Verhältnis CDU und Linke Die Mauer muss weg

Die Linke in Thüringen könnte mit den Christdemokraten eine stabile Mehrheit bilden - gäbe es da nicht einen Beschluss der Bundes-CDU, der das verbietet. Das Beharren darauf erinnert an das Motto: "Das haben wir schon immer so gemacht."
Eine Analyse von Florian Gathmann
CDU-Politiker Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und seine damalige saarländische Amtskollegin Kramp-Karrenbauer mit Thüringens Regierungschef Ramelow: Wie geht es mit CDU und Linke weiter? (Archivbild von 2017)

CDU-Politiker Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und seine damalige saarländische Amtskollegin Kramp-Karrenbauer mit Thüringens Regierungschef Ramelow: Wie geht es mit CDU und Linke weiter? (Archivbild von 2017)

Foto: Oliver Dietze/ dpa

In der CDU bemüht man gern den Satz „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit“. Obgleich das ein Zitat ist, dessen Urheberschaft ausgerechnet Kurt Schumacher, dem ersten SPD-Vorsitzenden nach dem Zweiten Weltkrieg, zugeschrieben wird, scheint es christdemokratische Politik auf ihren Kern zu bringen: Andere Parteien mögen Utopien oder Dogmen gleich welcher Art hinterherrennen – die CDU richtet ihr Handeln nach dem aus, was ist.

Damit sind die Christdemokraten sehr erfolgreich gewesen seit Gründung der Bundesrepublik, beginnend mit Schumachers Gegenspieler Konrad Adenauer als erstem Kanzler. An christlichen Werten orientiert, konservativ, aber vor allem pragmatisch agierend – so hat die CDU gemeinsam mit ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU das Land in den vergangenen 70 Jahren geprägt.

Gewissheiten gab es dennoch: Dass man sich beispielsweise von der Linkspartei fernhält, die nach der Wiedervereinigung zunächst als SED-Nachfolgepartei PDS im gesamtdeutschen Parteienspektrum auftauchte. Auch damit ist die CDU lange erfolgreich gewesen, zumal man die DDR-Blockflöten aus der Ost-CDU gewohnt pragmatisch integrierte und sich damit in fast allen neuen Ländern zunächst eine Machtbasis schuf.

Aber Ostdeutschland hat sich noch mal radikal verändert in den vergangenen 30 Jahren. Die komplizierte Wirklichkeit in Thüringen sieht nun beispielsweise so aus, dass dort der in der alten Bundesrepublik geborene Linke-Mann Bodo Ramelow der mit Abstand beliebteste Politiker ist und sich in fünf Jahren als Ministerpräsident einer rot-rot-grünen Regierung Respekt bis weit in klassische CDU-Klientel erworben hat. Die Mehrheit allerdings verlor Ramelows Bündnis bei der Landtagswahl im Oktober 2019.

Linke und CDU hätten eine klare Mehrheit im Thüringer Landtag

Und jetzt wird es spannend: Gemeinsam mit der CDU käme Ramelow auf deutlich über 50 Prozent der Mandate im Erfurter Landtag. Doch zaghafte Signale ihres Thüringer Spitzenmanns Mike Mohring an den Ministerpräsidenten wurden von der Bundes-CDU rasch eingefangen – erst recht, als Vertreter der CDU im Freistaat im Umkehrschluss Gespräche mit der AfD vorschlugen.

Worauf sich die Berliner Parteizentrale beruft, ist ein Beschluss vom CDU-Bundesparteitag im Dezember 2018 gegen „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch der Alternative für Deutschland“. Dieser Beschluss gilt, worauf Generalsekretär Paul Ziemiak zuletzt am vergangenen Freitag hinwies.

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Allerdings dürfte der Duktus von Ziemiaks Tweet insbesondere im Osten des Landes manchen an Verlautbarungen jener politischen Einheits-Partei in der DDR erinnern, die auf eigene Beschlüsse pochte, bis irgendwann die Mauer gefallen war. Die Wirklichkeit im Land hatte die SED da schon lange nicht mehr im Blick oder längst resigniert angesichts der unaufhaltsamen Entwicklungen.

