Dieser Beitrag wurde am 07.09.2018 auf bento.de veröffentlicht.
Die CDU in Sachsen fordert nach dem gewaltvollen Tod eines 35-Jährigen in Chemnitz ein Messerverbot in deutschen Innenstädten. Zur Begründung sagte Landtagsfraktionsvize Stephan Meyer:
Mit dem Hinweis auf "unsere Kultur" meinte Meyer allerdings offenbar weniger einheimische Traditionen oder das Grundgesetz:
Vielleicht hätte es der sächsischen CDU-Fraktion jedoch geholfen, mehr über bestehende Gesetze zu wissen.
Denn das sogenannte "Messerverbot" gibt es bereits. Es gilt seit gut zehn Jahren.
So heißt es in Paragraph 42a des Waffengesetzes:
Die Stichwaffen, von denen Meyer spricht, können also bereits heute von der Polizei eingezogen werden, Butterfly- und Einhand-Messer sind seit langem verboten. Das BKA informiert bereits seit mehreren Jahren auf einer eigenen Seite darüber, wie die in der Öffentlichkeit verbotenen Messer aussehen.
Gibt es wirklich mehr Angriffe mit Messern?
Angriffe mit Messern durch Migranten sind seit langer Zeit ein Lieblingsthema in rechten und rechtsradikalen Kreisen. Auch die "Bild" warnt seit Monaten vor "Messer-Angst", auf Twitter verwenden Nutzer den Hashtag "Messerland". Führende AfD-Politiker wie Parteivorsitzende Jörg Meuthen füttern die Empörung immer wieder mit vermeintlichen Skandal-Meldungen:
Doch viele der Zahlen, die dazu verbreitet werden, sind falsch oder verzerrt wiedergegeben. Statistiken aus den Bundesländern sind oft unterschiedlich, bislang gibt es keine verlässlichen Zahlen für ganz Deutschland. (Correctiv)
Der Twitter-Nutzer Nasir Ahmad hat in einer frei einsehbaren Datei mehrere hundert bisherige Meldungen über angebliche Attacken ausgewertet. Demnach handelt es sich nur bei 76 von 564 Berichten um Messerangriffe durch Migranten.
In den meisten Fällen ist die Messer-Panik also vor allem eine faktenfreie, meist fremdenfeindliche Stimmungsmache.
Wie kommt die CDU in Sachsen auf solche Ideen?
Die CDU in Sachsen steht nach den Ereignissen in Chemnitz besonders unter Druck. Nachdem Ministerpräsident Kretschmer die Ausschreitungen zunächst kritisiert hatte, relativierte er wenige Tage später seine Aussage und sprach davon, es habe "keinen Mob, keine Hetzjagd" gegeben (bento).
Bei der Landtagswahl im kommenden Jahr dürfte seine Partei vor allem mit der AfD konkurrieren. Bei der Bundestagswahl landete die Partei bereits symbolträchtig knapp vor der Dauer-Regierungspartei CDU. Seitdem hat sich die Stimmung weiter nach rechts verschoben. Viele sächsische CDU-Vertreter fordern von der Bundesregierung einen härteren Kurs in der Asyl-Politik.
Dass manche CDU-Politiker in Sachsen die Flüchtlingspolitik der eigenen Kanzlerin am liebsten abwickeln würden, zeigt sich auch daran, wie Fraktions-Vize Stephan Meyer den aktuellen Messer-Vorstoß weiter begründete:
Die AfD dürfte sich über diese Töne freuen.