Mangelnde Mitmachkultur in der CDU Die langweiligste Partei Deutschlands

Die CDU hat den Koalitionsvertrag ohne Gegenstimmen abgesegnet. Das ist kein gutes Zeichen. Unter Angela Merkel gleicht die größte Volkspartei einem Abnickverein, in dem Kontroversen nur in Maßen gewünscht sind.
CDU-Chefin Merkel: Alles unter Kontrolle

CDU-Chefin Merkel: Alles unter Kontrolle

Foto: Maurizio Gambarini/ picture alliance / dpa

Ein bildhaftes Beispiel für das Problem der CDU findet man auf dem Deckblatt von "Souverän", dem Mitgliedermagazin der Senioren-Union. Darauf posiert ein junger Mensch , der so aussieht, wie sich Höherbetagte einen jungen Menschen vorstellen: frecher Fransenschnitt, Kunstlederjacke, Handy in der Hand, passiv-aggressive Flunsch.

"Fehlt der heutigen Jugend der Schwung?", fragt der CDU-Verband. Daraus folgt die überraschende, wenn auch bedenkliche Erkenntnis: Die Jugend von heute ist sogar den Älteren zu brav.

Das glaubt man sofort, betrachtet man den christdemokratischen Nachwuchs. Der ist traditionell so rebellisch wie eine Teppichfliese. "Ich bedauere, dass wir den Rentenkompromiss eingegangen sind", sagte der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, an diesem Montag auf dem kleinen Parteitag. So klingen Kontroversen in der CDU. Am Ende wurde der Koalitionsvertrag natürlich abgenickt. Ohne Gegenstimme, mit zwei Enthaltungen.

Dabei hatten die Jungpolitiker der Union im Vorfeld immerhin ein Internetmanifest  verfasst, das die schwarz-rote Rentenpolitik missbilligt. Auch der Wirtschaftsflügel der Partei begehrte auf. Doch der Protest war zu dezent, um irgendjemanden oder irgendetwas zu bewegen.

Der halbherzige Versuch einer Revolte passt zur Binnenkultur der Union. Klare Kritik, womöglich spontan und im öffentlichen Raum geäußert, ist der CDU weitgehend fremd. Ein bisschen Grummeln, ein bisschen Murren, am Ende wird trotzdem zugestimmt. Echte Mitbestimmung und ehrliche Auseinandersetzungen zwischen Basis und Führungsriege: nicht in der größten Volkspartei.

Querulanten kommen nicht weit

Unsere Leute haben eben keinen Grund zum Mosern, heißt es stets. Man kann die Kultur des Nichtssagens aber auch anders verstehen: Wer eine unbequeme Meinung vertritt, kommt nicht weit. Das ist nicht gesund für eine Partei, die bürgernah, modern und vertrauenerweckend sein will.

Klar kann man sich fragen, was es bei einem Wahlergebnis von 41,5 Prozent zu meckern gäbe. Doch Erfolg - das haben alle im Bundestag vertretenen Parteien erfahren - ist endlich. Erst die Zeit nach Angela Merkel wird zeigen, wie viel Wählersubstanz die CDU wirklich hat. Wie alle anderen Parteien kämpft die Union mit sinkenden Mitgliederzahlen, parteipolitisches Engagement ist für immer weniger Menschen attraktiv.

Will man sie locken, sollte man ihnen die Gelegenheit zum Gestalten geben. Zwar existiert eine Internetplattform,über die sich CDU-Mitglieder vernetzen sollen. Ortsvereine können sich zur Telefonsprechstunde mit der Kanzlerin anmelden, es gibt diverse Kommissionen und regelmäßige Regionalkonferenzen.

Doch immer dann, wenn das Mitmachen nicht mehr vollständig kontrollierbar ist, wird das Sicherheitsnetz aufgespannt. In Merkels sogenanntem Bürgerdialog wurden die Teilnehmer vorher in Workshops geschult. Im Wahlkampf waren Mitglieder und Unterstützer aufgerufen, am Regierungsprogramm mitzuschreiben. Verfasst wurde es dann doch wieder von den Spitzen und per Post an die Vorstandsmitglieder verschickt.

Bei der Schwesterpartei sieht das kaum anders aus. CSU-Chef Horst Seehofer inszeniert sich gern als Volks- und Basisversteher, bügelte aber den Wunsch nach einem Mitgliederentscheid über die Abschaffung von Studiengebühren ab. Auf dem letzten CSU-Parteitag waren gerade einmal 90 Minuten Debatte für 300 Seiten Programm angesetzt.

Allzu ungestümer Diskurs kann eine Partei auffressen, wie bei den Piraten geschehen. Oder er kann Wähler ratlos zurücklassen, wie es bei den Grünen passierte. Im besseren Fall kann offene Partizipation eine Partei in der Identitätskrise beleben - wie gegenwärtig bei der SPD zu beobachten.

In der CDU hat die Debatte über Mitgliedervoten gerade erst begonnen. Vielleicht wird man irgendwann nachziehen, so wie beim Atomausstieg, so wie in der Gesellschaftspolitik. Doch vorerst hat die CDU für sich entschieden: Sie zeigt sich lieber lethargisch als lebendig.

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