Aber die CDU hat nicht resigniert, sie will auch weiterhin die Politik in Deutschland gestalten. Dass dies immer schwieriger wird, vor allem angesichts der Stärke der AfD und der dahinterliegenden Probleme in der Gesellschaft, zeigt der Fall Thüringen. Er zeigt auch, wie breit sich Deutschland 30 Jahre nach dem Mauerfall auseinanderfächert. Natürlich wäre es aus Sicht der saarländischen CDU unvorstellbar, mit der dortigen Linkspartei zusammenzuarbeiten, nicht nur wegen Oskar Lafontaine. Und es ist nachvollziehbar, dass Christdemokraten in Saarbrücken, Stuttgart oder Mainz große Probleme mit dem Gedanken hätten, dass Parteifreunde in Erfurt mit der dortigen Linken gemeinsame Sache machen.

Noch hält die CDU eine Art Äquidistanz zur Linken und AfD

Zunächst müsste ohnehin der Hamburger Beschluss korrigiert werden, der eine Art Äquidistanz zu Linkspartei und AfD herstellt. Die Linke in Thüringen sei „30 Jahre nach der friedlichen Revolution nicht mehr die SED, und sie steht als Gesamtpartei im Grundsatz auf dem Boden des Grundgesetzes“, sagt Alt-Ministerpräsident Dieter Althaus von der CDU. "Genau da existieren hinsichtlich der AfD die Zweifel."

Althaus hat die Idee einer „Projektregierung“ seiner Partei mit Ramelows Linken in Thüringen aufgebracht, nachdem Alt-Bundespräsident Joachim Gauck zuvor die CDU mehrfach zu entsprechenden Schritten ermuntert hatte.

Dass die AfD vor allem in Ostdeutschland einen Teil enttäuschter CDU-Wähler erreicht, macht die Sache für die Christdemokraten nicht leichter. Zumal in den eigenen Reihen wiederum nicht jeder mit der Brandmauer einverstanden ist, das zeigte sich zuletzt auch in Thüringen – obwohl die dortige AfD vom besonders radikalen Björn Höcke angeführt wird.

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Dazu kommt, dass eine Lockerung des Verhältnisses zur Linkspartei die CDU taktisch einschränken würde: Rote-Socken-Kampagnen wie in der Vergangenheit, mit denen man die eigene Kernklientel mobilisieren kann, wären dann nicht mehr möglich.

Es wäre ein großer Schritt für Kramp-Karrenbauer und Ziemiak

Umso mehr politischen Mut und Überzeugungskraft würde es von der Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Ziemiak erfordern, der Partei einen solchen Schritt zu erklären. Da beide nicht unangefochten sind, würde das erst recht schwer für sie.

Aber bei Betrachtung der Wirklichkeit dürfte es dennoch keine Alternative geben, wenn die CDU in Ostdeutschland ein dominanter politischer Faktor bleiben und einigermaßen stabile Verhältnisse garantieren will. Die Koalition, über die Ramelow mit SPD und Grünen in Thüringen gerade verhandelt, hätte keine Mehrheit, sie müsste bei jeder Entscheidung im Landtag um Stimmen der Opposition betteln. Die CDU würde dabei in zentralen Fragen sicherlich bereitstehen – aber könnte politisch nicht profitieren.

Warum dann nicht gleich mitregieren, wenn auch anders als bislang gewohnt?

Andere Ost-Länder drohten sonst künftig sogar unregierbar zu werden: In Sachsen konnte zuletzt nur der populäre CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer ein noch stärkeres Ergebnis der AfD verhindern – andernfalls wäre eine Mehrheit ohne Beteiligung der Linkspartei dort nicht möglich gewesen. Genau das droht in Sachsen-Anhalt bei der Landtagswahl im Frühjahr 2021.

Davon würde am Ende nur die AfD profitieren. Wenn die CDU das verhindern will, sollte sie rasch handeln.

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