Verhältnis von CDU und AfD im Osten Noch hält die Brandmauer

CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring zögerte lange, seine mögliche Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten mithilfe von Stimmen der AfD abzulehnen. Erst jetzt hat er es getan. Zu spät?
Thüringens CDU-Chef Mohring: "Ich verwahre mich gegen diese respektlose Äußerung"

Thüringens CDU-Chef Mohring: "Ich verwahre mich gegen diese respektlose Äußerung"

Foto: Michael Reichel/ DPA

Einen "jungen Stürmer" nannte Björn Höcke Thüringens CDU-Vorsitzenden Mike Mohring einst. Er stehe "voll im Saft", schwärmte der AfD-Landeschef. 2014 war das, als Mohring und Höcke nach der Landtagswahl mit einem Gedanken spielten: Mit Stimmen der AfD und einiger verprellter Sozialdemokraten erwog Mohring, sich zum Regierungschef wählen zu lassen - und so Deutschlands ersten Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu verhindern.

Mohring versuchte alles, um Regierungschef zu werden. Irgendwie.

Fünf Jahre später führt der CDU-Chef in Erfurt nun ein ganz ähnliches Schauspiel auf:

  • Erst ließt Mohring offen, ob er mit den Linken zusammenarbeitet.
  • Dann verkündete er sein Ziel, eine Simbabwe-Minderheitskoalition mit SPD, FDP und Grünen zu bilden. Und trotz recht eindeutiger Absagen verfolgt er dies weiter.
  • Allzu lange ließ er zu, dass einige Parteikollegen von der Basis offen für eine Zusammenarbeit mit der AfD werben.
  • Am Mittwoch lehnte die CDU-Fraktion bei zwei Gegenstimmen Gespräche mit der AfD ab.
  • Doch Mohring äußerte sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur entscheidenden Frage, ob er sich im Zweifel mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen würde.

In der letzten Nacht endlich Tacheles. Mohring legte via "Bild" eine politische Notbremsung hin. "Es wird keine Wahl geben, bei der ich vorher nicht ausschließe: Ich will keine Stimmen der AfD-Politiker! Es gibt für mich in dieser Frage keinerlei Grauzonen", teilte er mit.

Das schlechte Abschneiden in Thüringen bei gleichzeitigem AfD-Erfolg hat große Unruhe in die gesamte CDU gebracht. Die Parteiführung in Berlin versucht mit aller Macht, die politische Brandmauer zu den Rechtspopulisten zu verteidigen. Doch in den Ost-Verbänden brodelt es.

Jüngster und stärkster Ausdruck dieses Bemühens war der SPIEGEL-Gastbeitrag von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Mittwoch: Im Verhältnis zwischen Union und AfD könne es "nur klare Kante und schärfste Abgrenzung geben", schreibt Ziemiak. Höcke nennt er einen "Nazi", die AfD sei "auf dem Weg zur NPD 2.0". Aus blau werde braun.

Zudem bezeichnete Ziemiak den Vorschlag von der Thüringer CDU-Basis zu Gesprächen mit der AfD als "irre". Darauf wiederum reagierte Mohring: "Ich verwahre mich gegen diese respektlose Äußerung", verteidigte er seine Parteikollegen. Der Landeschef steht unter Druck, die Zweifel an ihm wachsen. Bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden stimmten am Mittwoch 7 von 21 Landtagsabgeordneten gegen ihn.

Zugleich rangen ihm die Abgeordneten ab, die nächste Wahl in zwei Jahren anzusetzen - und nicht in fünf, wie er es zuvor noch durchzusetzen versuchte. An einer Simbabwe-Koalition will Mohring festhalten, auch wenn einer solchen kaum noch jemand Chancen einräumt. "Das ist der Versuch von Mohring, sich zu retten", sagt ein Abgeordneter nach der Sitzung, in der heftig diskutiert wurde.

Was ist da bloß los in Thüringen? Und, genereller: Was ist da los bei der Ost-CDU?

In fast allen Ost-Verbänden gibt es inzwischen Streit darüber, wie man es mit der AfD halten sollte. Bei der Europawahl, bei den Kommunalwahlen, nun bei den drei Landtagswahlen im Osten haben sie Stimmen verloren - während die AfD Erfolge feierte wie noch nie.

Teile der CDU verfallen immer mehr in Panik angesichts eines 25-Prozent-Blocks, der sich rechts neben der Christdemokratie formiert hat.

  • In Sachsen-Anhalt rieten zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Sommer in einem Strategiepapier, "das Soziale mit dem Nationalen" zu verbinden und liebäugelten mit einer Öffnung zur AfD.
  • Der Brandenburger CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben wollte Gespräche mit der AfD nicht ausschließen.
  • Und auch der sächsische Fraktionsvorsitzende Christian Hartmann erklärte zeitweise, eine Koalition mit der AfD sei möglich.

Immer mehr Politiker an der Basis versuchen, Steine gegen die Brandmauer zu werfen, die die CDU gegenüber der AfD errichtet hat.

Vogel: "Die Wähler nicht in eine Bunker-Mentalität treiben"

"Man sollte noch mal über den Umgang mit der AfD nachdenken", sagt der frühere Ministerpräsident von Thüringen, Bernhard Vogel, dem SPIEGEL. "Ich will mit den Führungsleuten und der Programmatik der AfD nichts zu tun haben. Sie sind in einer Weise rückwärtsgewandt und nationalistisch, dass dort keine Anknüpfungspunkte für die CDU möglich sind." Dennoch: "Die etablierten Parteien dürfen die Wähler nicht in eine Bunker-Mentalität treiben, aus der die Wähler nicht mehr herauskommen."

Doch genau das ist das Dilemma, das die CDU zu zerreißen droht: Einerseits scharf abgrenzen, andererseits die AfD-Anhänger nicht verprellen. Gerade der zweite Aspekt ist für die Ost-CDU entscheidend, die Westkollegen haben es ja nicht mit 25-Prozent-Blöcken in den Parlamenten zu tun. Drei Kenia-Koalitionen soll es bald in Ostdeutschland geben. Eigentlich waren die Grünen und die SPD mal das gegnerische Lager.

Werden die Steinewerfer im Osten es am Ende doch schaffen, genau deshalb die Brandmauer zu zertrümmern?

Als CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer im August einige CDU-Politiker aus Sachsen in die Parteizentrale nach Berlin einlud, wurde das Dilemma offensichtlich. Zuvor hatten diese in Briefen ihren Unmut gegenüber der Parteiführung geäußert. Wie mehrere Teilnehmer berichten, verlief das Gespräch gut. Nur an einem Punkt war die Stimmung kühl: bei der AfD.

In mehreren sächsischen Kommunalparlamenten hatte die CDU den Eindruck erweckt, sie habe mit der AfD zusammengearbeitet. Kramp-Karrenbauer machte deutlich, wie der Parteitagsbeschluss zu verstehen ist, der jegliche Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten ausschließt, und verwies auf ein Kommunalbeispiel aus Rheinland-Pfalz , wo eine gemeinsame Fraktion aus CDU und AfD zu einem Ausschlussverfahren führte. Zwar gaben die Sachsen ihrer Parteichefin recht, eine Koalition sei undenkbar. Zugleich machten sie aber klar, dass es sich um geheime Abstimmungen handelte.

So ging man im Widerspruch auseinander.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten