Maskenaffäre bei CDU und CSU Die Panik-Union

Chaos in der Corona-Politik, die Minister versagen reihenweise: Die Union erlebt ohnehin schon schwere Zeiten. Die jüngsten Skandale um geldgierige Abgeordnete könnten CDU und CSU nachhaltig schaden.
CDU-Chef Laschet

CDU-Chef Laschet

Foto: Michael Sohn / AP

Die eine Nachricht dieses Tages lautet: Die politische Karriere des Nikolas Löbel ist nicht vorbei. Jedenfalls noch nicht. Der junge CDU-Abgeordnete will offensichtlich retten, was zu retten ist. Ein Rückzug auf Raten, das ist seine Idee – trotz des Skandals um seine Maskendeals , der aktuell die Union ins Mark trifft.

Löbel verlasse sofort die Bundestagsfraktion, teilte sein Büro am Vormittag mit. Doch sein Mandat, hieß es, werde er erst am 31. August aufgeben. Ein paar Monate mehr im Parlament können Löbel wohl Tausende Euro an Diäten und Übergangsgeldern bescheren.

Ein Politiker, der aufgibt, weil er sich an der Coronakrise bereichert hat – und dann abermals abkassiert? Das ist endgültig zu viel für die Konservativen.

CDU-Politiker Löbel: Abgeordneter bis Ende August?

CDU-Politiker Löbel: Abgeordneter bis Ende August?

Foto: Christian Spicker / imago images/Christian Spicker

Andreas Jung, Chef der baden-württembergischen Landesgruppe im Bundestag, gehört zu denen, die eine rote Linie ziehen: »Ein harter Schnitt« sei unumgänglich, sagt er am Sonntag. Löbel müsse sein Mandat im Bundestag niederlegen – »unverzüglich«.

Am Ende stellen sich auch jene gegen Löbel, die ihn wohl am besten kennen. Etwa drei Stunden tagt der Kreisvorstand der Mannheimer CDU, dessen Chef Löbel bis zu diesem Tag noch war. Bis spätestens zum 31. März solle Löbel alle Ämter und Mandate abgeben, heißt es in einem Beschluss des Gremiums. »Um allen Beteiligten eine unnötige Hängepartie zu ersparen.«

Löbel sagt vorerst nichts zu dieser Forderung. In der Videoschalte des Kreisvorstands habe er nach einer Stellungnahme zu Beginn die Kamera ausgeschaltet, berichten Teilnehmer.

Doch klar ist: Der Druck auf den 34-Jährigen ist gewaltig.

250.000 Euro für Maskendeal

Zumindest kann man diesmal nicht sagen, die Konservativen würden die Sache totschweigen. Wie auch? Der Fall Löbel untermalt ein düsteres Bild von Unionsabgeordneten, die den Kampf gegen eine historische Krise dazu nutzen, sich in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Löbel hatte dem SPIEGEL bestätigt, dass er für die Vermittlung von Corona-Schutzmasken im vergangenen Jahr etwa 250.000 Euro kassiert hatte.

Seit Tagen steht die Union da schon in den Schlagzeilen wegen anderer raffgieriger Parlamentarier. Der Karlsruher Abgeordnete Axel Fischer soll gegen Geld für das aserbaidschanische Regime lobbyiert haben. Gegen den CSU-Politiker Georg Nüßlein ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung. Auch er hatte wohl für teure Maskenverträge abkassiert. Am Sonntagabend erklärt Nüßlein seinen Austritt aus der Fraktion.

Dazu kommen die Erinnerungen an Philipp Amthor und dessen Engagement für die US-Firma Augustus Intelligence. Einzelfälle seien das, hieß es in der Union zunächst. »Schwarze Schafe« eben. Bei Amthor, dessen Affäre natürlich nicht direkt mit den aktuellen Problemen vergleichbar ist, versuchte man ganz offensichtlich noch, die Sache auszusitzen. Inzwischen wurde der 28-Jährige sogar in Mecklenburg-Vorpommern als Spitzenkandidat der CDU für die Bundestagswahl nominiert.

Doch spätestens der Fall Löbel macht es den Konservativen immer schwerer, der Kritik an einem schwarzen Sumpf von Lobbyismus, Korruption und Gier etwas zu entgegnen.

»Dann muss man sie rausschmeißen«

Zahlreiche Bundes- und Landespolitiker gingen am Wochenende denn auch auf Distanz zu Löbel und den anderen. Solch ein Verhalten schade »dem Ansehen der Politik insgesamt«, ließen am Freitag Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und dessen Stellvertreter Alexander Dobrindt wissen.

