Chaos um Biosprit Brüderle plädiert für "Atempause" bei E10

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle: Die Verbraucher besser informieren
Foto: Robert Schlesinger/ dpaBerlin - Er ist der Gastgeber des sogenannten Benzingipfels: Wirtschaftsminister (FDP) hat zu Beratungen über den heftig diskutierten Biosprit E10 geladen. Kurz vor Beginn der Gespräche hat der Minister deutlich gemacht: Er kann sich vorstellen, den Biosprit auszusetzen - um die Autofahrer in dieser Zeit besser über E10 zu informieren. Wörtlich sprach er im Südwestrundfunk von einer "Atempause".
Ausgeschlossen sei aber, dass der Kraftstoff wieder ganz vom Markt genommen werden könnte, sagte Brüderle. Bereits zuvor hatte Brüderle im rbb-Inforadio erklärt, er halte ein Abrücken von E10 beim Benzingipfel zwar für möglich, aber unwahrscheinlich. Die Einführung des Sprits sei wünschenswert auch im Sinne der Umweltentlastung.
Doch den Biosprit mit zehn Prozent Ethanol vertragen rund drei Millionen Autos in Deutschland nicht, viele Autofahrer sind verunsichert. Deshalb wird die Sorte kaum gezapft. Der Käuferstreik bedroht die Einführung des neue Sprits. Nach Angaben von Experten sind die Preise für Super- und Super-Plus-Kraftstoff nach Einführung der neuen Sorte außerdem gestiegen.
Über das Debakel bei der Einführung des Treibstoffs werden im Wirtschaftsministerium am Dienstag Automobil-, Biokraftstoff- und Mineralölwirtschaft sowie Bauern-, Umwelt- und Verbraucherverbände und mehrere Minister beraten.
Mit seinem Plädoyer für eine "Atempause" hat Brüderle sich nun aber deutlich der Position seiner Partei angeschlossen. So hatte FDP-Fraktionsvize Patrick Döring sich dafür ausgesprochen, die Einführung von E10 zu unterbrechen. "Die Verbraucher müssen zunächst Klarheit und Sicherheit bekommen", sagte er am Wochenende dem Berliner "Tagesspiegel". Dann würden sie neuen Kraftstoff auch kaufen. "Auf ein paar Monate mehr oder weniger" käme es beim Verkaufsstart nicht an.
Auch der Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion stellt den Zeitplan in Frage. "Ich plädiere dafür, dass wir uns bei der Einführung von E10 mehr Zeit lassen", sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs der "Rheinischen Post". "Wir müssen in der EU nicht immer die Vorreiter spielen", sagte der Vorsitzende des einflussreichen Parlamentskreises Mittelstand. Es reiche völlig aus, wenn Deutschland erst 2012 oder 2013 seine selbst gesetzten Ziele beim Einsatz von Biosprit erfülle.
"Die Wirtschaft ist nervös geworden"
Umweltminister (CDU) hingegen dringt darauf, die Einführung von E10 wie geplant fortzuführen. Er machte in der "Bild"-Zeitung erneut die Mineralölwirtschaft für die Verwirrung bei den Kunden verantwortlich. "Die jetzige Aufregung hängt damit zusammen, dass die Wirtschaft nervös geworden ist, weil sie ihr eigenes Produkt zu schlecht vermarktet hat", sagte Röttgen.
Er sei dennoch zuversichtlich, "dass das entstandene Misstrauen beim Verbraucher wieder abgebaut werden kann". Die Einführung von E10, das Tempo, die Produktwerbung und die Preisgestaltung sei Sache der Ölkonzerne. "Sie dürfen sich ihre Fehler bei der Einführung nicht vom Verbraucher bezahlen lassen", sagte Röttgen mit Blick auf mögliche Strafzahlungen für zu wenig verkauftes E10, die auf die Spritpreise aufgeschlagen werden könnten.
Für sein Krisenmanagement war Röttgen allerdings nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen kritisiert worden. Er habe der Verunsicherung der Verbraucher nicht ausreichend entgegengewirkt, lautet einer der Vorwürfe.
E10 wurde bisher an rund 7000 der bundesweit 15.000 Tankstellen eingeführt. Der Gesetzgeber hat die Ölbranche verpflichtet, 6,25 Prozent ihres Kraftstoffes - gemessen am Energiegehalt - aus pflanzlicher Produktion zu verkaufen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, mit mehr Biosprit könne Deutschland nicht nur unabhängiger vom Öl werden, sondern auch das Klima schützen. Wissenschaftler und Umweltverbände halten dem unter anderem entgegen, dass gewaltige Landflächen für die Biosprit-Produktion reserviert werden müssen - dafür müssen oft große Regenwaldflächen abgeholzt werden.
Die Einführung von E10 geht auf die Biosprit-Richtlinie der EU von 2009 zurück - allerdings schreibt die EU nur vor, dass bis 2020 zehn Prozent der im Transportsektor verbrauchten Energie erneuerbar sein muss. Wie das Ziel erreicht wird, ist Sache der Regierungen.