzdem stehe man für Gespräche zwischen den Fraktionen zur Verfügung.
Doch es gibt auch noch eine völlig andere Idee, die in der CDU gerade die Runde macht - ausgerechnet auch im Innenministerium, das bislang beim Thema Onlinewahlen stets gebremst hat. Die Gesetzeslage lasse "digitale Parteitage und digitale Wahlen bis auf die Schlussabstimmung zu", sagt der Parlamentarische Staatssekretär Günter Krings. "Nur diese muss dann in einem brieflichen Wahlgang erfolgen."
Soll heißen: Während eine reguläre Briefwahl des Vorstands mit diversen Abstimmungsrunden sehr aufwendig wäre, könnten die CDU-Delegierten in diesem Szenario alles online erledigen. Sie müssten lediglich am Ende ein einziges Votum in die Post geben.
Und das ganz legal, ohne Gesetzesänderung - und ohne Hilfe der Konkurrenz.