»Zutiefst unanständig« sei die Selbstbereicherung, schrieb CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf Twitter. JU-Chef Tilman Kuban wurde noch deutlicher: Wer sich in der Not der Menschen die Taschen vollmache, »gehört nicht in ein deutsches Parlament«, polterte Kuban. »Und wenn sie nicht gehen wollen, muss man sie rausschmeißen.«

Wahl-O-Mat Baden-Württemberg 2021
Foto: Bundeszentrale für politische Bildung
Zum Wahl-O-Mat

Am Sonntag meldet sich schließlich auch Parteichef Armin Laschet zu Wort, von dem in dieser Angelegenheit bislang herzlich wenig zu hören war. »Wer als Volksvertreter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzüglich verlassen«, sagt Laschet dem »Südkurier«. »Jeder Abgeordnete, der sich an und in der Krise bereichert, beschädigt das höchste Gut in der Demokratie: Vertrauen.«

Für die Union brandgefährlich

Die Reaktionen zeigen: Die Sache ist für die Union brandgefährlich – zuallererst für die beiden Verbände im Südwesten. Am 14. März wird in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg neu gewählt. Schon vor den jüngsten Skandalen drohte der CDU hier ein Desaster. Umfragen sehen die Christdemokraten in beiden Ländern bei unter 30 Prozent.

Seit Wochen diskutieren Konservative auch im Bund ein Schreckensszenario, das nun immer wahrscheinlicher wird: Dass künftig nicht nur in Mainz, sondern auch in Stuttgart eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP regiert. Man muss kein Prophet sein, dass dieses Modell dann fast zwangsläufig auch auf Bundesebene wieder angesagter wäre.

CSU-Mitglied Georg Nüßlein: Staatsanwaltschaft ermittelt

CSU-Mitglied Georg Nüßlein: Staatsanwaltschaft ermittelt

Foto: Soeren Stache / dpa

»Wenn wir da nicht aufräumen, dann wird uns der Wähler dafür bestrafen«, sagt ein CDU-Abgeordneter mit Blick auf die Vorkommnisse in der Fraktion.

Schließlich befindet sich die Union sowieso bereits in größten Schwierigkeiten. Es sind vor allem ihre Regierungsmitglieder, die wegen diverser Pannen und Fehlplanungen in der Krise massiv in der Kritik stehen: Kanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn, Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Dazu kommt der dauerangezählte Verkehrsminister Andreas Scheuer.

Kanzlerkandidatenkür in der Krise

Auch die bundesweiten Umfragen verheißen für die Konservativen nichts Gutes. Und das alles zu einem Zeitpunkt, der für CDU und CSU kaum brisanter sein könnte. In den kommenden Wochen wollen beide Unionsparteien eigentlich ihre wichtigste Personalfrage klären: die Kanzlerkandidatur.

Nun droht die Kür des künftigen Spitzenkandidaten mitten in eine tiefe Krise der Konservativen zu fallen. Vor allem für Laschet, der Favorit auf die Merkel-Nachfolge, ist das ein Problem. Er, der sich gerade etwas zu stabilisieren schien, gerät nun in einen gefährlichen Sog.

Bringen Löbel und Co. die Union ernsthaft ins Wanken?

In Partei- und Fraktionsspitze herrscht an diesem Wochenende jedenfalls regelrechte Panik. Laschet und Fraktionschef Brinkhaus seien im Dauerkontakt, heißt es. Sie hätten die Brisanz der Lage erkannt, drängten intern auf allen Ebenen darauf, dass Löbel sein Mandat mit sofortiger Wirkung niederlege, erzählen Vertraute.

Doch erledigt wäre die Sache auch damit vermutlich noch lange nicht. Zumal niemand weiß, wie viele ähnlich gelagerte Affären noch auffliegen könnten.

Auch Laschet-Konkurrent Markus Söder gerät zunehmend unter Druck. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen seinen CSU-Parteifreund Nüßlein sei der bayerische Ministerpräsident »außer sich« gewesen, heißt es. Doch öffentlich hält auch er sich lange zurück. Am Sonntag kommentiert Söder dann doch noch die Lage. »Es ist nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen«, schreibt er. »Das ist mit den Grundwerten der Union unvereinbar.«

Söder fürchtet einen nachhaltigen Imageschaden für die CSU. Der Fall Nüßlein weckt unschöne Erinnerungen an die alte Amigo-Ära unter CSU-Übervater Franz-Josef Strauß. Zudem hat gerade Söder mit seinem harten Corona-Kurs Bürgern und Unternehmen viel zugemutet. Dass ausgerechnet in seinen Reihen jemand mit der Krise Kasse macht, könnte Folgen haben.

Die AfD braucht ab sofort kein Wahlprogramm mehr, sagt einer aus der CSU-Fraktion. »Das ist ein Elfmeter, den man dem Gegner auch noch selbst ins Tor schießt.«

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