
Viel fliegende Fußballprofis Den Schuss nicht gehört


Borussia-Park in Mönchengladbach
Foto:Dennis Grombkowski/ Bongarts/Getty Images
Auf dieses Spiel warte ich seit Jahrzehnten. Mein heiß geliebter Verein Borussia Mönchengladbach steht erstmals in einem Achtelfinale der Uefa Champions League. Gut, auch die Siebzigerjahre waren für meinen Verein sehr erfolgreiche Zeiten. Aber damals war die Champions League noch nicht erfunden – und ich größtenteils noch nicht geboren.
In wenigen Tagen darf die Borussia nun gegen Manchester City antreten, die Startruppe von Startrainer Pep Guardiola. Unter normalen Umständen hätte ich alles dafür getan, um live im Stadion zu sein. Um dort zu singen, zu toben, zu schimpfen, zu jubeln. Wie ein kleiner Junge habe ich mich auf mein erstes Achtelfinale gefreut. Jetzt aber habe ich jede Vorfreude verloren.
Das liegt nicht am leeren Stadion. Als Fußballfan und Pandemieteilnehmer ist man immer neue Zumutungen ja gewohnt. Ich fand es auch legitim, dass der Bundesligabetrieb mit Geisterspielen fortgesetzt wurde. Ohne sie wäre manch einsamer Tag im Shutdown noch trister geworden. Gut möglich, dass der Fußball die ein oder andere Depression verhindern konnte.
Nun aber wird es völlig absurd. Weil die Einreise aus Großbritannien nach Deutschland derzeit wegen der hochansteckenden Virusvariante B.1.1.7 zu Recht verboten ist, wird Gladbach sein »Heimspiel« gegen Manchester nun in Budapest austragen. Zwei Mannschaften düsen in Zeiten, da nicht gereist werden sollte, ins Corona-»Risikogebiet« (Auswärtiges Amt) Ungarn, um so die Gesetze in Deutschland auszutanzen. Sie nutzen dabei eine Sonderregel für Profisportler, die die Regierung von Viktor Orbán erlassen hat. Auch das Heimspiel von Rasenballsport Leipzig gegen den FC Liverpool wird in Budapest stattfinden.
Dieser Ausweichtourismus ist ähnlich beknackt und überflüssig wie die kurze Stippvisite des FC Bayern München nach Katar, um dort an einer »Klub-WM« teilzunehmen, deren sportlicher Wert mit der Stadtmeisterschaft von Elmshorn vergleichbar ist und deren alleiniger Reiz die vielen Millionen sind, die der Trip einbringt. Als der Stürmer Thomas Müller vor Ort Corona-positiv getestet wurde, durfte er quasi parallel zur Mannschaft im Privatjet zurück nach München fliegen. Jeder andere Deutsche ohne Privatjetzugang (und ohne die Hilfe einer Öldiktaturen gegenüber sehr zugewandten Vereinsführung) hätte knapp zwei Wochen in Isolation vor Ort verbracht. Aber in der Welt des Profifußballs gelten extrem andere Gesetze.
Haben da einige den Schuss nicht gehört? Beziehungsweise zu spät gesehen? Manche Verantwortliche des Profifußballs würden bei der Frage nach Demut und Verantwortung wahrscheinlich auf ein Sturmduo der dritten Liga tippen. Vorbilder sind sie bestenfalls im trickreichen Umgang mit Regeln, die ihren guten Grund haben und für alle gelten sollten. Unter krampfigsten Verrenkungen wird ein europaweiter Wettbewerb aufrechterhalten, der gerade schlicht nicht in die Zeit passt. Die veranstaltende Uefa hätte ihn spätestens mit Aufkommen der Mutationen aussetzen müssen. Ein einwöchiges Finalturnier an einem Ort zu einem späteren Zeitpunkt und an einem einzigen Ort wäre eine Alternative gewesen. Zur Not auch ein Abbruch des laufenden Wettbewerbs. Dadurch wären der Uefa und den 16 Vereinen zwar viel Geld an Sponsoren- und Fernsehgeldern durch die Lappen gegangen.
Aber wir reden hier von den reichsten Klubs Europas (außer Mönchengladbach). Und: der Imageschaden, den sie durch ihr falsches Beharren aufs Spiel anrichten, könnte sie am Ende teuer zu stehen kommen: Sie verdienen zwar Millionen – verlieren aber Anhänger, die längst nicht mehr folgen können. Oder wollen.